Davis Cup:Abu Dhabi will den Davis Cup

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Zu Besuch in Tirol: Der Weltranglistenerste Novak Djokovic tritt mit Serbien in Innsbruck an. (Foto: Paul Zimmer/Imago)

18 Teams, sechs Gruppen, drei Spielorte: Der einst wichtigste Nationenwettbewerb der Männer im Tennis ist noch unübersichtlicher geworden - und könnte bald aus Europa verschwinden.

Von Gerald Kleffmann, Innsbruck/München

Es existieren in den Archiven herrliche Bilder von damals, als es die Tennis Trophy in St. Anton noch gab. Etwa wie Petr Korda, der Australian-Open-Sieger, mit einem Tablett voller Schnapsgläser und einer Küchenschürze um die Hüfte alle in der Sennhütte bedient. Wie Nicolas Kiefer an der Gitarre zupft und Tommy Haas so tut, als könne er die Ziehharmonika spielen. Mittendrin stets Karl Senn, der legendäre Gastgeber der Players Nights, lachend, jeden umarmend, heile Welt, ohne Instagram und Live-Ticker. Man ließ es sich, ganz diskret, gut gehen, unter Freunden.

Mit Freude erinnerte sich Novak Djokovic just jetzt an diese Zeit. "Ich war ein paar Jahre hintereinander in St. Anton, wirklich. Ich habe es sehr genossen", berichtete er am Mittwoch in Innsbruck, "ein fantastisches Event. Ich bin traurig, dass es nicht mehr stattfindet." Dann kam er zur nicht ganz so genussvollen Gegenwart: "Dieses Jahr habe ich nichts gesehen außer dem Hotel und den Tennisanlagen." Für den 34-Jährigen steht der Davis Cup an. Serbien wurde in eine Gruppe mit Deutschland und Österreich gelost. Dass die Teams aus Frankreich, Tschechien und Großbritannien auch in Innsbruck gegeneinander antreten, zeigt: Der einst bedeutende Nationenwettbewerb ist kompliziert geworden.

Der Karl Senn von heute, wenn man so will, heißt Gerard Piqué, ist hochdekorierter Fußballprofi des FC Barcelona, Multimillionär, Gatte der Sängerin Shakira - und ein global agierender, ehrgeiziger Unternehmer. Das erfuhr die Tennisbranche am eigenen System. Es waren nicht gerade schmackhafte Obstler, die der inzwischen 34-jährige Spanier 2018 servierte, sondern rund 2,7 (!) Milliarden Euro, um den Davis Cup zu übernehmen. Diese Summe rief er auf, die auf 25 Jahre verteilt - welch eine irre Zeitspanne im Profisport - ausgeschüttet werden soll, an Nationen und Verbände. Der Internationale Tennis-Verband (ITF) ging diesen Deal bereitwillig ein. Man wollte dem stagnierenden Turnier neues Leben einhauchen.

Drei Jahre später ist mehr denn je klar: Der Davis Cup ist zu einem Geschacher-Objekt verkommen. Mit potenten Einflussnehmern und Entscheidern. Involviert in der Investorentruppe namens Kosmos Group sind ja etwa Investmentgesellschaften aus China, Larry Ellison, der Oracle-Chef und Milliardär, das japanische Online-Unternehmen Rakuten und weitere bestens vernetzte Wirtschaftsgrößen. Piqué ist vor allem das Gesicht des Projekts - und Kosmos längst auch im Fußball dabei, ein Global Player zu werden, wie es in der Fachsprache heißt. Lionel Messi hat sich übrigens auch an Kosmos beteiligt.

Mächtiger Strippenzieher: Gerard Piqué, im Hauptberuf Fußballprofi des FC Barcelona, ist mit einer Investorengruppe im Besitz des Tennis-Davis-Cups. (Foto: Gabriel Bouys/AFP)

Natürlich gab es vernichtende und nachvollziehbare Kritik, auch von vielen Tennisprofis, dass der Sport seine Seele komplett verkauft habe. Und jene Romantiker, die noch vom Charme der Heim- und Auswärtsschlachten früherer Tage schwärmen und Boris Becker die Fahne in Hartford schwenkend vor Augen haben, müssen nun schon wieder stark sein. Britische Medien wie der Telegraph und die BBC vermelden gerade: Das Davis-Cup-Finalturnier ist unmittelbar davor, nach Abu Dhabi zu ziehen, für fünf Jahre, das ganze Spektakel soll nochmals von zehn auf dann zwölf Tage aufgeblasen werden. Schon Ende 2022 könnte die Veranstaltung ihre Premiere erleben, sie würde sich wohl nur mit der Fußball-WM in Katar überschneiden. Aber man ahnt: Kosmos dürfte seine Pläne trotzdem durchziehen. Selbst wenn vom Davis Cup schon längst das Meiste ideell entkernt ist. Oder gerade deswegen.

Bei aller Professionalität, mit der Kosmos die feindliche Übernahme dieses Tennis-Traditionswettbewerbes gelungen ist, ist es erstaunlich, wie sich die neuen Verantwortlichen organisatorisch anstellen. Durchdacht und durchgerechnet sieht nicht alles aus. Nach PR-Getöse hatte der Piqué Cup, wie ihn Spötter nennen, 2019 ein peinliches Debüt erlebt. Beim Sieg Spaniens in Madrid, wo die Finalrunde mit 18 Teams stattfand, war die Stimmung zwar passabel. Doch ansonsten kamen kaum Fans. Shakira sang vor teils leeren Tribünen, auch wenn die TV-Kameras ein anderes Bild einfingen. 2020 fiel das Event aufgrund der Pandemie aus, und nun, bei Veranstaltung Nummer zwei, ist schon alles wieder anders. An drei Standorten - in Innsbruck, Madrid und Turin - spielen 18 Nationen in insgesamt sechs Gruppen die acht Viertelfinalteilnehmer aus. Unübersichtlich? Es wird noch besser.

Alexander Zverev boykottiert das Turnier

Die sechs Gruppensieger kommen weiter. Dazu die zwei besten Zweitplatzierten. Fürs Viertelfinale geht es aber nicht nach Madrid, die Duelle werden auch noch an den jetzigen Spielorten ausgetragen. Erst ab dem Halbfinale ist Spaniens Hauptstadt Gastgeber. Gespielt werden jeweils zwei Einzel und ein Doppel pro Duell. Kosmos präsentiert das alles tatsächlich unter dem Begriff "Finals", dabei findet - auch für die Deutschen - erst mal die Gruppenphase statt, ehe es in die K.-o.-Phase gehen würde. DTB-Bundestrainer Michael Kohlmann, dessen Vertrag als Davis-Cup-Teamchef gerade um ein Jahr verlängert wurde, hat Jan-Lennard Struff, Dominik Koepfer, Peter Gojowczyk, Kevin Krawietz und Tim Pütz nominiert. Der Weltranglisten-Dritte Alexander Zverev, der jüngst die ATP Finals gewann, boykottiert das Turnier bekanntlich, weil er das alte Format bevorzugt. Rund 18 Millionen Euro werden nun an die Teams verteilt, rund 2,1 Millionen Euro erhält die Siegermannschaft.

Bei seiner Pressekonferenz hatte Djokovic noch gemeint, er finde das Format diesmal besser als vor zwei Jahren. Ihm gefalle, dass mehr Länder involviert seien. Er wünsche sich gar noch mehr Gastgeber-Standorte. Mehr Länder sollten an einer Ausrichtung partizipieren. Kaum gesagt, tauchte die Nachricht mit Abu Dhabi auf. Das war's dann wohl mit Djokovics Davis-Cup-Wunsch. Denn Piqué und seine Cliqué bleiben offenkundig nur einem Prinzip treu: immer dem Geld nach. Der Rest wird schon folgen.

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