Bremen:Den Schlüssel umgedreht

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Zwei, die sich verstehen: Max Kruse (links) und Fin Bartels machten beim 1:0 gegen den VfB Stuttgart den Unterschied aus. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Werder setzt sich gegen den ebenbürtigen VfB Stuttgart mit 1:0 auch aufgrund des fähigen Sturmduos Fin Bartels/Max Kruse durch. Der neue Hoffnungsträger, Trainer Florian Kohfeldt, sammelt dadurch weitere Punkte für eine Vertragsverlängerung.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Auf die Aufgabe am Samstag freut sich Florian Kohfeldt. Der neue Trainer von Werder Bremen findet, "dass Dortmund einer der besten Plätze in Deutschland, vielleicht sogar weltweit ist, um Fußball zu spielen". In so einer von mehr als 80 000 Zuschauern entfachten Atmosphäre falle es leicht, die Leistungsbereitschaft herauszukitzeln - so wie sonst nur im Weserstadion, wenn es gut läuft. Deshalb ist er auch zuversichtlich, dass man bei der Borussia mindestens einen weiteren Punkt gegen den Abstieg mitnehmen kann. Und vielleicht kämen danach beim zweiten Auswärtsspiel nacheinander in Leverkusen noch ein oder drei Zähler hinzu, obwohl die Bay-Arena ein Stück kleiner ist und die Bayer-Anhänger nicht ganz so enthusiastisch wie in Dortmund oder Bremen sind.

Auch die Arena an der Weser war an diesem Samstag voll (es passen aber nur halb so viele hinein wie in Dortmund). Die Fans haben zusammen mit dem forschen Kohfeldt das Team des Tabellenvorletzten zumindest kämpferisch wieder zu einer Leistung getrieben, die "mit einem klassischen Tabellenvorletzten" nichts zu tun hat, wie Stuttgarts Sportvorstand Michael Reschke nach dem 0:1 seiner Mannschaft zu Protokoll gab. Reschke, der sich seit seiner Zeit als Technischer Direktor beim FC Bayern mit höchstem Niveau auskennt, war auch mit dem Auftritt seines VfB zufrieden. Der habe wenig zu tun gehabt mit der Serie von fünf zum Teil trostlos verlorenen Auswärtsspielen im ersten Saisondrittel. Im Grunde habe alles gestimmt: "Disziplin, Ordnung, Zweikampfstärke."

Den winzigen Unterschied zwischen beiden Gegnern erwähnte VfB-Trainer Hannes Wolf in einem Nebensatz. In seiner Mannschaft habe "ein Tick Überzeugung gefehlt". Und genau den hat sein Kollege Kohfeldt seinen Spielern "in den Kopf gesetzt", wie Abwehrmann Milos Veljkovic erwähnte. Man habe zwar nicht die spielerische Leistung gebracht wie zuletzt beim 0:2 in Leipzig oder vorher beim 4:0 gegen Hannover. Aber man habe "den Schlüsselmoment gefunden und den Schlüssel umgedreht", bemerkte der neue Hoffnungsträger Kohfeldt, der weitere Punkte für eine Vertragsverlängerung gesammelt hat. Genau darauf habe er seine Profis eingestellt.

Der Schlüsselmoment ereignete sich in der 45. Minute. Fin Bartels war bei seinem Lauf durch die Stuttgarter Abwehr ohne Foul kurz ins Straucheln geraten, der Ball blieb aber vor seinen Füßen. Schiedsrichter Bastian Dankert gab ihm dennoch - zu Unrecht - einen Freistoß. Und so blitzschnell, wie Bartels das Leder kurz mit der Hand stoppte und weiterspielte auf Max Kruse, konnten die VfB-Abwehrspieler nicht denken. Kruse nahm an der Strafraumgrenze Maß und versenkte die Kugel im rechten Eck zum 1:0. "90 Prozent des Tores gehören mir", scherzte Bartels. Er lobte aber auch, wie "hellwach und supercool" Kruse diese Chance ergriffen habe.

Auch diesmal also hatte das wiedererstarkte "Traum-Duo" Bartels und Kruse (so nannte sie der Mitspieler Maximilian Eggestein) den Unterschied ausgemacht. Ähnlich wie in der vergangenen Rückrunde, als Werder sich fast noch für die Europa League qualifizierte. Kruse sei der "Zielspieler, der die Bälle vorne festmacht, während Fin der Mann für die Läufe in die Tiefe" sei, führte Eggestein aus. Oder, wie Bartels seinen Kumpel rühmte: "Er hat die Intelligenz, Räume zu sehen, die andere nicht sehen." Das war diesmal besonders wichtig, weil die laufstarken Gäste fast keine Räume öffneten. Zufällig war auch das vermeintliche 2:0 nicht gefallen. Eggestein flankte, Kruse schoss, Bartels fälschte ab. Das Nebelhorn tutete schon wie bei jedem Werder-Tor, Dankert hatte zur Mittellinie gezeigt, bevor er sich mit dem Video-Assistenten noch mal beriet und den Treffer zurücknahm wegen knapper Abseitsstellung. Eine "sehr lange Zeit" sei das gewesen, mahnte Kohfeldt, schließlich sei sein Team schon in die eigene Hälfte zurückgelaufen, bevor der Schiedsrichter im VfB-Strafraum auf Freistoß für die Gäste entschied.

Das so verpasste 2:0 eröffnete den Raum für eine spannende Schlussphase. Wolf brachte die Offensivspieler Anastasios Donis, Simon Terodde und Chadrac Akolo aufs Feld, doch die größten Chancen hatte Abwehrchef Holger Badstuber. In der 84. Minute setzte er einen Kopfball in die aus Sicht des Werder-Keepers Jiri Pavlenka rechte untere Ecke, der Tscheche lenkte die Kugel noch um den Pfosten. In der 89. Minute drückte der frühere Nationalspieler den Ball nicht genug, so dass er knapp über das Tor flog. So blieb es, wie Bartels feststellte, beim "überlebenswichtigen" Werder-Sieg.

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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