DFB: Schiedsrichter-Affäre:Nächste Pleite für Zwanziger

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Das Urteil dürfte den DFB erschüttern: DFB-Chef Zwanziger darf die Affäre um den Ex-Schiedsrichter-Obmann Amerell nicht mit den aktuellen Missbrauchsfällen vergleichen. Das Gericht erhielt brisante Mails.

T. Kistner

Wenigstens in einem Punkt kam es vor dem Augsburger Landgericht am Montag so, wie es Theo Zwanziger vorab gewünscht hatte: Ein Vergleich mit Prozessgegner Manfred Amerell käme nicht in Frage. Zwar lag kurzzeitig ein Einigungsvorschlag der 8. Zivilkammer unter Richter Rainer Brand auf dem Tisch, der vorsah, dass der DFB-Chef erklären soll, er habe in der Affäre um Amerell und vier Referees, die diesem sexuelle Übergriffe vorwerfen, keine Vergleiche mit der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche gezogen. DFB-Anwalt Christian Schertz wollte den Vorschlag aber nur akzeptieren, falls Zwanziger weiter den monierten Satz äußern dürfe; das lehnte Amerell ab. So erhielt Zwanziger sein Urteil: Bei Strafandrohung von bis zu 250000 Euro oder bzwei Jahren Haft untersagte ihm die Kammer, die "unwahre Tatsachenbehauptung" weiter aufzustellen, und bestätigte eine einstweilige Verfügung gegen Zwanziger vom 16. März.

Richter Brand schrieb dem DFB-Chef ins Stammbuch, er habe ein angebliches System Amerell "auf eine Ebene mit Sachverhalten gestellt, für die das Strafrecht Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahre vorsieht und die von der Gesellschaft besonders geächtet sind". Schertz kündigte Berufung an. Doch das Urteil und die Weiterungen, die sich aus diesem Prozess ergeben, dürften den DFB erschüttern.

Streitgegenstand war eine Äußerung Zwanzigers am 12. März vor der Presse: "In anderen Lebensbereichen stellen wir fest, dass nach 40 Jahren die Leute sich melden, weil sie vorher keinen Mut dazu gehabt haben." Kein Vergleich mit der aktuell brennenden Gesellschaftsdebatte rund um die Kirche? Schertz hantierte mit allerlei Argumenten: Da würden nur Zeitabläufe aus unbestimmten Lebensbereichen verglichen, Amerell sei ja nicht namentlich erwähnt worden, Recht auf freie Meinungsäußerung. Die Kammer hatte erkennbare Nöte, derlei Interpretationen zu folgen. "Welchen Sinn macht der Hinweis auf 40 Jahre?" hakte Richter Brand nach. Über Schertz´ Darlegung, Zwanziger habe nicht die Kirchen-Fälle, sondern allgemeine Lebensbereiche angesprochen, um unterschiedliche Zeitabläufe zu verdeutlichen, in denen Dinge aufgeklärt würden, spöttelte der Richter: "Wenn es andere Lebensbereiche sind, macht man nicht viel deutlich damit."

Für die Kammer war auch ohne Nennung des Namens Amerell klar: "Natürlich wusste jedermann, wer mit dieser Bemerkung neben dem aufklärenden Kempter zusätzlich gemeint ist." Beim Erlass der einstweiligen Verfügung Mitte März hatte das Gericht zwar eine Aussage Zwanzigers zugrunde gelegt, die nicht ganz in diesem konkreten Wortlaut gefallen war. Doch auch im nun vorliegenden Originaltenor bleibe Zwanzigers Bemerkung eine unwahre Tatsachenbehauptung, nicht jede Wortlautänderung bedeute eine Änderung des Sachverhalts.

Dass Augsburg nur der Anfang war, daran ließ Amerell nach dem Urteil keinen Zweifel. Schon im Prozess hatte er das Wort ergriffen (,,Ich lasse mich nicht von Zwanziger in die Nähe von Straftätern bringen"); wiederholt betonte er: "Der DFB hat mich im Gegensatz zu den vier betroffenen Referees nie in vergleichbarer Weise angehört." Die DFB-Seite behauptete, eine Vernehmung habe sich durch Amerells Rücktritt erledigt. ,,Es gab keinen Fall mehr, weil er von allen Ämtern zurückgetreten ist'', sagte Schertz. Wie Zwanziger meint auch er, Amerell sei schon am 1. Februar angehört worden. Dagegen hielt Amerell die Tatsache, dass sich drei der vier ihn belastenden Referees erst nach diesem "Informationsgespräch am Kaffeetisch bei Zwanziger" gemeldet hätten; auch gebe ja es zu dieser "nachträglich zurechtkonstruierten Anhörung" nicht mal ein von ihm unterzeichnetes Protokoll.

Ins Wanken geraten könnte die DFB-Position bald auch, weil Amerell dem Gericht nun mehr als 400 Mails von Kempter vorlegte. Etwa die Hälfte, so Amerells Anwalt Jürgen Langer, sei schon "am Donnerstag vom Gericht an die Kanzlei Schertz weitergeleitet worden". Insofern rügte Amerell scharf, dass der DFB trotz offenkundiger Kenntnis der angeblich hochbrisanten Kempter-Mails ("Wenn Zwanziger den Ordner anschaut, wird er mehr als ein Glas Rotwein brauchen") den Referee am Samstag wieder beim Drittligaspiel in Sandhausen eingesetzt habe. Die Mails dokumentieren laut Amerell und Langer klar, wie eng das Verhältnis mit Kempter war. Amerell forderte die Deutsche Fußball Liga auf, Einblick in die Akte und Kempter aus dem Spielbetrieb zu nehmen.

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