Deutscher Olympischer Sportbund:Olympische Geheimhaltung

Lesezeit: 3 min

Alfons Hörmann spricht bei der DOSB-Mitgliederversammlung. (Foto: dpa)

Das Aus für Berlin 2032 und interne Analysen, über die der DOSB nicht sprechen mag: Eine Debatte um die Spiele-Bewerbung produziert neue Merkwürdigkeiten.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Dem Bundesinnenminister Horst Seehofer schien es ein wahres Anliegen zu sein, als echter Freund des Sportes aufzutreten. Also kündigte er den versammelten Mitgliedsorganisationen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) einen neuen "Goldenen Plan" an, um etwas gegen die vielen maroden Sportstätten im Land zu tun - so wie in ähnlichen Programmen nach dem Zweiten Weltkrieg in West- und nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland. Konkrete Zahlen nannte er zwar nicht, aber letzte Berechnungen sahen den Investitionsstau in einem ordentlichen zweistelligen Milliarden-Bereich. Dann sicherte Seehofer zu, dass es für den Spitzensport im Zuge der sogenannten Leistungssportreform noch mehr als die demnächst 270 Millionen Euro pro Jahr gibt. Und schließlich sagte er noch etwas zum Thema Olympiabewerbung: "Wir können das, und wir wollen das."

Deutschland befindet sich mal wieder mitten in einer Olympiadebatte, und sie verläuft bisweilen kurios. Beim DOSB-Konvent am Samstag in Frankfurt stand das Thema formal gar nicht auf der Tagesordnung. Aber tatsächlich wurde die Diskussion dort um manch seltsamen Vorgang erweitert - und zwar insbesondere um den, dass und wie der DOSB-Präsident Alfons Hörmann eine Kandidatur Berlins für die Sommerspiele 2032 quasi ausschloss.

Grundsätzlich betonte Hörmann dieser Tage und auch in seiner Rede am Samstag, dass sich der deutsche Sport Zeit lassen möchte, bis er beschließt, wann und mit welchem Kandidaten er nach sechs gescheiterten Anläufen einen neuen Versuch unternehmen will. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass sich das Vergabeprozedere durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) in den vergangenen Jahren verändert hat. Vieles ist unklarer und intransparenter geworden, das beginnt schon beim genauen Zeitplan.

Eine konkrete deutsche Initiative gibt es bisher nur für die Sommerspiele 2032 von 14 Kommunen an Rhein und Ruhr, die sich unter der Regie des Sportvermarktes Michael Mronz zusammengeschlossen haben - und die Hörmann am Samstag als "beeindruckend" etikettierte. Aber noch in seiner Rede betonte der DOSB-Chef, dass der Sport auch mit Berlin und Hamburg im Dialog sei, den beiden Städten, die für eine Kandidatur 2024 bereit gewesen waren.

In der Pressekonferenz nach dem Konvent präzisierte Hörmann das auf Nachfrage. Doch nun teilte er mit, Hamburg habe "ein deutliches Signal gegeben, dass man sich derzeit eine olympische Bewerbung nicht vorstellen" könne - und aus Berlin liege das Signal vor, dass "eine Bewerbung für 2032 zu früh kommen könnte".

Hörmann fügte zwar noch hinzu, dass sich durch neue politische Konstellationen manches ändern könne. Aber nach dem Abzählreim bleiben fürs Erste nicht mehr viele Optionen: für 2032 die Initiative Rhein-Ruhr, die international gegenüber dem derzeitigen Favoriten Brisbane/Australien und anderen möglichen Kandidaten als chancenarm gilt - oder, wie es immer mal wieder aufflammt, Berlin für 2036. Dazu erklärte aber nicht nur Innenminister Seehofer schon, er halte das exakt 100 Jahre nach den von den Nationalsozialisten missbrauchten Spielen für nicht vorstellbar.

Verwunderlich ist daneben die Haltung zur Frage, wie die Bevölkerung bei der nächsten Kandidatur zu beteiligen wäre. Die beiden vergangenen deutschen Bewerber - München 2022 und Hamburg 2024 - waren an Referenden gescheitert, und eigentlich erscheint es daher nicht logisch, dass es beim nächsten Versuch ohne ein Referendum ginge. Doch in Nordrhein-Westfalen, wo im November der Landtag Mronz' Privatinitiative politisch fundierte, erklärte die Landesregierung bei Nachfragen nie eindeutig, dass es ein Referendum geben wird. Und am Samstag sagte Bundesinnenminister Seehofer auch nicht, dass es zwingend sei; sondern er verwies ausweichend darauf, dass dies jeweils die Bevölkerung oder die Landesregierung zu entscheiden habe. DOSB-Präsident Hörmann wiederum erklärte, er würde "jeder Region empfehlen, den offensiven Weg zu gehen und die Bürger in einem demokratisch legitimierten Verfahren abstimmen zu lassen".

Hörmann seinerseits leistete sich noch einen denkwürdigen Auftritt. Mehrfach sprach er rund um den Konvent von einer "Analyse", die es im Hinblick auf vergangene gescheiterte Olympiabewerbungen gebe. Eine solche steht in der Tat noch aus. Doch auf die Frage, wer da gerade mit wem analysiere, sagte er auf der Pressekonferenz nur: "Wir, der DOSB, mit Partnern, die ich Ihnen heute nicht sage." Nachfrage: Ob das im Sinne der Transparenz sei? Man wolle diejenigen, die mit analysieren, "nicht dadurch beeinflussen, dass Bataillone sich auf den Weg machen". Ob er die Gesprächspartner zumindest etwas präzisieren könne? "Menschen, die dafür geeignet sind."

Diese Sequenz wirkte offenkundig so schräg, dass sich sogar der neben ihm sitzende DOSB-Vize Kaweh Niroomand zu einer Bemerkung veranlasst sah - und darauf hinwies, dass es sich bei einem der Stakeholder um die Vertreter der zuletzt gescheiterten Städte handele.

In jedem Fall ist der Sport beim Olympia-Thema auf die Unterstützung aus dem Innenministerium angewiesen. Aber das Verhältnis zwischen den CSU-Parteikollegen Hörmann und Seehofer scheint sehr gut zu sein. Am Samstag schaffte es der Innenminister sogar, seine eigene Abteilung vorzuführen, die sich bei der Umsetzung der Leistungssportreform im täglichen Kampf mit der Sport-Lobby befindet. "Frau Lohmann schaut mich ganz entgeistert an", sagte Seehofer zur zuständigen Abteilungsleiterin, als es um einen weiteren Anstieg der Fördermittel ging. Aber seine Wünsche seien halt Aufträge.

© SZ vom 09.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: