Bremen:Rolle rückwärts

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Nach dem 0:1 gegen Paderborn müssen sie sich bei Werder an das Wort "Abstiegskampf" gewöhnen. Trainer Kohfeldt zieht ein ernüchterndes Hinrundenfazit.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Am Sonntag-Abend hat ein Werder-Freund eine Wette abgeschlossen, die viel über den Frust der Bremer aussagt. Er setzte 100 Euro darauf, dass es im Mai zu einem Relegationsspiel um die Erstliga-Zugehörigkeit komme zwischen dem SV Werder und dem ungeliebten Rivalen Hamburger SV, der als Tabellenzweiter der zweiten Liga nicht weit vom Relegationsplatz drei entfernt ist. Solche Gedanken hatten in der kleineren Hansestadt bisher den Rang einer Ordnungswidrigkeit, man wollte ja endlich wieder nach Europa. Doch nach dem überraschenden 0:1 gegen das bisherige Schlusslicht SC Paderborn konnte auch Bremens Coach Florian Kohfeldt das Wort "Abstiegskampf", das er bisher trotz schwieriger Tabellenlage beständig vermied, nicht mehr ignorieren. Diese Vokabel nehme man nicht so gern in den Mund, sagte er. Man habe ja eine Mannschaft, für die Kampf, Aggressivität und Intensität ohnehin selbstverständlich sein müsse, und man solle sich nun herausspielen aus dieser "sehr schweren Phase. Wir müssen unseren Fußball weiter spielen".

Immerhin: Kämpfen und Spielen, das sei jetzt gleichberechtigt, gab der Ästhet Kohfeldt vor, der nach dem 3:2-Erfolg vor einer Woche in Wolfsburg noch gehofft hatte, es werde nun endlich aufwärts gehen. Doch jene Szene in der 90. Minute führte erstmals zu einer öffentlichen Abrechnung des Führungspersonals mit dem eigenen Team. Es war jener Moment, in dem der Videoassistent Tobias Reichel aus einem "0:0-Spiel, was alles über unsere Leistung sagt" (Kohfeldt) einen Paderborn-Sieg machte. Er hob die Abseitsentscheidung des Referees Sascha Stegemann auf und gab das Tor des eingewechselten Sven Michel nach "ekligen" vier Minuten (so der Torschütze) - korrekterweise, weil Werder-Verteidiger Theodor Gebre Selassie das Abseits minimal aufgehoben hatte, was mit bloßem Auge kaum zu erkennen war.

Während Werders Geschäftsführer Frank Baumann erwähnte, man habe sich trotz des prekären Tabellenplatzes "in den ersten zehn bis zwölf Spielen keine Sorgen gemacht", weil Einsatz und Leistung trotz fehlender Punkte fast immer gestimmt hätten, sei das nun etwas anders. Wenn man schon nicht seinen besten Tag habe, so Baumann, dann müsse man sich in eine Partie "um so mehr hineinkämpfen". Schon vor dem Spiel hatten die Bremer darüber gesprochen, was man gerade gegen einen solchen Gegner brauche: Druck, Willen, Intensität. Das alles habe gefehlt, räumte der gerade genesene Kapitän Niklas Moisander später enttäuscht ein. Der schwedische Außenverteidiger Ludwig Augustinsson, ebenfalls erst seit kurzem wieder dabei, empfand die Niederlage als "Schlag in die Magengrube". Dabei waren die Rückkehrer noch die Besten im Werder-Team.

So zog Kohfeldt schon drei Spieltage vor dem Abschluss der Hinrunde ein eher ernüchterndes Fazit. Nie habe das Team in dieser Saison "seinen Rhythmus und eine gewisse Verlässlichkeit gefunden", bemängelte er. Nie sei man "individuell und als Mannschaft ans Maximum gekommen". Und selbstverständlich habe man diese Mängel intern "schon deutlich" angesprochen. Das Tief sei überdies kein Kopfproblem, sondern habe fußballerische Gründe. Das überrascht, zumal der Trainer nicht zu erwähnen vergaß, dass Werder die vergangenen zwei Jahre (also unter seiner Leitung) meist "für begeisternde Spiele gestanden" habe. Und nun?

Tatsächlich hat in dieser Saison unter dem Trainer Kohfeldt nur der Außenstürmer Milot Rashica einen großen Sprung gemacht, was den Nationalspieler des Kosovo international zu einem Objekt der Begierde gemacht hat; allerdings wird Rashica die Bremer in der Winterpause auf keinen Fall verlassen, wie sein Berater Altin Lala am Montag immerhin versicherte.

Andere Profis, von denen man eine ähnliche Entwicklung erwartete, haben dagegen eher eine Rolle rückwärts gemacht, etwa die Brüder Maximilian und Johannes Eggestein, ebenso der Keeper Jiri Pavlenka oder auch das ehemalige FC-Bayern-Talent Marco Friedl. Und der große Claudio Pizarro, der gegen Paderborn schon ab der 58. Minute mitspielen durfte, wirkt nun allmählich doch wie das, was er nun mal ist: ein 41-Jähriger. Das Bedenklichste aus Bremer Sicht war an diesem Tag aber das Fazit des Paderborner Trainers Steffen Baumgart. Er sei zwar mit den drei Punkten zufrieden, grummelte der, "aber wir haben nicht das gespielt, was wir können". Nicht auszudenken also, wenn die Ostwestfalen wirklich Ernst gemacht hätten.

Trainer Kohfeldt will seinen Profis bis Jahresende nur noch einfache Dinge abverlangen. Ob das am kommenden Wochenende aber reichen wird? Dann müssen die Bremer zu einer Mannschaft, die auch nicht ganz schlecht ist und im Moment extrem motiviert sein dürfte. Am Samstag spielen die Bremer beim FC Bayern.

© SZ vom 10.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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