Bremen:Bis zur Erschöpfung

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Nicht einmal die zurückgekehrten Angreifer Claudio Pizarro und Max Kruse können Werder Bremens Niederlage gegen Frankfurt verhindern.

Von Jörg Marwedel, Bremen

In Bremen waren sie bester Dinge gewesen vor dem Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt. Werder-Chef Klaus Filbry freute sich schon darauf, am Montagabend bei der Mitgliederversammlung erstmals nach vier dramatischen Minus-Jahren einen ordentlichen Gewinn in der Bilanz auszuweisen, knapp drei Millionen Euro. Die Fans waren entzückt über das Wiedersehen mit Claudio Pizarro und Max Kruse, die monatelang um ihre Genesung kämpften und nun aus dem Abstiegskandidaten Werder wieder ein mindestens solides Bundesliga-Team machen sollten. Es fing auch gut an: Florian Grillitsch verwandelte in der 38. Minute einen weiten Pass von Niklas Moisander sehenswert zum 1:0; und es gab Szenen, in denen die lange Vermissten ihren Spielwitz andeuteten.

Der Einfall mit Barkok lässt Kovac wie einen Hellseher erscheinen

Etwa, als Pizarro dem Kompagnon Kruse den Ball so maßgerecht auf den Kopf schaufelte, dass dieser schon kurz vor Grillitschs Treffer das 1:0 hätte machen müssen. Oder in der 76. Minute, als Serge Gnabry die Kugel in der Strafraum spielte, Kruse ihn gewitzt zu Pizarro durchließ und Eintracht-Keeper Lukas Hradlecky dessen Schuss gerade noch über die Latte lenkte und das Bremer 2:1 verhinderte. "Sie haben Elemente reingebracht, die uns gut tun", sagte Werder-Coach Alexander Nouri über seine Rückkehrer. Doch am Ende reichte die neue Qualität nicht, um die vierte Niederlage nacheinander abzuwenden (1:2) - und auch das hatte irgendwie mit den Rückkehrern zu tun. Es war nämlich auch so, dass Nouri nicht genug von ihnen bekommen konnte. Der 38 Jahre alte Pizarro rackerte 83 Minuten bis zur Erschöpfung, ehe er durch Lennart Thy ersetzt wurde; Kruse musste komplett durchhalten, was verheerend war. Entkräftet verlor er in der 90. Minute einen Zweikampf gegen Bastian Oczipka, und das eingewechselte Eintracht-Talent Aymen Barkok, 18, schlenzte den Ball zum Siegtreffer ins Tor. "Ich sehe da nicht gut aus", räumte Kruse ein, aber: "Wir können ja nicht von jetzt auf gleich den neuen Werder-Sturmlauf starten."

Ganz oben in der Jubeltraube: Aymane Barkok. (Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

Verloren hatte Nouri das Spiel vor allem gegen den Kollegen Niko Kovac. Der zeigte, wie er binnen sechs Monaten aus dem Fast-Zweitligisten Eintracht Frankfurt mit relativ wenig Geld ein Team geformt hat, das nicht einmal durch eine schwächere erste Halbzeit aus der Ruhe zu bringen war. Zudem hatte Kovac in der Pause die Idee, auf einen Zwei-Mann-Angriff umzustellen. Neben Branimir Hrgota schickte er Eintracht-Ikone Alexander Meier aufs Feld. Der setzte seine Wut, zunächst auf der Bank zu sitzen, professionell ein. In der 52. Minute erzielte er das 1:1, danach rettete Werder-Torwart Felix Wiedwald noch dreimal gegen Meier. Nach dem Ausgleich, sagte Werder-Verteidiger Moisander, "haben wir unser Selbstbewusstsein ein bisschen verloren".

Auch der Einfall, den A-Jugendlichen Barkok ("Ich bin Frankfurter") einzuwechseln, ließ Kovac wie einen Hellseher erscheinen. Der Siegtorschütze strahlte später von einem Ohr zum anderen und heimste noch ein Extra-Lob des Trainers ein: "Wie er den Ball annimmt und oben einschweißt", das sei schon stark gewesen. Was die neue Eintracht in ihrem "Prozess" (das neue Lieblingswort von Klubchef Fredi Bobic) ausmache, beschrieb Hradecky so: "Die Jungs machen, was der Trainer ihnen sagt." Zudem habe die Relegation das Team zusammengeschweißt. Und das, obwohl von jener Formation, die am 14. Mai im letzten Bundesligaspiel der Saison 2015/16 in Bremen 0:1 verlor, nur noch vier Profis in der Startelf standen.

Zweikampf unter Jungs: Frankfurts Torschütze Aymen Barkok (rechts), 18, und Werders Serge Gnabry, 21. (Foto: Ulmer/imago)

Nun haben beide Teams zwei sehr unterschiedliche Aufgaben vor sich: Die Frankfurter könnten mit einem Sieg im Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund am Samstag auf einen Champions-League-Platz vorrücken. Die Bremer treten zum Kellerduell des Nordens beim HSV an. Da geht es wieder nur darum, Punkte für den Klassenverbleib zu gewinnen.

© SZ vom 22.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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