Der Flügelflitzer:1899 % ausverkauft

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Hoffenheim macht keine Fehler? Von wegen! Ausgerechnet zu Weihnachten sind dem Tabellenführer der Fußball-Bundesliga die Trikots ausgegangen. Die erste Krise ist programmiert.

Michael König

Ralf Rangnick will immer alles selber machen, heißt es. Deshalb sei er bei einem großen Klub wie Schalke 04 nicht zurechtgekommen und ins beschauliche Hoffenheim gewechselt. Hier belächelt ihn niemand, wenn er im Training Hütchen aufstellt oder höchst persönlich das Hotel für die Auswärtsfahrt bucht. Spötter behaupten, er dürfe sogar den Mannschaftsbus betanken.

Hoffenheims Demba Ba bekommt seine Trikots frei Haus - wer als Fan ein Leibchen kaufen möchte, guckt derzeit in die Röhre. (Foto: Foto: dpa)

Bislang schien es, als hätte Rangnick alles richtig gemacht: 1899 Hoffenheim ist Herbstmeister, der Tempofußball des Aufsteigers gilt als mustergültig und der Mannschaftsbus hatte auf jeder Fahrt ausreichend Diesel an Bord. Doch nun, da die Winterpause naht und sich der Nebel aus Erfolgsmeldungen langsam aus dem Kraichgau verzieht, wird der erste, dicke Patzer der Hoffenheimer sichtbar.

Wie der Ausrüster des Tabellenführers bestätigt, sind Hoffenheim-Trikots in ganz Deutschland ausverkauft. In Warenhäusern winken genervte Verkäufer ab, werden sie nach den Leibchen gefragt. Im Internetshop von Karstadt hat man gleich den kompletten Verein gestrichen, statt 18 werden dort nur 17 Bundesligisten aufgeführt - Hoffenheim fehlt.

Jeder Anruf endet im Nirwana

Auf der Vereins-Homepage, bei einschlägigen Fanartikelhändlern - überall Fehlanzeige. Bei Ebay werden teilweise mehr als 100 Euro für ein blaues Heim-Trikot geboten und sogar das quietsch-orangene Ausweich-Jersey bringt Preise um die 70 Euro.

Die Merchandising-Abteilung des Vereins äußert sich dazu nicht, genauer gesagt äußert sie sich gar nicht - die Leitungen scheinen überlastet zu sein. Jeder Anruf endet im Nirwana der Besetztzeichen. Pressesprecher Markus Sieger entschuldigt sich dafür, keine Informationen zu den Trikots zu haben. Er habe seinen Schreibtisch in der Pressestelle und es sei "leider nicht so, dass ich zur Merchandising-Abteilung nur eine Tür weiter gehen muss."

Noch so ein Patzer, der Rangnick ärgern dürfte - dem Trainer kann es bekanntlich nicht schnell genug gehen, weshalb er seine Spieler auf einem verengten Feld üben lässt, dessen Maße einem Büroflur recht nahe kommen.

"Sehr schöne Marktpräsenz"

In Herzogenaurach klappt es besser, dort ist Puma-Sprecher Ulf Santjer binnen Sekunden am Telefon und spricht über die "sehr schöne Marktpräsenz", die das Unternehmen dank Hoffenheim habe. Verkaufszahlen möchte er "aus Wettbewerbsgründen" nicht nennen, die Steigerungsraten seien aber mit denen des VfB Stuttgart zu vergleichen.

"Mit Hochdruck" arbeite der Ausrüster daran, zur Rückrunde die Nachfrage zu befriedigen. Der derzeitige Engpass komme zustande, weil "der Sportfachhandel vor Saisonbeginn relativ moderat geordert hat", sagt Santjer. Das sei "ein bundesweiter Aspekt".

Für Eltern, deren quengelnde Kinder nach einem Trikot verlangen, klingt das wie Hohn. "Das ist kein Aspekt, das ist ein Problem!", sagt etwa Heiko Maiser aus Bielefeld. Halb Ostwestfalen habe er abgesucht, um den Weihnachtswunsch seines zehnjährigen Sohnes zu erfüllen: Ein Trikot von Chinedu Obasi in Kindergröße 152 sollte es sein. Arminia-Bielefeld-Trikots hätte es an jeder Ecke gegeben, nach dem Leibchen des Hoffenheimer Wunderstürmers aber suchte Maiser vergeblich. "Ich komme mir vor wie im Osten", klagt er.

Knapp 50 Euro kostet das Trikot bei Händlern, die den Artikel noch im Angebot haben. Multipliziert mit der Anzahl der Wunschzettel, auf denen das Leibchen aufgetaucht sein könnte, kommt eine hübsche Geldsumme zustande, die dem Verein im Weihnachtsgeschäft durch die Lappen geht.

"So wird das kein schönes Fest"

Rangnick wird es in der Seele weh tun. Zwar ist das Geld dank der Unterstützung von Dietmar Hopp in Hoffenheim derzeit nicht knapp, der Milliardär hat aber angedeutet, dass er seine Investition eher als zinsloses Darlehen betrachtet.

Schlimmer ist womöglich die Perspektive, durch den Engpass Tausende, ach was: Millionen potentieller Fans abzuschrecken. Vielleicht greift manch ein Wankelmütiger in der Not zum Wolfsburg- oder Hertha-Trikot, weil die schließlich auch nicht schlecht spielen.

Heiko Maiser hatte das Suchen satt und wird seinem Filius ersatzweise ein Bayern-Trikot mit Miroslav-Klose-Aufdruck unter den Christbaum legen. Glücklich ist er damit nicht. "Der Kleine wird vielleicht weinen. Da ist dann Überredungskunst gefragt", seufzt Maiser. "So wird das kein schönes Fest." Ach, hätte sich Rangnick doch selbst darum gekümmert!

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