Bremen - Augsburg (15.30 Uhr):Löschtrupp

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Deutlich im Ton: Beim Bundesliga-Auftakt gegen Bayern München hatte Bremens Trainer Viktor Skripnik des Öfteren Grund, laut zu werden. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Weil Werders Trainer mitunter unbedacht mit der deutschen Sprache umgeht, muss der neue Geschäftsführer oft schlichten.

Von JÖRG MARWEDEL, Bremen

Der neue Geschäftsführer Frank Baumann hat zumindest bei denjenigen einen guten Ruf, die für das alte Familien-Unternehmen Werder Bremen stehen. Der demnächst ausscheidende Aufsichtsrat Willi Lemke hat ihn gerade in höchsten Tönen dafür gelobt, dass er trotz großer Konkurrenz das Ausnahmetalent Serge Gnabry, 21, vom FC Arsenal an die Weser gelockt hat - wenn auch wohl mit einer vieldiskutierten Ausstiegsklausel, die es dem U21-Nationalspieler mittelfristig ermöglicht, zum FC Bayern zu wechseln.

Dass der frühere Werder-Kapitän Baumann, der glaubwürdig "für ein offenes, tolerantes Klima" eintritt, bei den Fans trotzdem noch nicht so populär ist wie einst seine Vorgänger Lemke oder Klaus Allofs, hat mit seinem toleranten Umgang mit Viktor Skripnik zu tun. Die Mehrheit der Bremer Anhänger traut es dem ukrainischen Trainer nicht zu, die nächste Krise (die wievielte ist es eigentlich?) in seiner bald zweijährigen Amtszeit zu meistern. Der Fehlstart mit dem Pokal-Aus beim Drittliga-Aufsteiger Sportfreunde Lotte und dem verheerenden 0:6 beim FC Bayern München hat die Lage vor dem ersten Bundesliga-Heimspiel am Sonntag gegen den FC Augsburg schon wieder so brisant gemacht, dass der in Fragen der deutschen Sprache zuweilen ungeschickte Skripnik schon von einem "Finale" sprach. Einem Finale am zweiten Spieltag?

Wieder einmal mussten Baumann und Spielführer Clemens Fritz verbal löschen. Skripnik habe nicht gemeint, dass es für ihn das Endspiel sein könnte, falls es verloren gehe. Zudem wurde der Ukrainer mit dem Satz zitiert, er habe keinen einzigen Tag als Bundesliga-Trainer genossen. Nun korrigierte er: "Ich habe nicht gesagt, dass ich keinen Spaß am Job hatte. Wir hatten in der letzten Zeit einfach schwierige Phasen."

Der Trainer gibt sich gelassener und sagt: "Ich verstecke mich nicht"

Baumann hatte trotzdem vor der Saison den Vertrag mit seinem früheren Mitspieler bis 2018 verlängert und nach dem Debakel in München via Fernsehen mitgeteilt, Skripnik sei auch noch Werder-Coach, wenn ihm in den nächsten acht Spielen kein Sieg gelinge. Mal abgesehen davon, dass sich selbst der geduldige Baumann den Gesetzmäßigkeiten des Profifußballs nur bedingt entgegenstellen können wird, hat seine intensive Auseinandersetzung mit dem Trainer durchaus schon Früchte getragen. Der Weser-Kurier hat Skripnik gerade bescheinigt, er habe sich "entwickelt".

Anders als im vergangenen Jahr, als er die Journalisten quasi zu persönlichen Feinden erklärte, steht Skripnik ihnen heute nach den Nachhilfestunden bei seinem neuen Chef deutlich gelassener gegenüber. Er schaue die Gesprächspartner an und gehe offensiver auf ihre Fragen ein, sagt ein Reporter. "Wenn ihr glaubt, dass ich mich verstecke, ist das definitiv nicht richtig", sagte Skripnik kampfeslustig auf der Pressekonferenz vor der Augsburg-Partie.

Trotzdem bleibt die Lage extrem heikel. Zum einen, weil Werder gerade eine Verletzungswelle trifft. Erst fiel Luxus-Transfer Max Kruse aus, womöglich bis zum Jahresende. Dann hatte Philipp Bargfrede (der immer dann Stammspieler ist, wenn er einmal nicht versehrt ist) einen Rückfall. Außenverteidiger Santiago Garcia kommt eben so wenig auf die Beine wie Claudio Pizarro, der die Bremer vergangene Saison mit 14 Toren vor dem Abstieg bewahrte. So wird der Olympia-Held Gnabry schon zum neuen Hoffungsträger ausgerufen - wobei noch unklar ist, ob er gegen Augsburg gleich die Position als Regisseur oder jene auf dem Flügel ausfüllen darf. Anstelle von Sturmspitze Pizarro wird wohl der fast ein Jahr verletzte Aron Johannsson auf Torejagd gehen. Zumindest im Testspiel beim Landesligisten Kickers Emden war er zuletzt mit fünf Treffern beim 8:1 erfolgreich.

Zweifel bleiben so oder so

An Skripniks taktischen Fähigkeiten wird im Umfeld aber weiter gezweifelt. Das ideale Innenverteidiger-Paar hat er noch nicht gefunden, die Defensive bleibt wie eh und je die Schwachstelle. Den in der vergangenen Spielzeit an Darmstadt ausgeliehenen Italiener Luca Caldirola hat er trotz guter Leistungen in der Vorbereitung entweder nicht aufgestellt oder auf der für ihn ungeliebten Außenverteidiger-Position besetzt. Jetzt wird der Coach aber wohl die letzte Variante ausprobieren: mit Zugang Lamine Sané und Caldirola, denn die beiden anderen Neuen Niklas Moisander und Fallou Diagne enttäuschten arg. Ein weiterer Neuer, Olympia-Fahrer Nummer zwei, Robert Bauer, soll die hintere linke Seite bearbeiten.

Nur wenn das frisch zusammengestellte Sammelsurium gegen Augsburg besteht, könnte Skripnik zumindest vorerst wieder etwas mehr Spaß haben an seinem Job. Wenn nicht, dürfte es ein weiteres schwieriges Jahr an der Weser werden und Skripnik trotz seines geduldigen Freundes Baumann ein Trainer auf Abruf bleiben.

© SZ vom 11.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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