Deutscher Handballbund:Handball-Bundestrainer Prokop bekommt zweite Chance

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  • Alle hatten erwartet, dass der Deutsche Handballbund am Montag den umstrittenen Bundestrainer Christian Prokop entlassen würde - doch das ist nicht geschehen.
  • Ein entscheidender Punkt wird nun sein, ob Prokop bereit ist, künftig mehr auf die Spieler zu hören, die zum großen Teil international erfahrener sind.

Von Carsten Scheele, Hannover

Sein Pokerface wahrte Andreas Michelmann bis zuletzt, es war bemerkenswert, mit welcher Gelassenheit der Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB) am Montag eine Überraschung verkündete: Der DHB wird mit dem umstrittenen Bundestrainer Christian Prokop weitermachen und freue sich, gemeinsam mit ihm das nächste große Projekt anzugehen: die in Deutschland und Dänemark stattfindende WM 2019. "Wir haben eine Entscheidung getroffen, mit der wir in die Zukunft gehen können", sagte Michelmann und lächelte. Die Überraschung war geglückt, denn das Gegenteil war erwartet worden.

Nach fast vier Wochen Analyse der miserablen EM in Kroatien, die das deutsche Team im Januar als Titelverteidiger auf Rang neun beendet hat, hatte der DHB in einem Hannoveraner Flughafenhotel zur Pressekonferenz geladen. Um Prokops Entlassung zu verkünden, so wurde allseits vermutet; denn noch am Wochenende hatte Uwe Schwenker, der Chef der Deutschen Handball-Liga (HBL), von anhaltenden "atmosphärischen Störungen" zwischen Prokop und einigen Spielern gesprochen.

Prokops Ablösung hätte indes auch Konsequenzen für den DHB-Vizepräsidenten Bob Hanning gehabt. Der hatte seinen Verbleib im Präsidium offensichtlich mit der Weiterbeschäftigung des 39 Jahre alten Coaches verknüpft, ein cleverer Schachzug: Das DHB-Präsidium scheute allem Anschein nach das Szenario, gleich zwei zentrale Stellen neu besetzen zu müssen.

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"Es gibt eine zweite Chance, weil wir seiner Arbeit vertrauen und zuversichtlich sind, dass sie Früchte tragen wird", sagte Hanning nachher dem Sport-Informations-Dienst. An den Zielen - Medaille bei der Heim-WM und Olympiasieg in Tokio 2020 - hält der Verband fest. "Der Vertrauensbeweis heißt jetzt aber auch, dass wir bei der WM im eigenen Land liefern müssen", sagte Hanning, der zur EM-Analyse noch verriet, Prokop sei "Teil des Problems" gewesen, "aber nicht das Problem als ganzes".

Hanning hatte Prokop im März 2017 gegen Widerstände als Nachfolger des zurückgetretenen Dagur Sigurdsson durchgesetzt. Dabei hatte der DHB erstmals eine Ablöse für einen Trainer gezahlt: Eine halbe Million Euro ging zu Prokops vorherigem Arbeitgeber nach Leipzig, weil dieser dort keine Ausstiegsklausel besaß. Als Vertrauensvorschuss hatte Prokop zudem gleich einen Fünfjahresvertrag erhalten.

Von diesem Vertrauen zehrt er nun. Michelmann berichtete, er habe vom Bundestrainer nach dem missratenen Turnier eine "deutliche, sehr ehrliche Selbstreflexion" vernommen. Prokop habe in vielen Gesprächen mit der DHB-Spitze versichert, dass er bereit sei, seine manchmal starrsinnige Position zu überdenken. Der Coach war während des Turniers mehrmals mit der Mannschaft aneinander geraten, weil Spieler mit seinem System Probleme hatten; mit seiner mitunter hektischen Art hatte er die Mannschaft zudem verunsichert. Und schon vor dem Turnier hatte seine Nominierung für Aufsehen gesorgt, als er auf Europameister wie Abwehrchef Finn Lemke (den er im Turnierverlauf wieder zurückholte) oder Fabian Wiede verzichtete.

"Wir gehen klar davon aus, dass weiterhin die besten Spieler für Deutschland spielen werden."

Ein entscheidender Punkt wird sein, ob Prokop bereit ist, künftig mehr auf die Spieler zu hören, die zum großen Teil international erfahrener sind. "Da hat es eine deutliche Entwicklung gegeben", versicherte Michelmann. Es darf vermutet werden, dass Prokop Zugeständnisse gemacht hat, was Teamführung, Kader-Zusammenstellung und Spielsystem betreffen. Das zehnköpfige DHB-Präsidium habe jedenfalls "mehrheitlich" für ihn votiert, aber nicht einstimmig, ließ Michelmann durchblicken.

Es wäre also verwunderlich, würden die kritischen Stimmen nun verstummen. Viele Beobachter hatten eine Trennung favorisiert, um das Gelingen der Heim-WM 2019 nicht zu gefährden. Von Schwenker bis zu Stefan Kretzschmar, dem 218-maligen Nationalspieler und Leipziger Aufsichtsratsmitglied, hatten prominente Köpfe Zweifel angemeldet, ob es weitergehen könne. Als Grund war stets das Verhältnis zwischen Trainer und Team genannt worden. Vor der Präsidiumssitzung hieß es beispielsweise, dass mehrere Nationalspieler mit Rücktritt gedroht hätten, falls Prokop bliebe. "Der Kreis derer, die hinter ihm stehen, ist relativ klein geworden", hatte selbst ein Prokop-Unterstützer wie Kretzschmar noch am Montagvormittag vermutet.

Prokop sei "sehr erfreut" gewesen, als er ihn vom Präsidiumsentscheid unterrichtete, berichtete Axel Kromer, der Sport-Vorstand des DHB. Er könne nicht bestätigen, dass sich Teile der Mannschaft gegen Prokop gestellt hätten. Es habe viele Gespräche gegeben, nicht nur mit Trainer und Mannschaft getrennt voneinander, sondern auch gemeinsam. "Dieser Weg war steinig. Es hat deshalb auch etwas länger gedauert", sagte Kromer und versicherte: "Es gab keine Differenzen, bei denen wir uns Sorge machen mussten, dass sie nicht behoben werden könnten." Abschließend sagte er noch: "Wir gehen klar davon aus, dass weiterhin die besten Spieler für Deutschland spielen werden." Man wird bald sehen, ob er Recht mit dieser Vermutung hat: Die nächsten Länderspiele sind für den 4. und 7. April in Leizpig und Dortmund gegen Serbien terminiert.

© SZ vom 20.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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