Deutschland - Spanien: Mann gegen Mann:Noch 120 Minuten bis zum Elfmeterschießen

Ein erfahrenes spanisches Ensemble steht einer neuen deutschen Einheit gegenüber. sueddeutsche.de vergleicht beide Startformationen - und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis.

Thomas Hummel, Durban

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(Foto: afp)

Iker Casillas/Manuel Neuer Da war er wieder ein Held. Iker Casillas hielt den Elfmeter des Paraguayers Cardozo und hat damit seine Mannschaft vor einer zumindest sehr schwierigen Situation bewahrt. So wie damals, im EM-Viertelfinale gegen Italien, als er die Strafstöße von De Rossi und Di Natale hielt und Spanien im Turnier blieb. Casillas ist vielleicht der einzige Torwart der Welt, der sich freuen würde auf ein Elfmeterschießen gegen eine deutsche Nationalmannschaft. Der 29-Jährige steht seit zehn Jahren im Tor von Real Madrid, und hat mit diesem Verein alles gewonnen. Unter anderem zweimal die Champions League. Er war Welttorhüter 2008 und 2009. Was soll da ein Manuel Neuer entgegensetzen? Weil der 24-Jährige aus Gelsenkirchen stammt, ist er beim FC Schalke 04 groß geworden und hat entsprechend noch nichts gewonnen. Seine Qualitäten werden aber dafür Sorgen, dass entweder Schalke bald Titel holt oder ein anderer Verein mit Neuer Titel holen wird. War gegen Argentinien wieder der erhoffte, sichere Rückhalt. Unentschieden: 0,5:0,5

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(Foto: online.sdesport)

Sergio Ramos/Philipp Lahm Rechtsverteidiger können es sich in ihrem Planquadrat bequem machen, abwarten, ob der Gegner den Ball durch diese Zone tragen will und sich dann mit Wucht entgegenstellen. Wenn die eigene Mannschaft den Ball hat, haben sie Zeit, sich auszuruhen und die Stadionatmosphäre zu genießen. Sergio Ramos und Philipp Lahm sind beide keine Rechtsverteidiger von dieser Sorte, sondern rennen selbst unablässig mit nach vorne, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Das macht sie für ihre Mannschaft zu einem wertvollen, weil überraschenden Faktor im Angriff. Lahm hat durch seine Stellung als Kapitän bereits bewiesen, dass er sich in schwierigen Situation sogar als Antreiber versteht. Er nimmt deshalb in seiner Mannschaft eine noch wichtigere Position ein als Ramos, und auch wenn Lahm viele Kräfte benötigen wird, um David Villa (siehe Villa) auf seiner Seite zu bändigen: Punkt für Deutschland: 0,5:1,5

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(Foto: dpa)

Gerard Piqué/Per Mertesacker Sie nennen ihn "Piquénbauer". Der 23-Jährige vom FC Barcelona ist der vielleicht kompletteste Innenverteidiger der Welt. Groß und deshalb kopfballstark, kräftig und deshalb zweikampfstark, nicht langsam genug, um ihn locker zu überlaufen. Bei eigenem Ballbesitz ein Meister der Spieleröffnung, seine Pässe streichen scharf über den Rasen, hatte bei dieser WM allerdings hin und wieder Probleme mit der Genauigkeit, was den Spaniern einige Kontergegenstöße einhandelte. Auch Per Mertesacker hatte mitunter Probleme mit seinen Pässen und Anspielen. Vor allem nach dem Spiel gegen Ghana prasselte herbe Kritik auf den Bremer ein. Hat sich aus dieser Schwächeperiode auf wundersame Weise herausgespielt, legte gegen Argentinien eine einwandfreie Partie hin. Doch selbst ein sehr guter Mertesacker muss einsehen: Punkt für Spanien: 1,5:1,5

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(Foto: getty/afp)

Carles Puyol/Arne Friedrich Puyol, der Rocker unter den spanischen Künstlern, das wilde Element im Flachpass-Zirkus. Mit 32 Jahren zusammen mit Capdevila der erfahrenste Spieler in der spanischen Elf, wenn Piqué an seiner Seite mit Stellungsspiel und elegantem Ballablaufen mal nicht weiter kommt, grätscht eben Puyol in die Paraden. Das Paar kennt sich vom FC Barcelona und ergänzt sich auch da glänzend. Dennoch dürfte den deutschen Beobachtern aufgefallen sein, dass gerade die Innenverteidigung Spaniens keine uneinnehmbare Festung darstellt bei dieser WM. Paraguay kam zu einigen Großchancen im Achtelfinale und vor allem Puyol lief mit seinen wehenden Haaren hin und wieder hinterher. Hinterherlaufen - das ist Arne Friedrich bislang noch nicht passiert. Der Absteiger aus Berlin spielt bislang eine derart perfekte WM, dass er sich im Halbfinale schon einen schlimmen Patzer leisten müsste, um das All-Star-Team noch zu verpassen. Niemand verteidigt in Südafrika besser als Arne Friedrich, und nun hat er gegen Argentinien auch noch sein erstes Länderspiel-Tor erzielt. Punkt für Deutschland: 1,5:2,5

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(Foto: dpa/afp)

Joan Capdevila/Jerome Boateng Joan Capdevila dürfte sich über die zweite gelbe Karte von Thomas Müller am meisten von allen Spaniern gefreut haben. Wer will sich derzeit schon auf ein Duell mit dem jungen deutschen Irrwisch einlassen? Der 32-jährige Linksverteidiger vom FC Villareal geht ein wenig unter neben all den großen Namen aus Madrid und Barcelona. Dabei spielt er bislang einen braven Abwehrmann, der David Villa auf der linken Seite den Rücken freihält. Den unscheinbaren Capdevila als Schwachpunkt zu nennen, wäre deshalb übertrieben, wenngleich auch keine Gefahr von ihm ausgeht. Ähnliches gilt für Jerome Boateng. Hatte gegen Argentinien zunächst einige ungestüme Szenen, stabilisierte aber in der Halbzeit seine Leistung auf wundersame Weise (zum Vergleich, siehe Mertesacker) und verrichtete seine Arbeit in der Defensive fortan tadellos. Dem jungen Berliner könnte indes mit Andrés Iniesta die ultimative Herausforderung blühen. Unentschieden: 2:3

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Sergio Busquets/Bastian Schweinsteiger Wie Piqué hinter ihm, ist auch der defensive Mittelfeldmann Busquets von einer eleganten Aura umhüllt. Der 21-jährige vom FC Barcelona wirkt mit seinen 1,89 Meter und seinem jungenhaften Äußeren wie ein junger Prinz in einem Theaterstück. Hat den giftigen Marcos Senna verdrängt, der bei der EM 2008 noch das Kampfelement in Spaniens Mittelfeld darstellte. Versucht angeblich, sich mehr Muskelmasse anzutrainieren, um sich in Zweikämpfen besser behaupten zu können. Die fehlenden Muskeln sind aber nicht der Grund, warum Busquets den Vergleich mit Schweinsteiger deutlich verliert. Kein zentraler Mittelfeldspieler hält bisher den Vergleich mit dem 25-Jährigen vom FC Bayern stand. Schweinsteiger ist der Chef des deutschen Spiels, der nur aufpassen muss, dass seine Brust nicht irgendwann zu breit wird. Punkt für Deutschland: 2:4

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Xabi Alonso/Sami Khedira Viele Jahre hat der Baske aus Tolosa beim FC Liverpool verbracht und ist deshalb ein Element englischer Geradlinigkeit und Zweikampfwucht im spielerischen spanischen Mittelfeld. Neben dem jungenhaften Busquets ist Alonso der grimmige Abräumer, der in der Premier League das blitzschnelle Umschalten gelernt hat. Sami Khedira kann auf solche Erfahrungswerte nicht zurückgreifen, er hat alles beim VfB Stuttgart gelernt. Deshalb herrschten nach dem Ballack-Ausfall durchaus Zweifel, ob der 23-Jährige die verantwortungsvolle Aufgabe in der Zentrale niveauvoll ausfüllen kann. Doch er hat alle Zweifler widerlegt. Khedira steht zwar im Schatten des Präsidenten Schweinsteiger, doch als Staatssekretär verrichtet er wertvolle Arbeit, ist ständig und überall unterwegs und spielt dazu schlaue Pässe nach vorne. Unentschieden: 2,5:4,5

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(Foto: online.sdesport)

Xavi/Mesut Özil Xavi Hernández ist der unvergleichliche Stratege und Taktgeber der Spanier und des FC Barcelona. Das Gehirn des Spiels. Immer anspielbar, verliert er etwa dreimal im Jahr einen Ball oder verursacht einen Fehlpass. Wenn nichts mehr läuft, dann alle Bälle auf die wandelnde Billardbande Xavi, er strahlt Ruhe aus und setzt seine Mitspieler perfekt ein. Wer das Glück hat, mit dem 30-Jährigen zusammenspielen zu dürfen, wird selbst gleich um eine Stufe besser. Kleiner Nachteil im Spiel Xavis: Während er in Barcelona vom defensiven Mittelfeld aus agiert, stellt ihn Vicente del Bosque etwas weiter nach vorne, womit er in mehr Zweikämpfe verwickelt ist und seine Pässe mit chirurgischer Präzision nicht immer ansetzen kann. A propos chirurgische Präzision. Mesut Özil hat in diesem Turnier schon Pässe gespielt, die selbst einen Xavi begeistern dürften. Die Welt beneidet Deutschland um diesen 21-jährigen Jungen aus Gelsenkirchen, der völlig neue Elemente in das DFB-Spiel streut. Dennoch ist Xavi im Jahr 2010 wegen seiner Erfahrung noch ein kleines Stück höher zu bewerten. Punkt für Spanien: 3,5:4,5

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(Foto: afp)

Andrés Iniesta/Piotr Trochowski Das Duell mit den am wenigsten vergleichbaren Spielern. Piotr Trochowski kommt von der Bank, und das nicht nur hier in Südafrika. Auch beim Hamburger SV saß der 26-Jährige zuletzt häufig neben dem Platz. Trochowski könnte eine Schlüsselrolle zukommen, wird er doch vermutlich den herausragenden Thomas Müller (Gelbsperre) in diesem Halbfinale vertreten. Wenn der Bundestrainer nicht Cacau oder Toni Kroos vorzieht, wird er das auf seine Art versuchen, weniger mit hemmungslosem Sturmdrang denn mit sicherer Teilnahme am Mittelfeldspiel und hin und wieder einem Mordsschuss aus der Distanz. Andrés Iniesta hingegen ist kein Wackelkandidat, die Bank sieht der 26-Jährige nur, wenn er mal wieder verletzt ist. Das war er zuletzt häufig, seine Muskeln können den explosiven Antritt manchmal nicht verkraften. Jetzt aber ist er fit und damit das wohl gefährlichste Mitglied der Spanier neben Villa. Flink, perfekt am Ball, selbst bei höchster Geschwindigkeit mit seherischer Übersicht. Punkt für Spanien: 4,5:4,5

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(Foto: afp/dpa)

David Villa/Lukas Podolski Manchmal reicht im Fußball die Statistik, um den Wert eines Spielers für seine Mannschaft zu beschreiben: Sechs Tore hat Spanien bei dieser Weltmeisterschaft erzielt, fünf davon David Villa, das andere legte er Iniesta auf. Weil sein Partner Fernando Torres nach Verletzungen eine Krise mit nach Südafrika gebracht hat, muss David Villa dem Europameister in jedem Spiel alleine das Ergebnis retten. Doch er macht das mit einer Kontinuität, die unheimlich wirkt. Seit vier Partien traf Villa in jedem Spiel. Auch Lukas Podolski hat ja eine durchaus beeindruckende Quote in der Nationalmannschaft. 40 Tore in 78 Länderspielen, bei dieser WM traf er gegen Australien und gegen England. Hat im linken Fuß den wohl härtesten Rumms im Turnier, ballert damit aber auch bisweilen in der Gegend herum, dass sich die Balljungen im Stadion hinter der Werbebande in Sicherheit bringen müssen. Punkt für Spanien: 5,5:4,5

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(Foto: online.sdesport)

Fernando Torres/Miroslav Klose Noch ist nicht sicher, ob Fernando Torres überhaupt spielen wird in diesem Halbfinale. Fernando Torres? War das nicht der Stürmer, der beim FC Liverpool zu den besten des Globus herangereift war? Der vom Kopfball über den Linksschuss oder den Rechtsschuss das gesamte Repertoire drauf hatte und dazu noch unheimlich schnell war? So schnell, dass er im EM-Finale den zögernden Lahm überholte, vor dem verspäteten Lehmann an den Ball kam und das Spiel in Wien mit seinem 1:0 entschied. Doch Fernando Torres erlitt eine schwere Verletzung am rechten Knie, im April erst wurde er operiert. Und so spielt bislang ein gehemmter Torres in Südafrika, ein schwacher, ein anderer Torres. Für ihn könnten Fernando Llorente aus Bilbao oder Arsenals Cesc Fabregas von Beginn an spielen. Es spielt auch ein anderer Klose in Südafrika. Ein gelöster, starker, ein Tore schießender Miroslav Klose. Es herrschten vor der Reise ans Kap seriöse Zweifel, ob es der mittlerweile 32-Jährige noch einmal hinkriegen würde, bei einem großen Turnier der Nationalmannschaft den Sturm anzuführen. Doch mit dem Trainer Joachim Löw im Rücken, der ihm unendliches Vertrauen entgegenbringt, kann es Klose auch 2010. Noch ein Tor und er holt Ronaldo an der Spitze der ewigen WM-Torschützenliste ein. Punkt für Deutschland: 5,5:5,5

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