Darts-WM:Hastings' bester Pfeilewerfer seit 1066

Lesezeit: 3 min

Konzentration: Rob Cross im Finale der Darts-WM. (Foto: AFP)
  • Rob Cross gewinnt überraschend die Darts-WM im Finale gegen Rekordweltmeister Phil Taylor.
  • Der Engländer aus Hastings betreibt den Sport überhaupt erst seit einem Jahr professionell.
  • Erst sein Onkel überredete ihn im März 2016, es mal mit einem größeren Turnier zu versuchen.

Von Sven Haist, London

Mit einer Kopfbewegung nach hinten ließ Rob Cross auch den finalen Kniff im letzten Spiel der Karriere von Phil Taylor verpuffen. Der Altmeister versuchte, das Gesicht seines Herausforderers zu tätscheln, um ihn auf ein Werk aufmerksam machen, das Cross sowieso schon gesehen hatte. Zu Beginn des vierten Satzes gelangen Taylor acht perfekte Darts nacheinander - ein Novum bei dieser Weltmeisterschaft. In der Hoffnung, seinen drei Jahrzehnte jüngeren englischen Landsmann aus dem Wurfrhythmus zu bringen, war dem gewieften Taylor keine List zu schade. Schon das Einlaufen zögerte er hinaus, um den Konkurrenten bei dessen Debüt im Endspiel des wichtigsten Turniers des Jahres zum Nachdenken zu bringen. "Ich habe von diesen Spielchen gehört, aber kannte sie nicht, weil ich noch nie gegen ihn gespielt hatte. Das Entscheidende war, dass ich mich bloß auf mich konzentrierte. Das dürfte der Grund gewesen sein, warum ich ihn angesehen, aber nicht wirklich wahrgenommen habe", sagte Cross.

Durch das 7:2, dem deutlichsten Erfolg bei einer WM seit Taylors Sieg gegen seinen einstigen Dauerrivalen Raymond van Barneveld vor neun Jahren (7:1), hat Cross den Generationswechsel im Darts eingeleitet. Seinen Rücktritt hatte der 57 Jahre alte Taylor ja schon vorab angekündigt. Mit 16 WM-Titeln geht er zu einem Zeitpunkt in den Ruhestand, wo er mit der Weltspitze noch mithalten konnte, aber sein Einfluss auf die Szene spürbar nachließ. Zu "Viva la Vida" der Rockgruppe Coldplay verabschiedete sich Taylor von der Bühne, die knapp drei Jahrzehnte lang seine gewesen ist. Zu seinem Ende hatte er sich diesen Song gewünscht, weil der von einem gestürzten König handelt und die signifikante Stelle enthielt: "I used to rule the world" - ich herrschte einst über die Welt. Und so fielen dann auch seine Grußworte aus. "Ich war gewohnt, die Welt zu regieren - und jetzt regiere ich sie nicht mehr. Ich bin froh, dass es vorbei ist", sagte Taylor.

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In mehr als anderthalb Stunden Spielzeit hielt Cross, der bei Taylors erstem Coup 1990 noch nicht auf der Welt war, die Konzentration konstant hoch. Neben der beeindruckenden Durchschnittspunktzahl von 107,67 im Finale traf Cross 60 Prozent seiner Würfe auf die Doppel-Felder, mit denen ein Abschnitt jeweils beendet wird. Dabei setzte er auf Anhieb die schwierigen Werte 167, 153 und 140 auf Null. Seine rechte Wurfhand wackelte lediglich einmal - als er versehentlich auf dem Ablagetisch etwas Wasser verschüttete. Im Verlauf des Wettbewerbs hatten seine Kontrahenten Michael Smith und der Weltranglistenerste Michael van Gerwen zusammen acht Match-Darts gegen ihn; auch im Viertelfinale gegen Dimitri Van den Bergh stand Cross bereits kurz vor dem Aus.

Auch vom Hype um das Finale ließ sich Cross nicht beeindrucken. Er gewann als erst vierter Debütant nach Keith Deller, Taylor und Dennis Priestley die Weltmeisterschaft. Erst danach fasste sich der gelernte Elektriker, den beim Darts deswegen alle "The Voltage" nennen (die elektrische Spannung), immer wieder ungläubig an den Kopf und war den Tränen nahe. "Dieses Spiel wird mein Leben verändern, das ist ein Märchen. Es war mein Traum, gegen Phil zu spielen. Deshalb habe ich ihn mit mir zusammen die Trophäe hochheben lassen", sagte der Mann aus Hastings an der Südküste Englands. Das Boulevardblatt Mirror adelte ihn sogleich zum besten Pfeilewerfer Hastings, seit dort der angelsächsische König Harald II. im Jahr 1066 ein Geschoss ins Auge bekam vom normannischen Heer unter Herzog Wilhelm dem Eroberer.

Zur öffentlichen Bekanntheit, die ihm nun zuteil wird, erhielt Cross ein Preisgeld von rund 450 000 Euro. Der Betrag ist für den Vater von drei Kindern nicht zu unterschätzen. Cross ist ja erst seit einem Jahr Profi. Nach seinem Sieg wurde in den sozialen Netzwerken ein Bild veröffentlicht, das ihn vor nicht allzu langer Zeit noch mit einem Kuvert über 14 Pfund zeigt, die er sich bei einem Pub-Turnier mit einem Teamkollegen teilen musste.

Der Tausch seiner ursprünglichen Tätigkeit gegen das Leben eines Berufssportlers führt Cross auf seinen Onkel zurück. Vor den UK Open im März 2016 überredete der ihn, an einem der sogenannten Pub Qualifiers für das Turnier teilzunehmen. Als Amateur kam Cross dann direkt ins Hauptfeld, wo er dem Doppelweltmeister van Gerwen erst in der vierten Runde unterlag. Das bestärkte ihn, eine Laufbahn als Darts-Profi zu riskieren. Mit der Sportart begonnen hatte die neue Nummer sechs der Welt schon mit elf Jahren. "Rob ist wie ich vor 25 Jahren: ein sportliches Tier mit Charakterstärke in den Zähnen. Die anderen Spieler werden mit ihm in der nächsten Saison ein Problem haben", sagt Taylor.

Die Tragweite seines Rücktritts für die Attraktivität der Sportart hängt davon ab, ob zwischen den fast gleich alten Cross und van Gerwen eine Rivalität entstehen kann - so wie sie Taylor zu seiner Hochzeit mit van Barneveld pflegte. "Darts befindet sich in der stärksten Position, die wir je gesehen haben. Das Niveau in der Zukunft wird aufregend sein. Es gibt so viele Profis, die dem Code des Königs Phil folgen", sagt Barry Hearn. Der Vorsitzende der Professional Darts Corporation ließ es sich nicht nehmen, die Leitfigur des Darts nach dem Finale selbst zu verabschieden. Symbolisch hatte Phil Taylor zuvor einem Zuschauer seine Pfeile angeboten.

© SZ vom 03.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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