Deutsches U-21-Team:Geheimschwur löst die Bremsen

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3:0 - Torschütze Matthias Ginter, r., feiert mit den Kollegen. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Das ambitionierte U-21-Team des DFB findet rechtzeitig seine Qualitäten und besiegt Dänemark im zweiten Gruppenspiel klar.
  • Die Tore erzielen zweimal Kevin Volland und Matthias Ginter.
  • Der künftige Münchner Joshua Kimmich macht sich immer unersetzbarer.
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Von Matthias Schmid, Prag

Im Prager Stadion Eden herrscht absolutes Rauchverbot, immer wieder werden auch die Zuschauer während des Spiels über die Videoleinwand höflich, aber bestimmt angewiesen, bitteschön keine Zigarette anzuzünden. Welche Sanktionen im Fall eines Vorstoßes drohen, ist nicht überliefert. Horst Hrubesch fand nach Spielende am Samstagabend gegen Dänemark in der Tiefgarage der Arena ein sicheres und lauschiges Plätzchen zwischen einem Transporter und einem Krankenwagen.

Dass der Trainer der U-21-Nationalmannschaft rauchte, konnte man an den kleinen, weißen Wolken erkennen, die über den Dächern der beiden Fahrzeuge emporstiegen. Hätte jemand in diesem Moment noch Rum und einen Liegestuhl gebracht, es hätte wunderbar ins Bild gepasst - Hrubesch war nach dem 3:0-Erfolg im zweiten Gruppenspiel der Europameisterschaft in Tschechien entspannt wie lange nicht mehr. "Ich bin zufrieden", sagte der 64-Jährige, "weil die Jungs einfach gut sind und wenn sie ins Laufen kommen, dann nur schwer zu halten sind."

In der Tat war der Sieg gegen Dänemark das Erfolgserlebnis, das alle in der deutschen Mannschaft nach dem holprigen Auftakt gegen Serbien (1:1) herbeigesehnt hatten. Es war nicht irgendein Sieg, sondern ein überzeugend herausgespielter, eine Befreiung, "weil wir gegen Serbien im Spiel nach vorne schon verkrampft waren", wie Innenverteidiger Matthias Ginter hinterher einräumte. Jetzt reicht schon ein Unentschieden im letzten Gruppenspiel gegen Gastgeber Tschechien am nächsten Dienstag (20.45 Uhr), damit die älteste Juniorenauswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) das Halbfinale und die damit verbundene Qualifikation für die Sommerspiele in Rio 2016 erreicht. "Wir haben richtig gut gespielt, mit Leidenschaft und Intensität", sagte Kapitän Kevin Volland.

Der Stürmer von 1899 Hoffenheim hatte mit seinen beiden Toren (32./48.) erheblichen Anteil am Sieg. Besonders sein zweites Tor, ein Freistoß aus 25 Metern war ein Kunstwerk, das in keinem Jahresrückblick fehlen wird. Mit links und viel Effet zirkelte der 22-Jährige den Ball über die Mauer. "Den haue ich nicht jedes Mal so rein", gestand er hinterher. Volland spielte diesmal für Philipp Hofmann als zentrale Spitze, flankiert von den beiden dribbelstarken Amin Younes auf der linken und Leonardo Bittencourt auf der rechten Seite. Die erwarteten Korrekturen von Hrubesch an der Startaufstellung hatten Wirkung entfaltet.

Das Unentschieden gegen Serbien hatte die Spieler doch stärker verunsichert, als sie zunächst zugeben wollten, das war an den Äußerungen und an den Feierlichkeiten am Samstagabend zu erkennen. Linksverteidiger Nico Schulz redete von einem geheimnisvollen Schwur im Hotel. Und die Mannschaft stellte sich nach dem Schlusspfiff vor der Gegengerade in einer Reihe auf, fasste sich an den Händen und zelebrierte mit den deutschen Fußballfreunden mehrere Wellen der Begeisterung. Fast so, als ob sie schon das Halbfinale erreicht hätte. "Wir waren alle ziemlich erleichtert", sagte Amin Younes.

Denn nach den ersten 20 Minuten hatte es für die Mannschaft und Horst Hrubesch noch nicht nach einem entspannten Abend ausgesehen, im Gegenteil. Bei konsequenterer Chancenverwertung hätten die Dänen mit 2:0 vorne liegen können. Der Trainer wollte die nervösen und gehemmten Anfangsminuten seines Teams allerdings nicht unnötig dramatisieren, er sprach eher euphemistisch vom Abtasten zweier Mannschaften. "Ich habe schon abertausende Spiele gesehen, in denen in den ersten 15 Minuten Fehler gemacht wurden", sagte Hrubesch, "ich hatte in der Pause kaum etwas zu bemängeln". In der Tat wurde es danach besser, die Mannschaft spielte schneller, direkter, sie begann plötzlich zu kombinieren, als hätten sie ihre Qualitäten bisher nur gut versteckt gehalten für ein größeres Publikum in einem größeren Stadion.

Besonders die Entstehung des Führungstores war sehenswert: Joshua Kimmich, der künftige Bayern-Profi, stibitzte seinem bisherigen Mitbewohner, Yussuf Poulsen von RB Leipzig, energisch den Ball und spielte ihn schnell zu Emre Can weiter. Dem Liverpooler genügte ein Blick, ein steiler Pass, und schon hatte Volland den Ball über die Linie bugsiert. "Das hat Josh überragend gemacht", lobte Volland den Mitspieler, der sich im defensiven Mittelfeld immer unersetzbarer macht. Schon gegen Serbien hatte der 20-Jährige nach seiner Einwechslung zur Pause das deutsche Spiel beruhigt und den Spielaufbau belebt.

Er erkannte darin keine große Sache, er tue nur seine Pflicht, sagte Kimmich. "Wir haben vieles besser gemacht, aber noch nicht perfekt gespielt." Und auch Ginter, der schließlich noch das 3:0 köpfelte (53.), erinnerte an die tückische Ausgangslage vor dem letzten Gruppenspiel: "Jeder in der Gruppe kann weiterkommen, aber auch noch ausscheiden."

Deutsche U 21 in der Einzelkritik
:Vollands Kunstwerk

Der Stürmer schießt einen filigranen Freistoß, Amin Younes bekommt Angst vor Knöllchen und Matthias Ginter erlebt einen seltenen Moment. Die U 21 beim 3:0 gegen Dänemark in der Einzelkritik.

Von Matthias Schmid, Prag

Deutschland führt nun in der Tabelle mit vier Punkten vor Dänemark und Tschechien mit drei und Serbien mit einem Zähler. Am letzten Spieltag ist also noch alles offen.

Horst Hrubesch sagt. "Ich will als Gruppenerster in Prag bleiben." Dazu müsste seine Mannschaft wohl gegen Tschechien gewinnen. Als Zweiter reisen die Deutschen zum Halbfinale nach Olmütz . Auf den Ortswechsel hat in der deutschen Mannschaft niemand Lust. Schon gar nicht Hrubesch. Denn dann müsste er sich wieder ein neues Plätzchen für seine Zigarette danach suchen.

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