Dortmund:Kontrollierte Emotionen

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Das Harmonierudel der Liga: Dortmunds Spieler bejubeln ein weiteres Tor. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Cool und gekonnt: Borussia Dortmund gewinnt das Revierderby mit möglichst ökonomischem Fußball. Protagonist ist einmal mehr der junge Jadon Sancho.

Von Philipp Selldorf, Dortmund

Hochgradig exaltierte Stimmung herrschte in Dortmund, als die Derbysieger am Samstagabend nach Hause kamen. Hunderte von Fans empfingen Borussia Mannschaft und ihren staunenden Trainer Lucien Favre mit Leuchtfeuern und pyrotechnischem Zauber, der ausnahmsweise von keinem Sicherheitsbeauftragten beanstandet wurde. Das alles sah aus, als ob der BVB auf Schalke einen legendären Triumph errungen hätte, der den ganzen Klub in Glücksgefühle versetzt hätte. Doch so war es nicht. Selbst Mitarbeiter des Hauses beschrieben eine "seltsam emotionslose Atmosphäre" nach dem Wiedersehen mit den ungeliebten Nachbarn, die dem BVB in der vorigen Saison zweimal einen schweren Schlag versetzt hatten.

Marco Reus findet, Schalke hätte "einen komischen Fußball" gespielt

Selbstredend wurde vorschriftsmäßig gefeiert und getanzt vor der Kurve, doch Triumph- oder gar Revanchegefühle blieben der Fankurve vorbehalten. Dass sich die Freude ansonsten eher in Grenzen hielt, lag einerseits daran, dass die Schalker, wie Marco Reus sagte, "einen komischen Fußball" gespielt hatten - nämlich quasi keinen Fußball. Und andererseits daran, dass sich der BVB damit begnügte, einen Arbeitssieg zu sichern.

Dieses 2:1 sah aus wie einer der vielen namenlosen Erfolge, die Ottmar Hitzfeld einst beim FC Bayern aneinanderzureihen pflegte. Man ist kampfbereit, geht aber weitgehend ökonomisch vor. Man schießt möglichst früh ein Tor - wie Thomas Delaney am Samstag in der siebten Minute - und lässt dann die anderen machen. Im Falle eines Notfalls legt man noch ein Tor nach. So wie am Samstag der BVB, der nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich sofort die Fahrtrichtung änderte und wieder den Schalker Strafraum ansteuerte. Jadon Sanchos 2:1 in der 74. Minute war die logische Folge des Spielgeschehens. "Wir haben das Spiel über weite Strecken kontrolliert", stellte Sportchef Michael Zorc zufrieden fest. Ein Lob für den Torschützen gab es auch noch: Er ziehe "den Hut vor einer Ausnahmeleistung".

Abgesehen von der cool und gekonnt genutzten Chance zum 2:1, als er im Zusammenspiel mit Guerreiro die halbe gegnerische Abwehr stehen ließ, hat Sancho schon bessere Partien für den BVB bestritten. Aber dass der junge Angreifer überhaupt auf dem Platz stand, das verschaffte ihm schon eine Menge Anerkennung in den eigenen Reihen. Am Donnerstag hatte der 18-Jährige beim Training gefehlt, weil er in die Heimat nach England gereist war. Ein Trauerfall in der Familie, hieß es. Am Samstagabend teilte Sancho per Twitter mit: "Dieses Tor widme ich meiner Großmutter, sie ist kürzlich gestorben. Ich werde sie immer lieben, und ich weiß, dass sie mit einem Lachen auf mich blicken wird."

Sancho habe trotzdem "unbedingt" spielen wollen, sagte Trainer Lucien Favre. Mit seinem fünften Saisontreffer bescherte der Nationalspieler den Dortmundern den ersten Sieg auf Schalke seit fünf Jahren. Sein Jubel war eine Geste: Er blickte hinauf in den Himmel über der Schalker Sporthalle.

© SZ vom 10.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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