DFB:Standortbestimmung im März

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Gewinner des Nordirland-Spiels: Serge Gnabry. (Foto: Simon Hofmann/Getty Images)

6:1 gegen Nordirland, Gruppenerster in der EM-Quali - gut und schön! Doch erst im Frühjahr folgen für die deutsche Nationalmannschaft Härtetests, die Aufschluss geben über die Turnierreife.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Es dauert noch eine Weile bis zum März 2020, und wenn es nach Joachim Löw geht, dauert es zu lange. Das liegt aber nicht daran, dass ihm in dieser traditionell nationalmannschaftsfreien Zeit die Ideen für seine Tagesgestaltung ausgehen würden. Der Bundestrainer hat jetzt noch bis zum 20. Dezember Termine, wie er am Dienstagabend mitteilte: "ins Ausland gehen, Spiele angucken, Champions League, Bundesliga sowieso". Dann will Löw um den Jahreswechsel herum mal ein paar Tage abschalten, ehe es wieder ähnlich eng getaktet weitergehen dürfte mit ins Ausland gehen, Spiele angucken, Champions League, Bundesliga sowieso. Aber noch lieber wäre es Joachim Löw offenkundig, wenn er in diesem Zeitraum ein paar andere Dinge machen könnte.

"Die Pause von November bis März bedaure ich immer", sagte er am Dienstag in Frankfurt - nach einem starken 6:1 (2:1) seiner Mannschaft gegen Nordirland. Das sei dann immer ein bisschen schwierig in dieser Zeit, anders als im Herbst, wenn es im September, Oktober, November kurz nacheinander so viele Auswahltreffen gibt.

Aber zugleich drängt sich der Eindruck auf, als bedauere Löw die Pause dieses Mal ganz besonders. Denn er trat nach dem 6:1 zwar gut gelaunt auf ("Mir hat ziemlich viel gut gefallen. Es hat Spaß gemacht."). Doch wahrscheinlich kann erst der März 2020 so richtig zeigen, was Löw über den Herbst 2019 unterm Strich so denken soll.

4:0 gegen Weißrussland und 6:1 gegen Nordirland zu gewinnen und damit vor den Niederländern Platz eins in der Qualifikationsgruppe klarzumachen, das ist gut und schön. Aber im März stehen zwei Testgegner aus einer anderen Kategorie auf dem Programm. Einer davon ist sicher Spanien (in Madrid), und wenn Löw "Spanien" sagt, scheint da immer noch besonders viel Hochachtung mitzuschwingen. Der andere Gegner steht noch nicht fest, vielleicht Portugal, vielleicht Belgien, so Löw, das hängt auch ab von der komplizierten Auslosung der EM-Vorrundengruppen.

Und auch wenn bei Löw bei "Portugal" oder "Belgien" eine Prise Hochachtung weniger mitzuschwingen scheint als bei "Spanien", so wäre das zweifellos ein zweiter angemessener Gegner, um zu zeigen, wo die deutsche Mannschaft nach dem viel beschworenen "Umbruch" und dem gelungenen Jahresausklang nun steht.

Gleichwohl war auch der Dienstagabend für Löw und die Nationalelf-Leitung geeignet, schon ein paar Erkenntnisse zu gewinnen. Denn es war bemerkenswert, wie konsequent und präzise seine Elf diesen Abend absolvierte, trotz des frühen Gegentreffers von Michael Smith (7.) - und auch dann noch, als nach dem dritten, vierten, fünften eigenen Tor die Partie entschieden war. Die fußballerischen Fähigkeiten der Nordiren mögen zwar nicht mit den gesanglichen ihrer Fans auf der Tribüne mithalten. Aber immerhin hatten sie bis zu diesem Abend in sieben Quali-Spielen nur sieben Gegentore kassiert. Und es hat in der jüngeren Vergangenheit der deutschen Länderspiel-Geschichte auch gegen durchaus schwächere Mannschaften Auftritte gegeben, bei denen sich irgendwann Nachlässigkeiten einstellten.

Diesmal blieb das aus. DFB-Spielmacher Toni Kroos gab trotzdem den Mahner: "Wir müssen mehr Konstanz reinbekommen, wenn wir erfolgreich sein wollen. Wir haben gute Phasen, das reicht, um gegen bestimmte Gegner zu gewinnen", sagte er. Betonung: gegen bestimmte  Gegner.

Es ist überhaupt eine interessante Rolle, die Kroos in der Nationalelf gerade übernimmt. Seine fußballerische Klasse steht außer Frage, wie er auch gegen Nordirland mit famosen Pässen und Vorlagen wieder bewies. Aber bisher galt er nicht gerade als Prototyp des teaminternen Integrationsbeauftragten. Doch nun, da Kroos neben Torwart Manuel Neuer und Verteidiger Matthias Ginter der letzte Verbliebene aus dem Kader beim WM-Sieg 2014 ist, scheint er noch mal aufzublühen - als hätte die Nationalelf für ihn gesteigerte Bedeutung.

Daneben gab es in Frankfurt noch ein paar andere Protagonisten, die sich nach diesem Jahresabschluss als besondere Gewinner fühlen durften: Serge Gnabry festigte mit seinem Dreierpack (19./47./60.) und dem Ausbau seiner Torquote in der Nationalmannschaft (13 Spiele/13 Treffer) seinen Status als erster Stürmer des Landes. Leon Goretzka fiel nicht nur auf, weil er wie schon gegen Weißrussland wieder erfolgreich im Torabschluss war, diesmal sogar doppelt (43./73.). Und beim umfangreichen Kandidaten-Casting in der Abwehr-Baustelle wusste insbesondere der lange abgemeldete Jonas Hector (Köln) auf der linken Seite zu überzeugen. Am Anfang unterlief ihm zwar am eigenen Strafraum ein Lapsus, aber nach vorne war er zweimaliger Torvorbereiter; und dass er zwar weniger wuchtig, aber technisch besser ist als Konkurrent Nico Schulz, daran erinnerte er bei dieser Gelegenheit auch noch mal.

Für eine andere wichtige Erkenntnis dieses Abends wiederum konnten Löw und seine Spieler gar nichts. Sie resultierte aus dem 0:2 der Ungarn in Wales in der Qualifikationsgruppe E. Denn dies führte dazu, dass die Ungarn die direkte Qualifikation für die EM verpassten - und das wiederum bedeutet im komplizierten Organisationsmodus der EM, dass die Deutschen in jedem Fall ihre drei Vorrundenspiele allesamt in München austragen können (16. Juni, 20. Juni, 24. Juni).

Darauf freuen sich Löw und sein Team noch mehr als auf den März 2020.

© SZ vom 21.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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