DFB-Junioren:Nachwuchs-Fußball: Es darf sich etwas ändern

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Cedric Teuchert kann das frühe EM-Aus der U19 nicht fassen. (Foto: dpa)

Der U-19-Nationaltrainer Streichsbier mahnt nach dem frühen Aus bei der Heim-EM, dass andere Nationen aufgeholt hätten. Die Ausbildung von Jugendspielern sollte analysiert werden.

Von Sebastian Fischer, Stuttgart

Mit einer Niederlage gegen Portugal hat im deutschen Fußball einst Gutes begonnen. Als Sergio Conceicao am 20. Juni 2000 in Rotterdam die deutsche Abwehr austanzte und die Nationalmannschaft mit drei Toren in der Vorrunde aus dem EM-Turnier schoss, fing Deutschland an, anders über Fußball zu denken. Fußball war plötzlich nicht mehr der Sport, in dem die Deutschen halt irgendwie immer gut waren. Es war fortan der Sport, in dem die Deutschen ihre Jugendspieler wieder zu den besten der Welt ausbilden mussten: Im Sommer 2001 wurde es Pflicht für Erstligisten, Nachwuchsleistungszentren zu bauen, mit Schulen zu kooperieren und hauptamtliche Jugendtrainer einzustellen.

Mit Niederlagen gegen Portugal ist im deutschen Fußball zuletzt zweimal ziemlich Vielversprechendes jäh zu Ende gegangen. Die deutsche U-21-Nationalmannschaft verlor im Sommer 2015 mit 0:5 das Halbfinale der U-21-EM. Und am vergangenen Donnerstag ist die deutsche U-19-Nationalmannschaft nach einem 3:4 gegen Portugal bei der U-19-EM in Baden-Württemberg schon in der Vorrunde ausgeschieden. Nach dem 3:0 am Sonntag gegen Österreich geht es nun immerhin im am Donnerstag Spiel um Platz fünf noch um die Qualifikation für die U-20-WM im kommenden Jahr.

Das deutsche Ausbildungskonzept wurde kopiert

Nun ist es natürlich nicht so, dass im deutschen Fußball irgendjemand einen Umbruch wie vor 16 Jahren fordern würde. Dafür ist nicht nur die Nationalmannschaft, sondern auch der Nachwuchs, zu erfolgreich. Deutsche Teams waren bei allen Turnieren der vergangenen Jahre vertreten, einzig bei dieser und bei der vergangenen U-19-Europameisterschaft überstanden sie die Gruppenphase nicht. Doch dass sich ruhig mal wieder etwas ändern darf im deutschen Nachwuchsfußball, dass Trainingspläne und Ausbildungsrichtlinien mal wieder hinterfragt werden können, das ist in diesem Sommer häufiger zu hören als in den Jahren zuvor.

"Viele Länder haben das deutsche Ausbildungskonzept kopiert, viele Länder haben aufgeholt", sagt Guido Streichsbier, der Trainer der deutschen U 19. Natürlich sei Deutschland im Fußball weiterhin herausragend aufgestellt, "aber wir sind jetzt auch gefordert." Streichsbier, 46, ist als junger Trainer bei der TSG Hoffenheim in einem innovativen Umfeld großgeworden, vielleicht schreckt er auch deshalb nicht vor dem Hinweis zurück, die Dinge zu hinterfragen. Noch ein Indiz: In der Youth League, der Champions League für U-19-Junioren, hat es in drei Jahren nur einmal der FC Schalke ins Halbfinale geschafft. Die Vereine, sagt Streichsbier, würden momentan auch erkennen, dass es zum allerhöchsten Niveau gerade ein wenig fehlt.

Eine These, für die beide Auftritte der deutschen U-19-Junioren in Stuttgart gegen Italien und in Großaspach gegen Portugal jeweils Anschauungsunterricht lieferten. Die 0:1-Niederlage zum Auftakt gegen effektive Italiener war das Abbild der nach dem verlorenen EM-Halbfinale von Marseille aufgeflammten Mittelstürmerdebatte. Die deutschen Stürmer Philipp Ochs, Janni Serra und Cedric Teuchert erspielten sich Chance um Chance, doch trafen nicht. Die Italiener dagegen trafen nach ihrer einzigen Chance des Spiels per Strafstoß. "Wir müssen in Deutschland den Fokus noch mehr auf den Torabschluss legen", sagte Streichsbier hinterher.

Beim 3:4 gegen Portugal traf dann alleine Ochs dreimal, doch es reichte nicht. Die flinken Portugiesen liefen den Deutschen nach Kontern davon. "Uns fehlen vielleicht ein, zwei Ausnahmespieler", sagt Streichsbier. Und, zumindest im 1998er-Jahrgang, "die Geschwindigkeit der Portugiesen auf den offensiven Außenbahnen".

Zum Formen und Fördern fehlt häufig die Zeit

Treffsichere Mittelstürmer und Flügelflitzer, die wie Portugiesen dribbeln, sind natürlich nicht einfach zu finden. Aber wenn es eines gibt, was sie sich beim DFB von den ja noch immer vorbildhaften Nachwuchsleistungszentren der Bundesligisten wünschen, dann dies: Dass sie solche Spieler, die in Deutschland besonders benötigt werden, mit Priorität fördern und formen. Doch dafür, heißt es in den Gesprächen am Rande des Turniers, fehle den Trainern leider oft die Zeit in einem eng getakteten Trainingsjahr, das auch im Jugendfußball schon vom Ergebnisdruck geprägt ist.

Diskussionsbedarf zwischen DFB und den Klubs gab es jüngst vor allem wegen der Abstellungen für die deutsche Olympiamannschaft. Sportdirektor Hansi Flick musste in den vergangenen Wochen und Monaten als Lobbyist durchs Land reisen, um die Bundesligisten von der Freistellung ihrer Spieler für die U-21-Auswahl zu überzeugen. In Rio vertreten den DFB nun zwar die Bender-Zwillinge Sven und Lars sowie der Freiburger Torjäger Nils Petersen, doch auch bundesligaunerfahrene Spieler wie Grischa Prömel aus Karlsruhe oder Lukas Klostermann von RB Leipzig. Es ist die nächste Gelegenheit für eine Indiziensammlung. "Wir haben jetzt noch Olympia - und dann sollten wir analysieren", sagt Streichsbier; analysieren, was die Trainer in Deutschland richtig machen, und was falsch.

Horst Hrubesch, der Trainer der U 21, wird nach dem Turnier abtreten, seine 16 Jahre lange Trainerkarriere beim DFB ist dann wohl vorbei. Sie begann übrigens, dies nur nebenbei, als Assistenztrainer von Erich Ribbeck im Sommer 2000 - als ein portugiesischer Sieg den deutschen Fußball veränderte.

© SZ vom 17.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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