Boxer Vincent Feigenbutz:Stil eines Straßenprüglers

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Vincent Feigenbutz (li.): Viel Talent, viele Sprüche (Archivbild) (Foto: imago/Marianne Müller)
  • Boxer Vincent Feigenbutz gewinnt höchst umstrittenen seinen Kampf gegen den Italiener Giovanni De Carolis - und wird danach ausfällig.
  • Der Fall zeigt, welche Gefahren am Anfang einer Boxkarriere lauern.
  • Boxtrainer Ulli Wegner sagt: "Für die Laufbahn, und um ein Großer zu werden, war der Kampf aber sehr wertvoll."

Von Saskia Aleythe

Fast zehn Sekunden dauert es, bis die Nachricht im Kopf von Vincent Feigenbutz angekommen ist. Zehn Sekunden. Der Ringrichter reckt schon dessen Arm in die Höhe, die Siegerfaust also, die Unterstützer aus seinem Team klopfen Feigenbutz von hinten auf die Schulter. Feigenbutz schaut mit der Verdutztheit eines Boxers, der gerade schlecht gekämpft hat und nun doch zum Sieger erklärt wird. Der Mund offen, der Blick wandert leer von links nach rechts. Dann macht es klick.

Vincent Feigenbutz ist ein junger Boxer, 20 Jahre alt, mit seinen 19 K.-o.-Siegen in 22 Profikämpfen gehört er zu den großen Hoffnungen der Sportart. Nur einen Kampf vor drei Jahren hat der Supermittelgewichtler bisher verloren, seitdem geht es immer nur bergauf. Bis zu dieser Vorstellung in Karlsruhe am Samstag, den Kampf gegen den Italiener Giovanni De Carolis. Feigenbutz wird durch ein Fehlurteil zum Sieger gekürt, er behält seinen Interims-WM-Gürtel der WBA - und benimmt sich danach so daneben, dass ihn sogar die eigenen Fans ausbuhen. Es könnte ein prägender Moment in seiner jungen Karriere sein.

"Ich habe ihm tausend Jabs in die Fresse geballert, man sieht ja auch seine blauen Augen, von daher habe ich klar gewonnen", sagt Feigenbutz beim anschließenden Interview im Ring. Schon seit einigen Monaten versucht der Boxer, oder sein Management, oder beide zusammen, die Karriere auch mit harten Sprüchen zu beflügeln. Feigenbutz forderte Kämpfe gegen Arthur Abraham und Felix Sturm, in Karlsruhe wirkt er nun aber plötzlich völlig abgehoben. "Ich habe stärkere Sparringspartner als den Gegner heute", sagt er, die Halle pfeift schon, doch Feigenbutz führt fort: "Im Training stecke ich mehr ein, für mich hat der Typ klar verloren."

Alexander von der Groeben moderierte den Kampf für den übertragenden Sender Sat 1 und geht für gewöhnlich eher wohlwollend mit den deutschen Kämpfern um. Vor der Urteilsverkündung sagte er: "Es wäre eine Überraschung für mich, wenn Feigenbutz hier gewinnt." Auch Axel Schulz kommentierte: "Für mich lag er nach Punkten hinten. Er hat sich durchgeschummelt."

Feigenbutz selbst war schon in der ersten Runde zu Boden gegangen, ein rechter Haken hatte ihn voll erwischt. Seine Erklärung: Er sei nur weggerutscht. Er selbst hatte De Carolis nicht umhauen können. Die Erklärung: Er sei erkältet gewesen. "Wenn ich gesund bin", sagt Feigenbutz noch und fängt dann an zu brüllen, "dann mache ich ihn richtig platt!"

Den Tiefpunkt nach dem Kampf erreicht Feigenbutz, als er im Stile eines Straßenprüglers seinen Gegner provoziert. Der Italiener fordert aus dem Hintergrund einen Rückkampf, Feigenbutz herrscht ihn mit aggressiven Gesten an: "Was ist los? Komm her!" Nicht gerade ein Zeichen dafür, dass er Auseinandersetzungen abseits der Ringglocke auch verbal lösen könnte.

Wenige Momente später, als sich der Adrenalinspiegel gesenkt hat, geht es aber mit dem Niveau wieder nach oben. Als De Carolis ihm direkt gegenübersteht, ist er für Feigenbutz plötzlich ein "good man", er sei "the best fighter, also ... the best opponent". Der beste Kämpfer, der beste Gegner. Dann vereinbaren die beiden einen Rückkampf. Auf der Pressekonferenz hat sich dann Feigenbutz' Gemüt sogar noch weiter abgekühlt. "Ich muss mich bei Giovanni entschuldigen", sagt er, "das kam so proletenmäßig rüber, aber das bin ich nicht. Das war unter Adrenalin, das wollte ich nicht. Ich bin kein Idiot oder so."

Feigenbutz will gerne schon ein großer Boxer sein, er wartet auf die Chance, um einen WM-Titel boxen zu dürfen und damit der jüngste deutsche Weltmeister zu werden. Im Frühjahr will er gegen den Sieger aus dem Duell zwischen Fedor Chudinov und Felix Sturm antreten. Boxtrainer Ulli Wegner, der Arthur Abraham bei seinem Karriereende begleitet, meint: "Feigenbutz braucht noch zwei oder drei Jahre." Und: "Für die Laufbahn, und um ein Großer zu werden, war der Kampf aber sehr wertvoll." Nicht nur in sportlichen Belangen.

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