Deutsches Aus im Fed Cup:Tränen des Zorns

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Trauerbewältigung: Andrea Petkovic (rechts) und Sabine Lisicki nach ihrem verlorenen Doppel gegen Russland. (Foto: Maxim Shipenkov/dpa)
  • Die zuvor geschonten Petkovic und Kerber gleichen aus im Halbfinale des Fed Cup gegen Russland.
  • Dann verliert Deutschland das Doppel.
  • Manche fragen sich: Wählte Teamchefin Rittner die richtige Aufstellung?

Von Philipp Schneider, Sotschi/München

Andrea Petkovic hat schon oft geweint auf den Bühnen der Sportwelt in ihrer Karriere als Tennisprofi, sie hat ihre Gefühle auf den Pressekonferenzen nie für sich behalten, und sie hat aus den unterschiedlichsten Gründen geweint. Manchmal, nachdem sie sich schon wieder verletzt hatte. Und manchmal, weil sie verloren hatte. Am Sonntag hat Andrea Petkovic wieder geweint, gleich im Anschluss an den letzten Ballwechsel des entscheidenden Doppels im Fed-Cup-Halbfinale gegen Russland. Aber es waren andere Tränen, auch welche des Zorns, die Petkovic diesmal verströmte auf einem Tennisplatz in Sotschi.

Fast war es ihr gelungen, für das erstaunlichste Comeback in der deutschen Fed-Cup-Geschichte zu sorgen. Doch nach ihrer deutlichen 2:6, 3:6- Niederlage an der Seite von Sabine Lisicki gegen Anastasia Pawljutschenkowa und Jelena Wesnina war auch der zwischenzeitliche Ausgleich Deutschlands zum 2:2 egal, der ja fast einem Wunder gleichkam. 3:2 für Russland. Also weinte Petkovic gleich auf dem Platz. Sie wusste: Das Finale würde sie auch in diesem Jahr nicht gewinnen. In diesem Jahr würde sie es nicht einmal erleben, als Teilnehmerin.

Deutsche Tennisfrauen im Fed Cup
:Die Belohnung bleibt aus

Im Fed-Cup-Halbfinale ist Schluss für die deutschen Tennisfrauen: Zunächst gewinnen Andrea Petkovic und Angelique Kerber auf überragende Weise ihre Einzel, doch im entscheidenden Doppel fehlt schließlich die Kraft.

Am Samstagabend waren die deutschen Tennisfrauen schon so gut wie ausgeschieden gewesen, 0:2 lagen sie zurück nach den Einzelniederlagen von Julia Görges (4:6, 4:6 gegen Swetlana Kusnezowa) und Sabine Lisicki (6:4, 6:7 (4), 3:6 gegen Pawljutschenkowa). Es war kaum noch daran zu denken, dass die Mannschaft von Barbara Rittner in diesem Jahr ins Finale einziehen könnte, um "dieses Scheißding" zu gewinnen, wie Rittner den Fed Cup nach der Niederlage gegen Tschechien im Vorjahr getauft hatte. Und es sah auch ein wenig so aus, als hätte sich Rittner mit ihrer Entscheidung verpokert, nach den Absagen der Weltranglistenzweiten Maria Scharapowa und Ekaterina Makarowa, der Nummer Acht, am ersten Tag Petkovic und Angelique Kerber zu schonen.

Rittner hatte jenen Plan mit Görges und Lisicki ausgeheckt, weil sie glaubte, dass Petkovic und Kerber nach ihrem verspäteten Eintreffen in Russland nicht genügend geruht hatten, um schon am Samstag zu spielen.

Fast wäre das aufgegangen. Kerber war ja zuletzt dreimal um die Welt geflogen, bevor sie im Anschluss an ihren Turniersieg in Charleston am Mittwoch endlich eingetroffen war in der Teamresidenz am Schwarzen Meer. Wer auch immer ihr den abwechslungsreichen Trip mit den Stationen Washington - Frankfurt - Posen - München - Istanbul - Sotschi gebucht hatte, war entweder zur Improvisation in letzter Minute gezwungen gewesen. Oder er war ein Mensch mit schrägem Humor. Zwei Tage war Kerber unterwegs, irgendwo ging ihr Koffer verloren. Ob sie schon am Samstag fit gewesen wäre? Müßig zu spekulieren.

Petkovic jedenfalls gab ihrer Chefin recht, sie sagte: "Ich war körperlich so kaputt und habe Barbara am Telefon gesagt, ich kann nicht spielen. Hätte ich am Samstag gespielt, wäre der Sonntag nicht gegangen." Kerber allerdings spielte am Sonntag so ausgeruht wie ein Murmeltier, das nach einer mehrmonatigen Winterruhe erst dann aus seinem gut gepolsterten Schlafkessel gekrochen kommt, wenn ihm danach ist. Mit 6:1, 6:0 fegte sie über Pawljutschenkowa hinweg; bis zum entscheidenden zweiten Matchball dauerte es gerade mal 52 Minuten. Vielleicht also hätte besser Kerber im Doppel gespielt, da auf Seiten der Russinnen schließlich die von ihr zuvor gedemütigte Pawljutschenkowa auflief?

Die Chance zum 2:2-Ausgleich hatte Kerber zuvor Petkovic ermöglicht mit ihrem erstaunlich lockeren 6:2, 6:1 gegen Swetlana Kusnezowa. Die Russin ist eine der unangenehmsten und sicher eine der erfahrensten Spielerinnen auf der Tour. 2004 gewann sie die US Open, 2008 die French Open. Die 31-Jährige, geboren in Leningrad, sieht mit ihrem ungewöhnlich riesigen Stirnband auf dem Platz immer ein bisschen so aus, als ziehe sie in die Schlacht. Sie war auch einer der Gründe, weswegen die Russinnen sich überhaupt für Sand entschieden hatten als Belag. Zweimal hatte Andrea Petkovic gegen Kusnezowa auf der Tour auf dem Untergrund gespielt, den ja auch die Deutsche bevorzugt, zweimal hatte sie verloren.

Aber das hier war der Fed Cup.

Und Petkovic, das wusste sie vorher, würde mit einem Sieg den Tag, ihre Mannschaft und überhaupt mal wieder ganz Tennisdeutschland retten können. Petkovic liebt solche Heldengeschichten. Auch jene, die von ihr selbst handeln. Seit ihrem Auftritt im Fed Cup im Februar, als sie beim 4:1 gegen Australien zwei Punkte beigesteuert hatte, war sie auf der Tour immer besser in Form geraten. Ihrem Spiel tut es gut, dass sie seit ein paar Wochen von Rittners Assistent Dirk Dier begleitet wird, der für Petkovic nun so etwas ist wie der Fed Cup zum Mitnehmen: Nach einem Turniersieg in Antwerpen erreichte sie das Halbfinale von Miami und auch das in Charleston, dort verlor sie allerdings gegen ihre Teamkollegin, die spätere Turniersiegerin Angelique Kerber.

Konzentriert spielte Petkovic gegen Kusnezowa, taktisch klug, verwinkelt, mutig. Schnell ging sie im ersten Satz 3:0 in Führung, sie erlaubte sich kaum Fehler, vor allem mit ihrer beidhändigen Rückhand setzte sie die Russin unter Druck. Kusnezowa warf vor Frust den Schläger zu Boden, nach dem ersten Satz verschwand sie für 15 Minuten auf der Toilette. Petkovic blieb ruhig. Kurz bevor sie nach 81 Minuten ihren zweiten Matchball verwandelte, sah es so aus, als wolle Kusnezowa vor Verzweiflung ihre Fäuste verspeisen.

"Sie hat die Atmosphäre hier aufgesaugt und dann gemerkt, dass es cool ist, hier zu spielen", sagte Trainer Dier. Und Petkovic erzählte noch vergnügt, mit welchen Tricks sie versucht hatte, ihren Jetlag zu überwinden. "Es gab Vitaminpillen und Aspirin, ich bin aber noch sowas von drüber. Morgen lege ich mich für fünf Tage in die Wanne." Dagegen wird niemand etwas einzuwenden haben. Zumal Petkovic im Gegensatz zu Kerber danach noch einmal zurückkehrte für eine Partie, die nicht mehr ganz so cool verlief.

Rittner hatte sich erst nach dem vierten Einzel für ihre zwei Doppelspielerinnen entschieden. Sie sagte: "Mein Bauchgefühl hat Petko und Lisicki gesagt."

© SZ vom 20.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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