Deutsches Davis-Cup-Team:Krach um die Versöhnung

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Philipp Kohlschreiber: Schwieriges Verhältnis mit Arriens (Foto: dpa)

Selten hatten die deutschen Männer so große Aussichten auf einen Erfolg im Davis Cup - doch statt sportlich zu überzeugen, zofft sich das Team. Selbst kurz vor dem Versöhnungstag irritiert Philipp Kohlschreiber mit einer seltsamen Absage.

Von René Hofmann

Die Geschichte ist so unglaublich, dass es gar nicht so leicht ist, den richtigen Anfang zu finden. Seit 1993 haben die deutschen Tennis-Männer den Davis Cup nicht mehr gewonnen. Noch nicht einmal nahe gekommen sind sie dem gewaltigen Pott seitdem. Den Deutschen Tennis Bund (DTB) trifft das hart. Ein Prestige-Erfolg würde ihm sehr helfen, und zumindest ein solcher wäre in diesem Jahr drin gewesen.

Einen solchen hat es in diesem Jahr im Grunde schon gegeben. Im Februar rangen Florian Mayer, Philipp Kohlschreiber und Tommy Haas in Frankfurt Spanien nieder. Überraschenderweise stand es nach dem Doppel schon 3:0, womit der Einzug ins Viertelfinale feststand. Noch überraschender aber war, was anschließend passierte.

Für eines der beiden unbedeutenden Einzel zum Abschluss fand sich kein Akteur. Mayer, Kohlschreiber und Haas legten Atteste vor. Die Partie fiel aus, was 5000 Zuschauer zum Pfeifen fanden und der Tennisweltverband ITF so ungebührlich, dass er eine Untersuchung ankündigte. Mit ihren Hintern hatten die deutschen Herren eingerissen, was sie zuvor mit ihren Händen mühsam aufgebaut hatten. Mayer litt tatsächlich an einer Verletzung. Aber Haas und Kohlschreiber hielten ihre angeblichen Blessuren nicht davon ab, unmittelbar darauf beim Turnier in Zagreb anzutreten. Haas erreichte dort das Finale und spielte sogar Doppel. So weit, so ungewöhnlich.

Weil dem DTB das Verhalten seiner vermeintlichen Vorzeige-Spieler peinlich war, hatte er eine Idee: Er wollte für Wiedergutmachung sorgen. Ein Versöhnungstag sollte veranstaltet werden. Kein Witz: So wurde die Veranstaltung wirklich genannt. Als Datum wurde der 30. März ausgeguckt, der Sonntag, bevor die Mannschaft zu ihrer nächsten Mission aufbrechen sollte: Dem Viertelfinale in Nancy, wo vom 4. bis 6. April die Filzbälle auf einem Hartplatz fliegen. Frankreich hat mit Jo-Wilfried Tsonga und Richard Gasquet ein gutes Team, aber kein unbezwingbares.

In Bestbesetzung wäre durchaus ein weiterer Prestige-Erfolg drin. Mit Fortune anschließend vielleicht sogar mehr. Im Halbfinale träfen die Deutschen auf die Japaner oder die Tschechen. In der anderen Hälfte des Tableaus sind noch Großbritannien, Italien, Kasachstan und die Schweiz. Zu behaupten, es war schon lange nicht mehr so aussichtsreich, dem gewaltigen Pott nahe zu kommen, ist nicht wirklich übertrieben. Aber: Die deutschen Tennis-Herren bekommen es ja noch nicht einmal hin, einen wirklich versöhnlichen Versöhnungstag auf die Beine zu stellen.

An den Fans liegt das nicht. Die wollen so zahlreich kommen, dass die Veranstaltung verlegt wurde: Aus dem Tennisclub Palmengarten ins Sport- und Freizeitzentrum in Frankfurt-Kalbach, wo 1200 Schaulustige Platz finden. Zu sehen bekommen werden diese allerdings nicht den erhofften Aufgalopp der Szenegrößen vor dem nächsten nationalen Highlight. Sondern einen Abklatsch.

Teamchef Carsten Arriens und sein Co Michael Kohlmann werden mit Kindern ein paar Bälle schlagen. Alexander Waske, 38, und Marc-Kevin Goellner, 43, werden auflaufen - zwei einstige Doppelgrößen. Tommy Haas, 35, verzichtet wegen eines Schulterleidens auf die Anreise aus seiner Wahlheimat, den USA. Florian Mayer, 30, kommt, kann wegen eines Ödems am Schambein aber keinen Schläger führen. Und Philipp Kohlschreiber - tja, was soll einem zu Kohlschreiber noch einfallen?

Das Management des 30-Jährigen ließ Arriens zunächst angeblich eine Absage übermitteln, die der Teamchef "nicht nachvollziehen" konnte und "enttäuschend" fand. Am Tag darauf entpuppte sich das definitive "Nein" aber als Missverständnis. Kohlschreiber hatte nur ein klein bisschen "Nein" sagen wollen. Soll heißen: Zur Veranstaltung kommt er gerne, einen Schaukampf kann er aber nicht bestreiten, wegen einer langwierigen Ellbogenproblematik, wegen der Arriens ihn auch nicht für den Frankreich-Ausflug nominiert hat, was Kohlschreiber wiederum "schade" findet, "da ich das Team gerne angeführt hätte", wie der Augsburger das Internet- portal tennisnet.com an diesem Freitag wissen ließ.

In Nancy setzt Arriens ganz auf neue Kräfte: auf Tobias Kamke (Lübeck, 27 Jahre/Weltrangliste-Nummer 92), Jan-Lennard Struff (Warstein/23/Nr. 104), Peter Gojowczyk (München/24/Nr. 111) und Andre Begemann (Lemgo/29/Nr. 48 der Doppel-Rangliste). Aus diesem Anlass fordert Nicolas Kiefer, inzwischen 36 und TV-Experte, Arriens müsse die zögerlichen etablierten Größen für immer aus dem Team verbannen und ganz auf "junge, ehrgeizige Spieler" setzen. Ausgerechnet Kiefer! Wer dessen eigene wankelmütige Einstellung zum Davis Cup in Erinnerung hat, wird das ziemlich unglaublich finden.

© SZ vom 29.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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