Doping im Radsport:Gegen Unbekannt

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Nach Doping-Vorwürfen erstattet BDR-Vize Udo Sprenger Anzeige. Sein Präsident Rudolf Scharping stellt sich vor ihn.

Thomas Hahn und Thomas Kistner

Rudolf Scharping klingt gehetzt am Telefon und er hat auch nicht viel Zeit, weil er schon zur nächsten Pressekonferenz eilen muss. Der jüngste, höchst pikante Bericht des ARD Magazins Report Mainz hat den Präsidenten des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) und frühreren Verteidigungsminister stark mitgenommen. Seine ganze schöne strenge Antdopinghaltung nach den Enthüllungen über den früheren Tour-de-France-Sieger Jan Ullrich und nach diversen Geständnissen steht auf einmal im Widerspruch zu den Inhalten des Berichts: Die beiden früheren, am Staatsdoping beteiligten DDR-Ärzte Roland Müller und Heinz Löbl waren im BDR-Reich im Einsatz, Löbl als Rennarzt, Müller sogar als Dopingkontrolleur. Und BDR-Vize Udo Sprenger, ein pensionierter Kriminalbeamter aus Wiesbaden, soll als Manager des Radrennstalls Team Nürnberger einst Doping gedeckt und über schwarze Kassen finanziert haben. Scharping ist empört. Er sagt: "Solche Beiträge wie gestern schaden dem Kampf gegen Doping."

Udo Sprenger (links) wird von BDR-Präsident Scharping gestützt. (Foto: Foto: ddp)

Sprenger soll Dopingmittel über schwarze Kassen abgerechnet haben

Scharping findet das alles unseriös, was da mit Verweis auf Stasidokumente und eingespielte Zeugenaussagen über den Bildschirm flimmerte, und schon formiert sich sein Verband zum Gegenschlag. Udo Sprenger ließ via BDR-Pressemitteilung verkünden: "Ich habe Anzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Erklärung erstattet." In dem Bericht belastet ihn ein anonymer ehemaliger Mitarbeiter des Teams Nürnberger, dessen Aussage Sprenger schon im ARD-Bericht als Lüge bezeichnete. Gegen den Unbekannten will Sprenger nun "mit aller Entschlossenheit" (BDR-Meldung) vorgehen - und mit Hilfe von einem "Dutzend Zeugen", die offensichtlich gesehen haben, wie er nichts gemacht hat.

Der anonyme ARD-Informant hatte gesagt, er sei dabei gewesen, wie Sprenger Dopingmittel über schwarze Kassen abrechnete. Scharping sagt: "Ich habe keinen Grund, an Herrn Sprenger und seinen Aussagen zu zweifeln." Er setzt auf das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, das Sprenger anstrengt: "Wir werden das abwarten, das Ergebnis dann betrachten und im Zweifel auch bewerten", sagte Scharping, "ich weiß, welches Risiko Herr Sprenger eingeht."

Auch im Fall der beiden früheren DDR-Ärzte weist der Verband jede Schuld von sich. "Dr. Löbl und Dr. Müller waren nicht im Auftrag des BDR im Einsatz", meldet der BDR. Bei mehr als 250 Veranstaltungen im deutschen Rennkalender sei es üblich, dass regionale Veranstalter Ärzte aus der Region heranziehen. Deswegen seien Müller und Löbl beim Bundesliga-Rennen Erzgebirgfahrt zum Zug gekommen. Gleichzeitig erklärt der BDR, In zwei Schriften zum DDR-Doping von renommierten Sporthistorikern seien die beiden nicht als Doping-Ärzte genannt. "Und wir werden trotzdem allen Veranstaltern sagen: Setzt sie nicht mehr ein, wir wollen das erst aufklären."

In dem ARD-Bericht hatte allerdings der zwischen 1979 und 1983 international aktive DDR-Radsportler Uwe Trömer erklärt, Löbl habe ihn seinerzeit mit seinen Spritzen in Lebensgefahr gebracht. Löbl bestritt die Vorwürfe. Trömer ist heute ein staatlich anerkanntes Doping-Opfer des DDR-Sports, und er sagte der ARD, dass er den BDR immer wieder über Löbls dunkle Vergangenheit informiert habe. Der Verband weist das zurück. Es habe reger Schriftverkehr zwischen Trömer und dem BDR bestanden, in dem es aber nur um Trömers Antrag gegangen sei, als Dopingopfer anerkannt zu werden. BDR-Vizepräsident Dieter Kühnle sagt: "Von Doping war da nicht die Rede, und von Löbl auch nicht." Trömer hat dem BDR also gar nichts über Löbls zweifelhafte medizinische Umtriebe in der DDR gesagt? "Mir gegenüber jedenfalls nicht", sagt Scharping. Der BDR habe Trömer beigestanden bei seinem Ansinnen, offiziell als Dopingopfer zu gelten. Scharping will nicht sagen, dass Uwe Trömer sein schmales Schmerzensgeld allein dem BDR zu verdanken habe. "Aber wir waren hilfreich."

Uwe Trömer war gestern für die SZ nicht zu erreichen. Die Aussagen der Verbandsfunktionäre und ihr Zorn über das Fernsehen, das normalerweise den Reichtum einer Sportart ausmacht, blieben von der Gegenseite also zunächst einmal unkommentiert. Und Rudolf Scharping konnte einigermaßen ungestört zu seinem vorläufigen Schlussplädoyer ausholen. "Der Kampf gegen Doping", sagte er, "muss absolut konsequent und seriös geführt werden." Und dass der BDR dabei ins Zwielicht gerät, findet er offenbar überhaupt nicht seriös.

© SZ vom 27.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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