DFB-Frauen erreichen Halbfinale:Gewagte Wechsel zahlen sich aus

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Tor für Deutschland: Simone Laudehr (Nummer sechs). (Foto: Getty Images)

Durch ein Tor von Simone Laudehr gewinnen Deutschlands Fußballerinnen ihr EM-Viertelfinale gegen Italien 1:0 - im Halbfinale wartet Gastgeber Schweden. Bundestrainerin Neid wird für ihre unerwarteten Personalwechsel belohnt.

Von Kathrin Steinbichler, Växjö

Als Spieler hat Antonio Cabrini seiner Kollegin Silvia Neid etwas voraus. Der 55-Jährige darf sich Weltmeister nennen, seit er 1982 mit der Squadra Azzurra den Titel holte. Silvia Neid wiederum hat Cabrini etwas als Trainerin voraus: 2007 hat sie Deutschlands Fußballerinnen zum WM- Titel gecoacht. In der Vorrunde dieser EM hatte Cabrini bewiesen, dass er seine Mannschaft taktisch zu lenken versteht.

Am Sonntagabend machte Silvia Neid es ihm nicht nur nach, sondern besser: Die Bundestrainerin wagte vor dem Viertelfinale bei der Frauenfußball-EM eine unerwartete personelle Umstellung - und wurde belohnt.

1:0 (1:0) siegte die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft gegen Italien und steht damit im EM-Halbfinale. Dort wartet jetzt kommenden Mittwochabend in Göteborg Gastgeber Schweden, das sein Viertelfinale gegen Island zuvor eindrucksvoll 4:0 (3:0) gewonnen hatte. Als das schwedische Ergebnis im Stadion von Växjö während der Pause durchgesagt wurde, kam begeisterter Applaus von den Rängen. Ganz so wie immer wieder auch in den 90 Spielminuten, in denen die deutsche Auswahl mit einer willensstarken und aggressiven Leistung sich den Sieg vielleicht nicht erspielte, aber erarbeitete.

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Das gab es seit 20 Jahren nicht mehr: Deutschlands Frauenfußball-Nationalmannschaft verliert bei einer EM ein Spiel. Mit dem 0:1 gegen Norwegen gibt das Team von Silvia Neid den Gruppensieg aus der Hand - im Viertelfinale muss die Mannschaft überlegter auftreten, um gegen Italien zu bestehen.

Von Kathrin Steinbichler, Kalmar

Auslöser für den verbesserten Auftritt der deutschen Auswahl war ein überraschender Wechsel in der taktischen Formation: Dzsenifer Marozsan, die erst 21-jährige und zuletzt wegen ihrer Ineffektivität kritisierte Spielmacherin vom 1. FFC Frankfurt, fand sich erstmals im Turnier auf der Bank wieder. Für sie rückte die routinierte Anja Mittag von der Außenbahn hinter die Spitzen - es ist die Position, auf der die 28-Jährige auch bei ihrem Klub LdB FC Malmö gesetzt ist.

Für Mittag wiederum kam Simone Laudehr im linken Mittelfeld zum Einsatz, und die 27-Jährige, die nach einer achtmonatigen Verletzungspause zurück ist, setzte von Beginn an ein Zeichen: Sie warf sich mit einer Verve in die Zweikämpfe, als ob es das letzte Spiel sein könnte, das sie jemals machen wird. Genau diese Einstellung hatte dir Bundestrainerin von ihren Spielerinnen gefordert, und die Mannschaft folgte dem Beispiel von Laudehr.

"Ich denke, wir haben genug Qualität, um die Italienerinnen zu besiegen", hatte Saskia Bartusiak vor dem Spiel versichert. Im Spiel zeigte die deutsche Elf, dass ihre Innenverteidigerin Recht hat. Jennifer Cramer, 20, die nach ihrer Gelbsperre wieder in die Viererkette einrückte, hatte Italiens ausgebuffte Offensivspielerin Melania Gabbiadini die meiste Zeit erstaunlich gut im Griff. Und in der Offensive war es erneut die 19-jährige Lena Lotzen, die neben Laudehr für den meisten Druck sorgte.

Schon nach fünf Minuten verpasste Laudehr nur knapp eine Hereingabe von Celia Okoyino da Mbabi, kurz darauf erhielt Laudehr Szenenapplaus, als sie den Ball auf Höhe der Mittellinie noch per Grätsche von der Auslinie kratzte. In der 26. Minute war es dann - natürlich - Simone Laudehr vorbehalten, die deutsche Elf in Führung zu bringen. Nach einem schlecht abgewehrten Eckstoß schaltete sie als erste und beförderte den Ball - aus kurzer Distanz und noch abgefälscht - ins Tor.

Einer, der darüber besonders erleichtert gewesen sein dürfte, war Wolfgang Niersbach. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) war extra für das Spiel nach Südschweden gereist, eineinhalb Stunden vor dem Anpfiff hatte er sich das kleine Stadion zeigen lassen und eine Runde um den Platz gedreht.

Im Falle einer Niederlage, die das EM-Aus bedeutet hätte, hätte er sich wohl auch mit der Trainerpersonalie befassen müssen, wenngleich er noch direkt vor dem Spiel Silvia Neid das Vertrauen aussprach. So bleibt Deutschlands junge Nationalmannschaft als Titelverteidiger weiter im Wettbewerb, Niersbach beklatschte den Erfolg und Neid sagte: "Ich bin stolz und froh."

"Der Spielrhythmus und die Anspannung bei Turnieren wie diesem kann jemanden einschüchtern, der das noch nicht erlebt hat. Wenn man etwas erfahrener ist, ist man darauf besser vorbereitet", hatte Italiens Patrizia Panico vorher gesagt. Sie musste die Deutschen gemeint haben.

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