DFB-Pokal in Leverkusen:Frankfurt findet Trost in Madrid

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Trotz des 1:4-Rauswurfs aus dem geschätzten Pokalwettbewerb, grämt sich die Eintracht nicht lange. Der Grund: Stürmer Luka Jovic, der vor anderthalb Jahren für fabelhafte 60 Millionen an Real verkauft wurde, kehrt auf Leihbasis in die Bundesliga zurück.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Wenn der Begriff Arbeitsverweigerung in der Fußballsprache als Ausdruck einer schweren Straftat verstanden wird, dann hatte Sebastian Rodes Handeln am Dienstagabend in Leverkusen den Rang eines Kapitalverbrechens. Der Kapitän von Eintracht Frankfurt verweigerte nicht nur die Dienstleistung, er tat dies auch auf schamlose Weise, indem er erkennbar vorsätzlich die Verfolgung seines Gegenspielers Moussa Diaby abbrach und stattdessen dem Leverkusener Angreifer beim Torschuss zuschaute. Mit folgenschwerem Effekt: Diaby besiegelte mit seinem Treffer den 4:1-Sieg für Bayer 04 und das Pokal-Aus für Eintracht Frankfurt.

Dennoch hat niemand Rode einen Vorwurf dafür gemacht, dass er den Gegner nicht aufzuhalten versucht hatte. Erstens befand sich die Partie tief in der Nachspielzeit, sie war ohnehin längst entschieden, und zweitens - wie soll ein Mann wie Rode einen Sprinter wie Diaby einfangen, wenn dieser schon zwei Meter Vorsprung hat?

Die Eintracht hat das Weiterkommen im Pokal nicht in jener Szene in der 93. Minute verspielt, in der Rode die Sinnlosigkeit jeder weiteren Anstrengung erkannte, sondern in ein paar schlüsselhaften Momenten, für die sie nicht viel konnte: Vor dem 1:1 durch Lucas Alarios Elfmeter (27. Minute) beging Erik Durm ein unfreiwilliges Handspiel, als er sich in einen Flankenschuss drehte und am Arm getroffen wurde. Beim 1:2 durch Edmond Tapsoba (49.) hatte der Schütze im Abseits gestanden - der Videoassistent schwieg dazu, weil es erst ab dem Achtelfinale einen Videoassistenten gibt. Und auch den Bruch, der schlagartig ihren bis dahin exzellenten Spielrhythmus zerstörte, konnte man den Frankfurtern nicht anlasten: Dass der Regisseur Amin Younes in der 29. Minute das Feld verlassen musste, lag an einer Sprunggelenksverletzung.

Younes' Spielfreude und Effektivität hatten die Eintracht wie ein Spitzenteam aussehen lassen und ihr das frühe 1:0 beschert. Sobald er nicht mehr seine Kreise zog, tat sich in der Offensive ein Loch auf, das der arme Ersatzmann Steven Zuber niemals schließen konnte. Auch Leverkusens Trainer Peter Bosz sah im Younes-Faktor eine Erfolgsformel seiner Mannschaft. "Ganz ehrlich", wandte er sich vertrauensvoll ans Publikum: "Für uns war's gut, dass Amin raus musste." Vor drei Jahren hatte Bosz den 27-Jährigen Nationalspieler a.D. (der bald wieder aktiv werden könnte) noch bei Ajax Amsterdam trainiert, er schwärmte aus profunder Erfahrung. Auch Rode hob später hervor, der erzwungene Wechsel habe dem Team "geschadet". Daichi Kamada, der andere Spielmacher der Eintracht, ließ ohne seinen Partner die erwünschte Wirkung vermissen.

Beim eminent wichtigen Führungstor für Leverkusen zum 2:1 im Abseits: Torschütze Edmond Tapsoba (rechts außen) profitierte davon, dass der Video-Beweis im Pokal erst ab dem Achtelfinale eingesetzt wird. (Foto: Jan Hübner/Imago)

Bis zum überraschenden Ausgleich hatte die Eintracht überzeugend am 2:0 gearbeitet, Bayer hingegen machte dort weiter, wo es beim am Samstag gegen Bremen aufgehört hatte: An einem Punkt, der ein ganzes Stück unter dem üblichen Niveau lag. Den Eindruck, dass sich da gerade die Symptome einer Krise verdichten, teilten die auswärtigen Beobachter mit einem Insider: "Da war kein Vertrauen in der Mannschaft, das war kein guter Fußball", berichtete Bosz. Umso stolzer war der Coach, dass sich seine Elf mit Kampfgeist aus der Beklemmung befreite. Je länger die Partie dauerte, umso mehr war Bayer 04 wieder das einig geschlossene Team, das es vor der Weihnachtspause war. Unter anderem äußerte sich das in dem Durchsetzungswillen, den Nadiem Amiri auf dem Weg zum 3:1 einsetzte, und in dem wenigstens 97. Vollsprint, den Diaby in der Nachspielzeit anstrengte - gegen den resignierenden Eintracht-Kapitän Rode.

Trotz des Rauswurfs aus dem in Frankfurt sehr geschätzten Pokalwettbewerb machte SGE-Trainer Adi Hütter einen überraschend entspannten Eindruck. Kenner führten dies auf die angekündigte Rückkehr von Mittelstürmer Luka Jovic zurück, der bis zum Sommer von Real Madrid ausgeliehen werden soll. Am Wochenende hatte sich Sportchef Fredi Bobic noch damit vergnügt, aus dem Coup ein Geheimnis zu machen, am Dienstag vor dem Spiel rückte er mit der Nachricht raus. Vor anderthalb Jahren hatte der spanische Großklub den 23-jährigen Jovic für fabelhafte 60 Millionen Euro gekauft, nun stellte man dort fest, dass dem Torjäger ein paar Kur-Monate in der alten Heimat guttun könnten, um den ramponierten Marktwert zu steigern. Die Frankfurter erhalten Sonderkonditionen und machen dabei angeblich ein gutes Geschäft. Das Geld, das der kurzfristig zum FC Brügge transferierte Angreifer Bas Dost erwirtschaftet hat, finanziert seinen Nachfolger und hinterlässt immer noch Gewinn. Ein längerer Verbleib von Jovic ist offenbar nicht ausgeschlossen, Bobic wies die Option nicht ausdrücklich zurück. Und auch Bayer 04 meldete einen Zugang: Von Manchester United kommt der niederländische Außenverteidiger Timothy Fosu-Mensah, 23.

"Das ist die erfreulichste Nachricht des Tages", stellte Hütter lächelnd fest. Ungewohnt sentimental sprach der Trainer von einem Mann, der "nach Hause" käme und lobte den Klub für "ein Signal nach innen und nach außen". Jovic wird sich allerdings bei seinem alten Verein erstmal hinten anstellen müssen. In Madrid kam er weder an Karim Benzema noch an dessen Stellvertretern vorbei, in Frankfurt hat sich der Portugiese André Silva Privilegien verdient.

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