Boxen:Suche nach dem verlorenen Glanz

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Ismail Özen, 38, hat als Profi 17 von 19 Box-Kämpfen gewonnen. Sein Schwiegervater ist der langjährige Versandhausvorstand Michael Otto – der ihn aber nicht finanziere. (Foto: Chris Emil Janßen/imago)

2013 ging mit Universum ein Stück deutscher Boxgeschichte pleite. Nun kehrt das Team mit neuem Manager zurück.

Von Benedikt Warmbrunn, Hamburg/München

Die Geschichte des deutschen Boxens war immer auch eine von Brüderpaaren. Die Rocchigianis, die in den 1990ern den Aufschwung eingeleitet hatten. Die Klitschkos, die zur Jahrtausendwende die weltweite Szene nach Deutschland blicken ließen. Die Abrahams, von denen der jüngere (Alexander) von den Erfolgen des älteren (Arthur) profitieren sollte, es war in der Mitte des vergangenen Jahrzehnts ein erstes Zeichen dafür, wie verzweifelt die deutschen Manager versuchten, den Abschwung hinauszuzögern. In diesem Jahrzehnt prägten die deutsche Szene zuletzt die Sauerland-Brüder, keine Kämpfer mehr, sondern die neue Manager-Generation im Berliner Team Sauerland; sie hatten viele Ideen, sie hatten aber auch Probleme. Zuletzt war in Deutschland nur noch wenig von ihnen zu hören.

An diesem Samstag treten in Hamburg zwei weitere Brüderpaare auf einer Veranstaltung an, Artem und Robert Harutyunyan sowie Toni und James Kraft. Sie sollen, so sagt das ihr Manager Ismail Özen, das deutsche Boxen wiederbeleben, und eine der größten Marken der hiesigen Szene obendrein auch gleich noch: die Universum Box-Promotion.

Zwei Brüderpaare lässt Manager Ismail Özen boxen - doch diese sind eher lokale Größen

Universum, das klingt nach der reichen, sorglosen Vergangenheit des deutschen Boxens. Regina Halmich, beide Klitschko-Brüder (Vitali und Wladimir), einer der Rocchigiani-Brüder (Ralf), Dariusz Michalczewski, Felix Sturm, sie alle boxten für das Hamburger Team. Das ZDF übertrug zur besten Sendezeit, der Sender zahlte dafür dem Vernehmen nach 15 bis 20 Millionen Euro pro Jahr. Es waren gute Zeiten. Dann gingen die besten Boxer, es kamen Neue, die bald Weltmeister waren und doch in Deutschland weiter unbekannt. 2010 stieg das ZDF aus. Promoter Klaus-Peter Kohl übertrug die Rechte an den Unternehmer Waldemar Kluch, eine dieser schillernden Figuren der Branche, mit vielen Kontakten in vielen Bereichen, so genau wusste das keiner. Doch selbst Kluch konnte Universum nicht retten. 2013 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, es wurde bald wieder eingestellt, wegen mangelnder Erfolgsaussichten. Mit Universum ging auch ein Stück deutscher Boxgeschichte pleite. Sauerland, der große Rivale, hatte ein paar Jahre lang noch die ARD an seiner Seite, dann ging es zu Sat. 1, inzwischen ist Sauerland in der Nische verschwunden.

Die Rechte an Universum hat Kluch in all den Jahren weiter gehalten, bis vor drei Wochen. Dann, erzählt Özen, seien die beiden gemeinsam beim Notar gewesen, nun gehört Universum ihm, einem 38 Jahre alten Ex-Boxer, der 2012 selbst auf der letzten Veranstaltung des damaligen Universum-Teams angetreten war. Özen betreibt in Hamburg ein Gym, in dem am Samstag auch die Kämpfe stattfinden werden, er sagt: "Universum wird ein neues Gesicht bekommen. Mit neuen deutschen Talenten wollen wir wieder da hin, wie es in den 1990ern und den 200er Jahren war."

Özen sagt gerne auch ein paar knallige Sätze, die für Box-Manager zum Standardrepertoire zu gehören scheinen. Er sehe eine "große Lücke", die wolle er füllen, erst national, irgendwann in ganz Europa. Doch auf welchem Weg er dieses Ziel erreichen will, das erschließt sich nicht sofort. Artem Harutyunyan, 28, gewann 2016 Bronze bei den Sommerspielen, er ist der Boxer, auf den sich Özen zurzeit konzentriert. Doch Harutyunyan ist eine eher lokale Bekanntheit, er allein reicht nicht, um Universum wieder als Marke zu etablieren.

Özen ist verheiratet mit Janina Otto, der Tochter des langjährigen Vorstandsvorsitzenden der Otto Gruppe, Michael Otto, laut Forbes "der reichste Norddeutsche". Seinen Schwiegervater bezeichnet Özen als Berater, mit dem er über rechtliche Fragen spreche, auch über Konzepte. Ob Otto als Geldgeber hinter dem neu aufgelegten Universum stehe? Özen verneint entschieden. Seine Unabhängigkeit ist ihm wichtig. Stolz erzählt er, dass er den Sportartikelhersteller Fila als Partner gewonnen habe. Einen TV-Partner, der im Boxen meist den Großteil finanziert, habe er nicht; am Samstag seien aber die Sportchefs des ZDF eingeladen, "und wenn sie begeistert sind, dann führen wir weitere Gespräche", sagt Özen. Er sagt es so, als ob es ganz selbstverständlich sei, dass sie begeistert sein werden, auf seiner Suche nach dem verlorenen Glanz. Doch das Universum, wie Özen es denkt, ist eben auch eine Nummer kleiner als das Universum von Klaus-Peter Kohl.

"Das deutsche Boxen in Deutschland steht vor dem K.o.", sagt Özen noch, "bis zur achten Sekunde ist es schon angezählt worden." Der Kampf ist nicht vorbei, will Özen sagen, noch bleiben zwei Sekunden. Doch sein Projekt erschwert, dass derjenige, der nach der achten Sekunde nicht fest steht, vielleicht nicht ausgezählt, aber dennoch erst einmal durch den Ring torkeln wird.

© SZ vom 14.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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