Cristiano Ronaldo:"Verdammt, was für ein Kerl!"

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Beim 3:0 gegen den VfL Wolfsburg bringt der Portugiese seine Kritiker zum Schweigen - mit drei Treffern, Ironie, Sarkasmus und einer Prise Eigenlob.

Von JAVIER CÁCERES, Madrid

Der Fußball hat viele unerklärliche Facetten, absolute Wahrheiten sind rar. Als der Mittwoch in Madrid angebrochen war, erweiterte Cristiano Ronaldo, der gegen den VfL Wolfsburg der unumstrittene Mann des Viertelfinal-Rückspiels der Champions League gewesen war, alle Theorien um ein neues Mysterium.

Der Stürmer von Real Madrid hatte das erste, das zweite und auch das dritte Tor beim 3:0 erzielt, seinem Team den Halb- finaleinzug gesichert und darob, nach britischer Sitte, den Ball als Souvenir erhalten; ein Page trug diesen für ihn lächelnd durch die Mixed Zone. Dort gab Ronaldo zum Besten, dass der dritte Treffer einen unvermuteten Vater hatte: Madrids Torwart Navas. Dieser war 70 Meter aus der eigenen Hälfte zu Ronaldo gespurtet, der sich für den ungekrönten König unter den Ballistik-Spezialisten hält, und hatte diesem ins Ohr geflüstert, wie er gegen den Ball zu treten habe.

"Ich solle langsamer anlaufen und so schießen, wie ich's kann", berichtete Ronaldo, "und ich habe auf ihn gehört, weil er mich trainieren sieht." Voilà das Mysterium: Es gibt Ratschläge, die einem Schützen sogar dann helfen, wenn die Ausführung daneben geht. Denn unter normalen Umständen wäre der Ball in der Wolfsburger Mauer gelandet. Doch zwischen Verteidiger Naldo und Mittelfeldmann Josuha Guilavogui tat sich ein Loch auf, durch das der Ball ins Tor flog: zum Gaudium von 80 000 Menschen im Bernabéu-Stadion, die längst wirkten, als seien sie einem Ecstasy-Trip erlegen.

Es müsse der 37. Hattrick seiner Karriere gewesen sein, warf ihm ein Reporter zu; Ronaldos Entgegnung fiel gönnerhaft aus: "Nicht so schlecht, oder?" Kurz zuvor war der deutsche Nationalspieler Toni Kroos vorbeigekommen und hatte, als habe der Aprilregen seine mecklenburgische Seele zum Blühen gebracht, über seinen Kollegen bei Madrid, einen ähnlich lapidaren Satz herausgepresst: "Er hat ein sehr gutes Spiel gemacht." Das konnte man so sagen. Ronaldo hatte ein Spiel gezeigt, das eine Antwort war auf seine Kritiker.

Obwohl er in der laufenden Saison, die noch nicht zu Ende ist, bereits 45 Tore erzielt hat (16 davon in der Champions League), hat Ronaldo immer wieder an Schlagzeilen zu knabbern, die er für Blasphemie hält. Es hilft ihm nichts, dass er drauf und dran ist, seinen eigenen Champions-League-Rekord aus der Saison 2013/14 zu verbessern (17 Treffer). Mehr noch: Die Gerüchte wollen nicht verstummen, dass Vereinschef Florentino Pérez den Portugiesen im Sommer gern abstoßen würde, weil er ihm zu renitent ist, und weil er dem anderen 100-Millionen-Euro-Mann im Kader, Gareth Bale, die Show stiehlt. Und Pérez' Arm reicht bis in die Redaktionen der Madrider Presse hinein, und so weiß Ronaldo, dass es nicht von ungefähr kommt, dass er um Anerkennung kämpfen muss, obwohl er wohl im dritten Jahr nacheinander eine Spielzeit mit mehr als 50 Toren abschließen wird. "Du weißt schon, dass wir dich schätzen", sagte ihm ein Reporter. Ronaldo antwortete mit schneidender Ironie: "Nach und nach wisst ihr das zu schätzen. Ihr geht jetzt ins Bett und sagt: Verdammt, was für ein Kerl!" Dass er kritisiert werde, das nehme er, nun ja, hin, "ich bin daran gewöhnt, in Spanien ist das manchmal so". Ronaldo wehrt sich mit Leibeskräften dagegen - mit der Essenz seiner selbst: "Das Tor ist in meinem Erbgut. Aber das Wichtigste war heute die Mannschaft."

Himmelhochjauchzend: Cristiano Ronaldo voll der Freude über seinen dritten Treffer gegen den VfL Wolfsburg. (Foto: Gonzalo Arroyo Moreno/Getty Images)

Deren Triebkraft war - neben dem ebenso brillanten Rechtsverteidiger Dani Carvajal - eben Ronaldo. Carvajal war derjenige, der das erste Tor vorbereitete, als er den Ball über die rechte Angriffsseite Madrids trieb, Ronaldo den Ball auflegte und dabei die brasilianische Innenverteidigung Wolfsburgs, die von Naldo und Dante gestellt wurde, einer dramatischen Hüftsteife überführte. Kaum eine Minute später folgte das 2:0, nach einem Eckball von Toni Kroos entfloh Ronaldo seinem Bewacher Guilavogui und köpfelte den Ball von der linken Ecke des Fünfmeterraums ins Tor. Diese beiden Treffer gaben Real und seinem Anhang die Gewissheit, dass gegen die zahmen Wolfsburger nichts mehr anbrennen würde, dass Madrid, wie es die Zeitung ABC formulieren sollte, vom Publikum nach dem schwachen 0:2 aus Wolfsburg "begnadigt" wurde.

Als Julian Draxler verletzungsbedingt ausgewechselt werden musste, war nur noch eine Frage offen: Wann Ronaldo sich die Zeit nehmen würde, das dritte Tor zu erzielen. Es geschah bei dem Freistoß in der 77. Minute. Er vollbrachte damit den ersten Champions-League-Hattrick eines Real-Stürmers seit der "wahre", der brasilianischen, der pummelige Ronaldo, 2003 drei Tore gegen Manchester United fabrizierte. "Er zeigt, was er ist: der beste Fußballer der Welt. Er ist ein besonderes Spieler", säuselte Real-Trainer Zinédine Zidane, der in der Kabine die Glückwünsche von Präsident Pérez entgegennahm. Real hat nun zum sechsten Mal in Serie das Champions-League-Halbfinale erreicht.

Ronaldo stimmte derweil so etwas wie Verständnis dafür an, dass er nicht nur Lobhudeleien zu hören und zu lesen bekommt. "Vielleicht war ich nicht immer auf dem Niveau, das die Leute gewöhnt waren, aber ich hatte auch meine Probleme, kleine Verletzungen", sagte er. "Aber ich fühle mich physisch immer besser. Ich spiele eine exzellente Saison. Sie dauert noch einen Monat, und ich will noch besser werden." Man darf das wohl als Drohung verstehen.

© SZ vom 14.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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