DFB:Irritationen im Odenwald

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Protagonisten eines DFB-Machtkampfes: Präsident Fritz Keller (rechts) und Vizepräsident Rainer Koch. (Foto: Anke Waelischmiller/Sven Simon/Imago)

Der erste Anlauf für ein Corona-Pilotprojekt des DFB ist gründlich missglückt. Der Verband mit Präsident Keller an der Spitze hat auf fast allen politischen Ebenen für Verstimmung gesorgt.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Ganz im Süden Hessens liegt der Odenwaldkreis mit seinen knapp 100 000 Einwohnern, und diese knapp 100 000 Einwohner haben wohl nur überschaubare Einwände gegen die These, dass ihre Heimatregion in den großen Linien des deutschen Fußballs eher selten eine Rolle spielt. Aber in diesen Tagen lohnt sich ein Blick dorthin. Denn der Odenwaldkreis war von der Spitze des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) für ein Pilotprojekt einer mit viel Stolz angekündigten Corona-Testreihe ausgeguckt worden. Aber nun stellt sich heraus, dass es mit dem Vorhaben in Südhessen nach ein paar bemerkenswerten Vorgängen nichts wird.

Vor knapp anderthalb Monaten war es, als der DFB-Präsident Fritz Keller inmitten der Kritik am organisierten Fußball im Generellen und an seiner Person im Speziellen versuchte, ein paar Pluspunkte zu sammeln. Einen "Fünf-Punkte-Plan für mehr Nachhaltigkeit im Fußball" präsentierte er, dazu zählte etwa eine Debatte über eine Gehaltsobergrenze. Aber als Punkt eins nannte Keller in Anbetracht von Corona etwas anderes: Der Verband wolle sein Netzwerk, also seine Logistik und Infrastruktur, die sieben Millionen Fußballer und 25 000 Vereine an der Basis, für "präventive und möglichst großflächige Testungen" nutzen, um das Virus einzudämmen. Und auch ein Pilotprojekt stellte er gleich in Aussicht - und nannte als Kandidaten explizit den Odenwaldkreis.

Das klang nach einem Ansatz, wie der Fußball bei einem wichtigen Thema seiner gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen könne. Es war auch die Zeit, in der der Fußball dringend solche Botschaften brauchte, weil es viel Kritik am frühen Neustart der Profiligen gab. Mit der Politik sei er dazu im Austausch, gab Keller zu verstehen. Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier "fand die Idee sehr gut", sagte Keller in einem Spiegel-Interview, und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble habe gesagt: "Das ist klasse, da sieht man, wie wertvoll der Fußball und das Ehrenamt für das Land sein können."

Schon damals erzeugte Kellers Vorstoß Verstimmungen. Der Tagesspiegel berichtete, dass die Aussagen des DFB-Chefs im Bundespräsidialamt mit Befremden aufgenommen worden seien, da es sich um ein vertrauliches Telefonat gehandelt habe. Auf Anfrage sei der kolportierte Inhalt so auch nicht bestätigt, sondern lediglich betont worden: "Der Bundespräsident hat in einem kurzen Telefonat die Überlegungen zur Kenntnis genommen."

Aber nun zeigt sich, dass die Irritationen auf der regionalen und praktischen Ebene gleich weitergingen. Denn im Odenwaldkreis wusste man offenkundig gar nichts vom Glück, die vom DFB auserkorene Region zu sein. Landrat Frank Matiaske (SPD) teilt mit, er habe vom ursprünglich Plan erst aus der Presse erfahren. Als es dann zu einem Telefonat mit dem DFB gekommen sei, habe man den Verband darauf hingewiesen, "was so eine Reihe für einen Kreis bedeuten würde und was es an Arbeit für das Gesundheitsamt nach sich ziehen würde, wenn es positive Fälle gibt. Wir haben explizit angeboten, die Planungen durch unsere praktische Erfahrung zu unterstützen, aber der DFB ist darauf nicht mehr zurückgekommen", heißt es.

Entsprechend verstimmt ist man über Vorgehen und Verhalten des DFB. "Ich bin mehr als irritiert, wie das gelaufen ist", sagt Landrat Matiaske, "sowohl darüber, dass wir das erst aus der Presse erfahren haben, als auch darüber, wie der DFB mit unserem Hilfsangebot umgegangen ist."

Der DFB stellt den Ablauf so dar: Ein Pilotprojekt im gesamten Fußballkreis Odenwald sei "im Rahmen der internen Prüfungen zur Mach- und Umsetzbarkeit als eine Option von mehreren diskutiert (worden), weil dieser Kreis zum Zeitpunkt der Planungen eine vergleichsweise hohe Zahl an Covid-19-Infizierten aufwies". Es seien "keine weiteren Schritte zur Konkretisierung oder Umsetzung des Projektes" unternommen worden; "der Planungsstand könnte jederzeit wieder aktiviert werden, dann würde der DFB auch auf die politischen Verantwortlichen zugehen und ein Vorgehen abgestimmt werden".

Der DFB betont aber, wie wichtig ihm das Coronatest-Thema weiter sei. Deswegen will er das Pilotprojekt an anderer Stelle durchziehen - aber nicht mehr in einem ganzen Land- oder Fußballkreis, sondern zunächst nur in einem Verein. "Nach Sicherstellung der Finanzierung" sei dies zunächst in zwei Klubs geplant, die konkrete Umsetzung werde gerade ausgearbeitet. Wo genau das passieren soll, teilt der DFB aber nicht mit.

© SZ vom 25.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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