Der Flügelflitzer: Michael Stich:Schattenmann im Licht

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Wann wird ein Sportler zur Legende? Michael Stich scheitert in dieser Kategorie an Bumm-Bumm-Boris, jetzt gibt er in Hamburg ein Comeback auf der Tennis-Tour.

Dominik Prantl

Eines der größten Mysterien des Sports ist - neben dem Abstiegsgespenst und dem Favoritenschreck vielleicht - die Legendenbildung. Eine Sportlerlegende zu werden ist beinahe so schwierig wie an Jan Ullrichs Unschuld zu glauben oder Franz Beckenbauer zu widersprechen, vor allem, weil kein Mensch wirklich weiß, wie man eigentlich vom Otto-Normal-Sportler zur Legende aufsteigt. In Deutschland gibt es nur wenige Legenden unter den Sportlern.

Hier die Legende, dort der Tennisspieler: Boris Becker (r.) und Michael Stich bei einem Schauturnier im Jahr 2003. (Foto: Foto: dpa)

Sie erhalten dann Spitznamen, ihre Eigenarten werden zum Stil hochstilisiert, und außerdem wird ihnen selbst der größte Blödsinn verziehen. Weil der Wert von Legenden den Grad des Siechtums ihrer Sportart widerspiegelt, ist die größte aller deutschen Legenden der ehemalige Tennisspieler Boris Becker.

Der Tennisspieler Michael Stich schaffte es nie zur Legende. Becker hieß irgendwann Bumm-Bumm-Boris. Stich blieb Stich. Boris schuf den Becker-Hecht, den Ausdruck seiner Leidenschaft. Stich war einfach nur ein hervorragender Tennisspieler. Becker gewann Wimbledon als erster Deutscher, Stich gewann dort irgendwann.

Und während Becker als Namensgeber für die berühmte Meeresschnecke Bufonaria borisbeckeri reüssierte, sich zwischen Benedicte Courtin, Barbara Feltus und Sharlely Kerssenberg in Besenkammern und auf Poker-Abenden herumtrieb, rutschte Stich mit seiner Stockmann-Jessica in die Randspalten der Medien. Stich kam immer zu spät, um Beckers langem Schatten noch zu entwischen.

Und so wäre es beinahe entgangen, dass der Turnierdirektor Stich bei seinem kurz vor dem Siechtum stehenden Turnier am Hamburger Rothenbaum keineswegs nur am sogenannten Legendencup teilnimmt, für das er außer sich selbst auch die österreichische Super-Legende Thomas Muster und das französische Legendchen Henri Leconte gewinnen konnte.

Stich tritt zwölf Jahre nach seinem Karriereende am heutigen Dienstag zudem im Doppel an, zusammen mit Mischa Zverev. Allerdings schweifen spätestens hier die Gedanken schon wieder zu Becker, an dessen Seite Michael Stich vor vielen Jahren in Barcelona trotz mancher Stichelei ("Wir sind nicht die besten Freunde") olympisches Gold gewann.

Wäre das nicht eine wirklich wunderschöne, ja legendäre Geschichte gewesen: Der kühle Michael Stich springt einfach hechtartig über seinen und Beckers Schatten hinweg, reicht seinem ewigen Rivalen die Hand zur erneuten Zwangsehe, um mit einem fulminanten Doppelauftritt die zum Überleben der German Open nötigen 50.000 Zuschauer zu locken.

Zwar sträubten sich Stich und Becker schon vor einem Jahr, als die Organisatoren der French Open sie angeblich sogar mit Geld zu einem gemeinsamen "Senioren-Doppel" bewegen wollten. Aber sicher ist auch das nur eine von vielen Legenden.

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