Deutsche Mannschaft im Davis Cup:Mit breiter Brust im Bierzelt

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"Ich bin bereit, wenn es die Sensation gibt, dass wir im Halbfinale spielen": Tobias Kamke (Foto: dpa)

Es geht auch ohne Haas, Kohlschreiber und Mayer: Tobias Kamke und Peter Gojowczyk bringen das deutsche Davis-Cup-Team im Viertelfinale gegen Gastgeber Frankreich überraschend 2:0 in Führung. Sogar die gegnerischen Fans fragen sich: Wo hat Deutschland diese Könner jahrelang versteckt?

Von Gerald Kleffmann, Nancy

Es war brummend laut im Palais des Sports Jean Weille, die schwüle Luft glich der in einem Bierzelt am Abend, und ja, ähnlich beschwingt war die Stimmung auch hier, im herzlichen Nancy, was allerdings nichts mit dem süffigen einheimischen Bier zu tun hatte, natürlich nicht.

Es war einfach nur Davis Cup, und zwar genau so, wie er sein sollte, wie er von dem früheren Spieler Dwight Filley Davis quasi in der Steinzeit des Tennis erfunden wurde. Voller Emotionen, auf allen Seiten.

Die französischen Fans tuteten wie verrückt, die wenigen deutschen Anhänger unter den 5000 Besuchern hielten unüberhörbar dagegen, stundenlang ging das so, seit dem späten Mittag, bis das gesamte Spektakel am Abend seinen Höhepunkt erreichte.

Davis Cup in Nancy
:Gojowczyk gewinnt Fünf-Satz-Drama

Er wehrt Matchbälle ab, bekommt Krämpfe und gewinnt doch noch: Der Weltranglisten-119. Peter Gojowczyk bezwingt im Davis Cup den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga - und sorgt für eine völlig unerwartete 2:0-Führung für das deutsche Team.

Da schritt Peter Gojowczyk, 24 Jahre alt, die Nummer 119 der Welt, letztmals zum Return. Jo-Wilfried Tsonga, jahrelang Top-Ten-Spieler, jetzt auf Rang zwölf geführt, millionenschwer, der wegen seiner Ähnlichkeit zur Boxlegende Ali eben so genannt wird, der Athlet aus Le Mans mit den kongolesischen Wurzeln, er machte nach einem kurzen Ballwechsel einen letzten Fehler, und dann war die Überraschung tatsächlich in Stein gemeißelt. 5:7, 7:6 (3), 3:6, 7:6 (8), 8:6 siegte Gojowczyk, der Mann mit dem Dutt, der schon glaubte, verloren zu haben, als Tsonga bei einem Matchball zu einem kinderleichten Volley ansetzte (und diesen ins Aus spielte). Regungslos schritt der Bayer zum Netz, ein beeindruckender Auftritt war auch das. Und mehr noch.

Um 21.10 Uhr am Freitagabend sah die deutsche Tenniswelt grundsätzlich prächtig aus, denn zuvor hatte schon der Lübecker Tobias Kamke, 27, den gut 40 Plätze in der Weltrangliste vor ihm stehenden Julian Benneteau im Auftakteinzel 7:6 (10:8), 6:3, 6:2 besiegt. Deutschland führt 2:0 im Viertelfinale des Davis Cups. Noch ein Sieg fehlt zum Weiterkommen; ein Doppel und zwei Einzel stehen am Wochenende an.

Und man bedenke: Tommy Haas? War nicht da? Florian Mayer? Nein. Philipp Kohlschreiber? Mitnichten. Es war aber egal, dass die drei deutschen Topspieler fehlten. Deutschland hat sich blendend präsentiert. Dabei hatte L'Equipe, die große französische Sportzeitung, zur fast schon traditionell dauerhaft problembeladenen deutsche Tennisgruppe die knuffige Überschrift formuliert: "C'est la Katastrophe!" Non, non - das war keine Katastrophe. Frag nach bei les Monsieurs Benneteau und Tsonga!

Das spektakulärere Match war zweifelsohne das zwischen Tsonga und Gojowczyk, die sich 4:19 Stunden lang die Bälle um die Ohren schlugen. Gojowczyk ist ja selbst so ein Typ Tsonga, breite Brust, beidhändige Rückhand, krachender Aufschlag, nur alles in der deutschen Variante. Manchmal, wenn er Tsonga gekonnt ausmanövriert hatte, raunten sogar die französischen Fans anerkennend. Womöglich fragten sie sich auch: Wo hat denn Deutschland diesen Könner ausgegraben und vor allem: jahrelang versteckt?

Nervenstark war nämlich Gojowczyk, er wehrte zwei Matchbälle ab, seinen dritten verwandelte er dann. Er überwand muskuläre Probleme im fünften Satz, ließ sich nicht von Pfiffen irritieren, als er auf die Toilette entschwand, um Zeit zu gewinnen. Gojowczyk, man stelle sich das vor, der lange ein Talent gewesen war und dann nur ein Mitläufer bei den Profis, er war schon mal sehr nah dran, seine Karriere aufzugeben, als ein Geldgeber verstarb. Was hätte er nur verpasst in Nancy!

Davis Cup in Nancy
:Mutiger Kamke schlägt verunsicherten Benneteau

Ist das deutsche Davis-Cup-Team ohne Haas, Mayer und Kohlschreiber gegen Frankreich chancenlos? Von wegen! Der Weltranglisten-96. Tobias Kamke gewinnt überraschend deutlich gegen Julien Benneteau - und bringt die DTB-Männer in Führung.

Im Match zuvor hatte Kamke schon geglänzt, allerdings war es gar nicht so sehr der Sieg an sich - es war vielmehr die Art, wie der Norddeutsche vor der leidenschaftlichen Kulisse mit der Drucksituation umging, als Erster spielen zu müssen. "Das war sicher einer der wichtigsten Siege in meiner Karriere", sagte Kamke später nachvollziehbar.

Am meisten fiel er 2011 auf, als er bei einem Rasenturnier in Newport/USA im Halbfinale stand. 64. war er damals dann in der Weltrangliste, nun rangiert er 32 Plätze schlechter. Aber was spielte das für eine Rolle hier? Wie ein Wimbledon-Champion sank er im Moment des Triumphs auf die Knie und gab rasch die Lorbeeren weiter. "Besonders die Teamsitzung am Dienstag hat mich inspiriert, ich hoffe, ich erinnere mich noch in zehn Jahren daran. Da hat viel nachgeschwungen", schwärmte Kamke, der deshalb auch betonte: "Wir versuchen, das Vertrauen, das Carsten in uns gesetzt hat, zurückzuzahlen." Wie das dann aussieht, dieses Zurückzahlen, hat der faire Verlierer Benneteau schmerzhaft spüren müssen.

Was jetzt noch möglich ist? Eine wundersame Geschichte allemal. "Ich bin bereit, wenn es die Sensation gibt, dass wir im Halbfinale spielen", genau das hatte Kamke nach seinem Sieg gesagt. Nur einer hegte mit Bedacht noch zarte Bedenken. "Es fühlt sich immer noch so an, als sei das hier kaum zu gewinnen" - aber Teamchef Carsten Arriens lächelte, als das sagte.

© SZ vom 05.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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