Bundesliga:"50+1 gehört zur Identität des Fußballs"

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Oliver Leki ist seit 2014 Finanz-Vorstand beim SC Freiburg und seit dem Vorjahr als zweiter stellvertretender Sprecher Mitglied des DFL-Präsidiums, das nun über die Verteilung der Fernsehgelder entschied. (Foto: Patrick Seeger /dpa)

Der Freiburger Oliver Leki gehört als DFL-Präsidiumsmitglied zu den einflussreichsten Funktionären der Liga: Ein Gespräch über den neuen Schlüssel für die TV-Geld-Verteilung, Reaktionen in der Corona-Krise - und seine Kritik am Ausgabeverhalten einiger Klubs.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Der deutsche Spitzenfußball steckt in einer schwierigen Lage: Die Corona-Folgen legen seine wirtschaftliche Verwundbarkeit offen - und von der kommenden Saison an sinken auch noch die Medieneinnahmen. Das ist der wichtigste Erlösbereich für die 36 Profiklubs. In der aktuellen Saison verteilt die Deutsche Fußball-Liga (DFL) 1,45 Milliarden Euro. In der neuen Saison werden es nur noch 1,25 Milliarden sein, und über den kompletten anstehenden Vierjahres-Zyklus bis 2025 im Durchschnitt 1,35 Milliarden. Sehr lange und sehr hart diskutierten die Vereine zuletzt über die angemessene Verteilung, es gab den Ruf nach gravierenden Veränderungen. Am Montag verkündete das neunköpfige DFL-Präsidium dann den neuen Schlüssel. Das Ergebnis: Die Kriterien wurden zwar ziemlich umgemodelt, insbesondere durch die Einführung von vier Säulen in der nationalen Vermarktung (Gleichverteilung, Leistung, Nachwuchs, Interesse). Aber faktisch ändert sich doch nicht ganz so viel. Freiburgs Finanzvorstand Oliver Leki, 47, ist Mitglied des Gremiums, das die Frage entschied.

SZ: Herr Leki, der meistgehörte Kommentar über die beschlossene Neuverteilung der TV-Gelder war: "Ein Schritt in die richtige Richtung" - danach kommt oft ein "Aber". Das klingt nicht unbedingt nach dem ganz großen Wurf, oder?

Oliver Leki: Das beschlossene Verteilungsmodell ist in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der gesamten Liga. Gleichzeitig wurden erste inhaltlich richtige Veränderungen vorgenommen, die auch die Spreizung der Erlöse zwischen den Klubs reduzieren werden.

Inwiefern?

Zum Beispiel wird die Nachwuchsarbeit künftig stärker honoriert. Wer auf den Nachwuchs setzt, wird davon profitieren. Das ist gerecht im Sinne der Vereine, die in diesem Bereich viel leisten. Es ist aber auch ein Beitrag zur Entwicklung des Fußballs in Deutschland insgesamt.

Mit Ihrem Vorschlag, eine "Effizienzquote" in den Verteilerschlüssel zu integrieren, konnten Sie sich nicht durchsetzen. Worum ging es?

Es ist kein Geheimnis, dass ich mich sehr für ein Effizienz-Kriterium eingesetzt habe, das den sportlichen Erfolg im Verhältnis zum wirtschaftlichem Einsatz finanziell honoriert und damit gleichzeitig einen Anreiz für nachhaltiges Wirtschaften setzt. Dafür gab es keine Mehrheit. Ich bedaure das, habe es aber zu respektieren.

Waren die Schritte in die richtige Richtung auch groß genug, um zu verhindern, dass sich der März 2020 wiederholt? Damals standen einige Vereine von einem Tag auf den anderen kurz vorm Konkurs.

Wirtschaftliche Stabilität hat auch ganz viel mit dem Ausgabeverhalten zu tun, nicht nur mit der Einnahmenseite, um die es bei der Verteilung jetzt ging. Es gilt, Vorgaben und Mechanismen in die Lizenzierungsordnung zu integrieren, die verhindern, dass Klubs so schnell massive Probleme bekommen, wie das zuletzt der Fall war. Wobei man aber fair bleiben und Fußballklubs nicht anders bewerten sollte als Unternehmen in anderen Branchen. Viele Unternehmen, sogar Dax-Konzerne, sind in der Corona-Krise in Zahlungsschwierigkeiten gekommen und haben staatliche Hilfen beantragt. Der Anspruch der Liga muss es aber dennoch sein, mehr Stabilität in das Gesamtsystem zu bekommen.

Ein Verein, der nicht genügend Reserven nachweisen kann, würde damit also seine Lizenz genauso gefährden wie einer, der kein sicheres Stadion vorweisen kann?

Der Weg müsste aus meiner Sicht sein, dass wir in der Lizenzierungsordnung unter anderem veränderte und strengere Vorgaben für die Eigenkapitalausstattung machen, aber insbesondere für die Liquidität der Klubs - in Verbindung mit empfindlichen Sanktionsmaßnahmen. Ich sehe da durchaus einen Konsens in der Liga, aber letztendlich hätte die Mitgliederversammlung darüber zu entscheiden.

Warum fällt es vielen Vereinen so schwer, nur den Euro auszugeben, den sie auch eingenommen haben?

In Freiburg, und das gilt für viele andere Klubs in gleicher Weise, schauen wir sehr genau darauf, dass wir uns bestmöglich für Krisenzeiten wappnen und entsprechende Rücklagen bilden. Man muss aber auch so ehrlich sein, dass man sich gegen eine Krise wie im Moment, in der Einnahmen in Milliardenhöhe ligaweit wegbrechen, sicher nicht gänzlich absichern kann.

Der DFL-Chef Christian Seifert hat am Montag ebenfalls kritisiert, dass viele Vereine noch zu hohe Ausgaben hätten. Warum fällt es so schwer, die Spielergehälter zu deckeln, wo doch so viele Branchenvertreter meinen, dass das nötig wäre?

Sie können arbeitsrechtlich bestehende Verträge nicht mal eben für null und nichtig erklären. Das ist ein Prozess, aber einer, den man jetzt beginnen muss. Unterm Strich werden viele Verträge aber künftig nicht mehr so gut dotiert sein wie gerade.

Die 50+1-Regel, die den Einfluss von Investoren begrenzen soll, wird allerdings derzeit wieder in Frage gestellt.

50+1 gehört für mich zur Identität des deutschen Fußballs wie die DFL als Zusammenschluss der 36 Vereine. Es ist inakzeptabel, die jetzige Krise dafür zu nutzen, um 50+1 wieder in Frage zu stellen.

Vieles von dem, was Sie sagen, ähnelt den Forderungen, die zuletzt von vielen Zweitligisten und von den vier Bundesligisten Mainz, Stuttgart, Augsburg und Bielefeld formuliert worden sind. Deren Impuls wurde aber gekontert durch ein Treffen, das FC-Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge initiierte und zu dem 14 Erstligisten und der Hamburger SV eingeladen waren - nicht aber die vier vermeintlich abtrünnigen Klubs. Auch der SC Freiburg war dabei. Warum?

Über Positionspapiere und G-15-Treffen wurde in der vergangenen Woche wirklich genug gesprochen. Es kann doch keinen wirklich überraschen, dass es in einem Verband mit 36 Klubs, vom Champions-League-Sieger bis zum Zweitliga-Aufsteiger, sehr unterschiedliche Lebenswirklichkeiten, Interessen und Ziele gibt. Mich treiben dabei weniger ein einzelnes Positionspapier oder ein Treffen um, sondern eher ganz grundsätzliche Dinge: Es zeichnet sich doch ab, dass es eine der größten Herausforderung der nächsten Jahre sein wird, bei allen Unterschiedlichkeiten, die Einigkeit und den Verbund der 36 Klubs zu erhalten und sich dabei auf eine gemeinsame große Linie zu verständigen. Ein gegenseitiges Verständnis und die Fähigkeit zu Kompromissen ist die Grundlage dafür, und Extrempositionen werden sicher nicht die Lösung sein.

Was ist, wenn das nicht gelingt?

Dann wird man sich irgendwann eingestehen müssen, dass die unterschiedlichen Interessen so groß sind, dass man sie nicht unter einem Dach organisieren kann. Ich möchte das nicht und werde alles dafür tun, dass es nicht so weit kommt. Für mich ist und bleibt es ein Erfolgsmodell.

In Frankfurt tagt im Auftrag der DFL derzeit eine sehr divers zusammengesetzte Taskforce, die unter anderem der Frage nachgeht, welche gesellschaftliche Verantwortung der Fußball künftig wahrnehmen soll. Wie bewerten Sie das?

Neben dem Thema wirtschaftliche Stabilität ist die gesellschaftliche Verankerung und Verantwortung des Fußballs ein weiteres großes Thema, mit dem wir uns weiter intensiv beschäftigen müssen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Fußball gerade an Zuspruch verliert, auch wenn ich den flächendeckenden Vertrauensverlust, von dem einige sprechen, nicht erkennen kann. Dennoch: Wenn diese Krise etwas Positives hat, dann dass gerade ganz viele Themen und Erwartungen an uns herangetragen werden, die die Frage aufwerfen, für welchen Wertekanon und welche Verhaltensweisen der Fußball eigentlich steht beziehungsweise stehen will.

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