Champions League:Viel Konfetti, wenig Fußball

Lesezeit: 3 min

Das ereignisarme 0:0 im Halbfinale gegen Real Madrid offenbart das alte Problem von Manchester City: Der Schein ist beim Scheichklub oft schöner als das Sein.

Von Sven Haist, Manchester

Mit einem Knall startete eine Inszenierung, die der Fußballwelt wohl zeigen sollte, dass das raue Manchester auch wunderschön sein kann: Aus Konfettikanonen am Spielfeldrand schossen beim Einlaufen der Mannschaften Papierschleier in die Luft, es war das Signal für die Menschen, Glitzerfolien in den Farben himmelblau und silbern hochzuhalten, die auf ihren Tribünensitzen ausgelegt waren. Zur Sicherheit lärmte auch noch der Stadionsprecher auffordernd: "Waving your flags, please!" Die Zuschauer gehorchten.

Auf der Gegentribüne entfaltete sich der Schriftzug "City", eingerammt von zwei Herzen. Aus den Boxen erklang ein Welthit der Beatles, aber sinnigerweise sangen die Menschen beim Refrain nicht "Hey Jude", sondern "Hey City". Mit dem Song aus dem Jahr 1968 verbinden City-Fans den damals drei Monate zuvor gewonnenen Meistertitel. "Die Begrüßung war dem Anlass angemessen", fand Kapitän Vincent Kompany. Der Anlass war ja das erste Halbfinale der Champions League für City, aber das 0:0 im Hinspiel gegen Real Madrid, das dem Schauspiel folgte, offenbarte das Problem des Klubs: mehr Schein als Sein.

Die zähe Saison von City erinnert an den FC Chelsea 2012 - am Ende gab's den Henkelpott

Die Times schrieb tags darauf, dass es die größte Nacht für ManCity hätte wer-den können, aber sich nichts danach anfühlte. Das erste Aufeinandertreffen von City und Real Madrid dürfte stattdessen als eines der miesesten Halbfinalspiele in die Geschichtsbücher der Champions League eingehen. Die Neureichen aus dem Nordwesten Englands quälen sich regelrecht durch diese Saison, schon das Viertelfinale gegen Paris war zäh. Gegen Real dauerte es bis zur erste Torannäherung satte 27 Minuten, zu einer echten Torchance für City kam es gar nicht.

Im Gegensatz zur Premier League findet sich aber auf der internationalen Bühne bisher in dieser Saison kein Gegner, der sich City seriös annähert. Ein vergleichbares Szenario gab es vor vier Jahren beim FC Chelsea zu bewundern, der damals mit einer in die Jahre gekommenen Mannschaft in der Liga weit zurücklag - aber in der Champions League den Henkelpott regelrecht in die Hand gedrückt bekam; das Finale in München haben alle Fans des FC Bayern in bitterer Erinnerung.

In den Sog der tückischen Mittellosigkeit Citys geriet in der ersten Halbzeit auch Real Madrid, das den Fehler beging, sich in der Aufstellung am Gegner zu orientieren. Statt Citys defensives Mittelfeld aus den brasilianischen Fleißarbeitern Fernando und Fernandinho mit Positionswechseln und Kombinationen aus der Balance zu bringen, sorgte Reals Statik für ein taktisches Patt auf dem Rasen. Die Kreativgeister der Spanier - Gareth Bale, Karim Benzema, Toni Kroos und Luka Modric - verbreiteten keine Panik, weil sie für die Stabilität in der Defensive abgezogen wurden: "Uns wurde oft vorgeworfen, dass wir nicht gut verteidigen. Das lässt sich in diesem Spiel nicht behaupten", sagte Kroos.

An das einst kreiselnde Ballett aus Madrid erinnerten an diesem Abend aber lediglich die Tänze von Trainer Zinédine Zidane. Eingehüllt in einen engen Anzug und einen blauen Mantel lieferte er dem Publikum eine Vorschau auf die ab Sommer anstehende Amtszeit von Pep Guardiola bei City. Wie Guardiola weitet auch Zidane seine Trainerzone eigenmächtig, er dirigierte rege - bis ihm eine Hosennaht riss.

Seine Mannschaft belebte das erst gegen Ende des Spiels. Als bei Real die Erkenntnis einsetzte, dass ein fehlendes Auswärtstor die Qualifikation fürs Finale in Mailand erheblich erschweren könnte, initiierten Casemiro, Pepe und Bale ein kleines Feuerwerk, das Citys Torwart Joe Hart mit Glanzparaden löschte: "Wir haben es angerichtet für einen wahren Kampf im Bernabeu", sagte Englands Nationalkeeper.

Im Rückspiel am kommenden Mittwoch droht allerdings wieder Ungemach von Cristiano Ronaldo, der mit 93 Toren in der Champion League mehr Treffer erzielt hat als City in der Historie des Wettbewerbs. Ronaldo betrat als erster Spieler den Platz zur Besichtigung, um sein Aus umgehend mit einem gesenkten Daumen selbst zu verkünden. Eine Verletzung am rechten Oberschenkel verhinderte einen Einsatz des Real-Stars, der daher lediglich als Tourist in die Stadt zurückkehrte, in der einst sein Stern als Fußballer - beim City-Rivalen United - aufging. Immerhin stellte der König der Königlichen die Fans zufrieden, in einer Audienz gab es Autogramme und die Chance auf ein Foto.

Wie Ronaldo klagten auch Teamkollege Karim Benzema und City-Feingeist David Silva über muskuläre Oberschenkel-Probleme - beide mussten ausgewechselt werden. Für City-Trainer Manuel Pellegrini dürfte das die endgültige Erkenntnis erbracht haben, Silvas frei gewordene linke Seite besser nicht mit Kevin De Bruyne zu füllen. Nachdem er aus dem Zentrum beordert wurde, tauchte der Belgier ab. Bei seinem Freistoß in der Nachspielzeit hatten viele Zuschauer bereits das Stadion verlassen. Zurück blieb der Müll der Eröffnungssause. Es war viel Lärm um nichts.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: