Bremen:Blitzschach

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Der SV Werder hat unter dem neuen Trainer Kohfeldt offenbar die Sportart gewechselt: Beim 3:1 in Augsburg präsentiert die Mannschaft einen flexiblen, rasanten Offensivstil.

Von Maik Rosner, Augsburg

Ein bisschen unangenehm schien Ishak Belfodil die Aufmerksamkeit zu sein. Viele Menschen mit Notizblöcken und Diktiergeräten drängten sich um ihn, um zu erfahren, wie er seinen auffälligsten Tag im Trikot von Werder Bremen erlebt habe. Doch Belfodil, geboren in Algerien, aufgewachsen in Frankreich, wollte den Reportern nicht jene Geschichte liefern, die viele gern von ihm gehört hätten, und die Max Kruse stützte, als er sagte: "Ishak Belfodil ist natürlich der Mann des Spiels. Er hat sich an die Bundesliga gewöhnt."

Belfodil hielt allerdings eine andere Interpretation für angemessen nach seinen Saisontoren zwei (5.) und drei (40.) sowie seiner Vorlage für Kruses Tor in der 82. Minute zu Bremens 3:1-Sieg beim FC Augsburg, mit dem Werder schon fast ins gesicherte Mittelfeld der Tabelle entkommen ist. "Für mich ist es keine Heldentat", sagte Belfodil, "von der Statistik her mag es mein bestes Spiel für Werder gewesen sein, aber ich habe auch schon andere gute Spiele gemacht." Es sei doch so: Zu Saisonbeginn habe die gesamte Mannschaft große Schwierigkeiten gehabt. Für ihn, den Leihspieler von Standard Lüttich, sei es deshalb umso schwieriger gewesen, sich einzufinden. "Jetzt sieht man, dass die Mannschaft besser spielt und sich besser fühlt. Wir Offensivspieler haben daher mehr Möglichkeiten, gute Statistiken zu haben", sagte Belfodil. Die Geschichte, die er in seinen Beiträgen zum verdienten Erfolg erkannte, war nicht die seines Aufschwungs, sondern die des Aufschwungs der gesamten Bremer Mannschaft.

Mit schnellen Zügen kombinieren sich die Bremer in die Spitze der Rückrundentabelle

Es spricht einiges dafür, dass diese Sicht der Dinge den persönlichen Ertrag Belfodils besser erklärt als der exklusive Blick auf ihn. Denn was das Bremer Gefüge mit seinem flexiblen und rasanten Offensivstil anbot, passte zu einer Mannschaft, die sich ins obere Drittel der Rückrundentabelle kombiniert hat. Mutig, spielfreudig und mit schnellen Zügen wie beim Blitzschach setzten sie die Augsburger sofort unter Druck. Auf dieser Grundlage wackelte Belfodil Innenverteidiger Martin Hinteregger aus und schoss ein, nachdem Florian Kainz mit einem scharfen Diagonalball die Defensive des FCA aufgefächert hatte.

In diesem Rhythmus ging es weiter, garniert von Belfodils zweitem Tor, diesmal nach Kruses öffnendem Zuspiel. "Sehr einverstanden mit der Art und Weise, wie wir gespielt haben", sei er, sagte Trainer Florian Kohfeldt, "die erste Halbzeit war eine sehr gute Halbzeit, vielleicht sogar die beste der letzten Wochen." Dass es noch mal eng wurde, nachdem sich die Augsburger aufgerafft hatten und durch Rani Khediras erstes Bundesligator auf 1:2 verkürzten (63.), nutzte Kohfeldt später für ein kleines Referat über seine Ideen, die er ziemlich erfolgreich vermittelt: "Da hätten wir klarer spielen müssen. Das, was uns in der ersten Halbzeit stark gemacht hat: die Ballzirkulation aus den Positionen heraus, mit wenigen Kontakten." Kruse holte mit seinem sechsten Saisontor die Entscheidung nach, die Bremen bei vielen Kontern früher hätte herbeiführen können.

Werders schleppende Darbietungen aus dem ersten Saisondrittel wirken heute wie die Erinnerung an eine andere Sportart. 33 Punkte haben die umgeschulten Bremer nun angehäuft, acht mehr als die Mainzer auf dem Relegationsplatz. "Ich warne aber vor Selbstzufriedenheit. Die Situation ist immer noch nicht so, dass wir uns aus dem Abstiegskampf verabschiedet haben", sagte Kohfeldt. Der Spielstil allerdings genügt höheren Ansprüchen. Von den jüngsten sieben Begegnungen gewann Werder zudem fünf und verlor nur eine.

In Augsburg leistete Belfodil einen wesentlichen Beitrag, und natürlich kam auch Kohfeldt nicht umhin, das große Ganze auf den Angreifer herunterzubrechen. Dabei entstand ein weiterer Exkurs in des Trainers Lehre, in der konstruktive und vertikale Elemente bevorzugt werden. Belfodil habe er vor allem aufgeboten, weil er auf dieser Position jemanden gewollt habe, "der sehr gern in die Zwischenräume geht, um flexibler zu sein", sagte Kohfeldt. Zudem habe der 26-Jährige "den Körper eines Mittelstürmers, aber die Geschwindigkeit eines Flügelstürmers. Das ist schon mal eine Kombination, die den Gegner vor Probleme stellt."

Kohfeldt verweigerte sich den vielen Fragen zu seinem Angreifer nicht. Auch nicht jener nach dessen angeblich ausbaufähigem Arbeitseifer. Faul sei Belfodil nicht, entgegnete Kohfeldt, "bei Ishak ist es immer wichtig, dass es Sinn macht, was er da tut. Dann macht er das auch mit voller Hingabe". Auch damit steht Belfodil offensichtlich stellvertretend für die Bremer im Aufschwung.

© SZ vom 19.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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