Deutsche Eishockey Liga:Ein Pass für den Passgeber

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"Hut ab": Samir Kharboutli (links) jubelte in der Olympia-Eishalle oft, hier mit Andrew Leblanc (M.), Wade Bergman (2.v.r.) und Scott Valentine. (Foto: Frank Hoermann/Sven Simon/imago)

Augsburgs Talent Samir Kharboutli nutzt den Ausfall von Spencer Abbott , um auf sich aufmerksam zu machen: Der 21-Jährige verbucht beim 6:5 im Derby in München binnen viereinhalb Minuten vier Torvorlagen. Er hat einen ungewöhnlichen Weg hinter sich.

Von Christian Bernhard

Der stärker werdende Schneefall zwang Samir Kharboutli, sich die Mütze tief ins Gesicht zu ziehen. Bis auf die Augenpartie war sein Antlitz damit komplett vermummt, da der Rest vorschriftsgemäß von einer FFP2-Maske verdeckt wurde. Seine leuchtenden Augen verrieten dennoch, dass der 21-jährige Angreifer der Augsburger Panther einen ganz besonderen Abend hinter sich hatte. "Das war ein super Spiel für uns und für mich. Wir haben einfach zusammen gut gespielt", sagte er mit einem leichten tschechischen Akzent. Im Hintergrund hievte ein Augsburger Spieler nach dem anderen seine Schlägertasche in den vor der Münchner Olympia-Eishalle geparkten Mannschaftsbus.

Bevor Kharboutli am Dienstag die Reise nach München antrat, war er einer von zahlreichen jungen Spielern, die gerade ihre ersten Schritte in Deutschlands höchster Eishockeyliga machen. Sechs Spiele hatte er in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) bestritten, ohne einen Scorerpunkt zu erreichen. Verlassen hat er die bayerische Landeshauptstadt als Augsburger Derbyheld. Beim EHC Red Bull München verbuchte er innerhalb von nur viereinhalb Minuten gleich vier Torvorlagen und hatte damit großen Anteil daran, dass die Panther ein turbulentes Derby mit 6:5 gewannen. "Hut ab vor unserem jungen Samir", sagte Augsburgs Trainer Tray Tuomie auf der Pressekonferenz.

Das Mitteldrittel war eines zum Einrahmen für die Panther. Innerhalb von nur 98 Sekunden bereitete Kharboutli die Tore von Dennis Miller (29.), Andrew LeBlanc (30.) und Daniel Kristo (31.) vor, knapp drei Minuten später legte er die Scheibe bei einem Konter perfekt quer, sodass LeBlanc kein Problem hatte, auch das 5:2 zu erzielen (34.). "Wir haben komplett den Faden verloren", konstatierte Münchens Verteidiger Konrad Abeltshauser, dessen Coach Don Jackson sich sein 900. DEL-Spiel als Trainer nach der 2:1-Führung definitiv anders vorgestellt hatte.

Über Chemnitz und Weißwasser kam Kharboutli aus Tschechien nach Bayern

Kharboutli, der einen ungewöhnlichen Weg hinter sich hat, hätte sich keinen schöneren Abend wünschen können. Er stammt aus dem tschechischen Chomutov, unweit der deutschen Grenze. Mit 15 wechselte er nach Chemnitz und spielte auch in Weißwasser. Sein tschechischer Landsmann Petr Bares, Jugendkoordinator des ERC Ingolstadt, lotste ihn 2016 nach Oberbayern. Kharboutli spielte dort in Deutschlands Elite-Nachwuchsliga DNL groß auf, trainierte mit den ERC-Profis und kam auch in Testspielen für den ERC zum Einsatz. "Das waren unglaubliche drei Jahre", erzählt er, der Weg in die DEL schien geebnet.

Da er aber trotz bestandenem Einbürgerungstest keinen deutschen Pass erhielt, verzichteten die Ingolstädter darauf, ihn in Pflichtspielen einzusetzen. "Ich hatte ein Problem: der fehlende deutsche Pass", sagt er rückblickend. So zog Kharboutli weiter nach Memmingen, wo er in der Oberliga gut scorte, sich aber schwer am Schienbein verletzte und deshalb beinahe die komplette Saison verpasste. Fünf Schrauben im Bein erinnern ihn noch heute daran, die Verletzung hat er aber hinter sich gelassen. Als er endlich den deutschen Pass bekam, war der Weg frei für sein Engagement bei den Panthern. "Jetzt bin ich da", sagt er.

"Wir sind in der Aufwärtsbewegung", sagt Trainer Tuomie. Mehr will er noch nicht reininterpretieren

Der Saisonstart verlief für ihn persönlich ordentlich, er durfte in einer der zwei Augsburger Top-Formationen ran und kam auch in Überzahl zum Einsatz. Die Panther verloren allerdings ihre ersten vier Partien und reagierten darauf mit den Verpflichtungen der beiden Stürmer Spencer Abbott und Kristo. Für Kharboutli bedeutete das, dass er in den zwei Spielen vor der München-Partie zwar Teil des Teams war, aber als 13. Stürmer kaum Einsatzzeit erhielt. In München bekam er wieder eine Chance, da Abbott kurzfristig ausfiel - und nutzte diese. "Er macht wirklich gute Fortschritte", sagt Trainer Tuomie über den 21-Jährigen. "Samir ist ein schneller Schlittschuhläufer, hat gute Hände und kann das Spiel gut lesen." Wie es sich für einen erfahrenen Trainer gehört, drückt Tuomie aber auch gleich auf die Euphoriebremse. Kharboutli müsse noch an seiner Defensivarbeit feilen und "wie jeder junge Spieler lernen, dass einmal Leistung bringen nicht bedeutet, dass man in der Liga angekommen ist".

Angekommen zu sein scheinen aber die Panther - als Team in der Saison. Gegen Straubing, Mannheim und München - die drei besten Hauptrundenteams der vergangenen Saison - holten die Schwaben in den vergangenen drei Partien sieben Punkte. "Wir sind in der Aufwärtsbewegung", sagt Tuomie. Mehr will er noch nicht reininterpretieren, dazu sei es schlicht zu früh, und die Saison noch zu lang. Kharboutli sagt: "Wir sind jetzt ein viel stärkeres Team als zu Saisonbeginn." Die nächste Gelegenheit, das zu beweisen, gibt es am Freitag zuhause, im nächsten Derby gegen den ERC Ingolstadt (20.30 Uhr). Gegen jenen Verein, in dem Kharboutli die größten Schritte auf seinem speziellen Weg in die DEL gemacht hat.

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