Boxen: Klitschko gegen Johnson:Dominanz mit Schönheitsfehler

In einem zähen Kampf gelingt Vitali Klitschko kein Niederschlag gegen Kevin Johnson - dabei wollte Klitschkos Gegner gar nicht gewinnen.

Jürgen Schmieder, Bern

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In einem zähen Kampf dominiert Vitali Klitschko seinen Gegner Kevin Johnson - ein Niederschlag indes will ihm nicht gelingen. Am Ende gewinnt der Ukrainer nach Punkten - alle drei Ringrichter sahen ihn deutlich vorne. Die RundenkritikEinmarsch:Kevin Johnson kommt im Michael-Jackson-Shirt und zu den Klängen von Jacksons Hit "Man in the mirror" in den Ring. Neben ihm sein Trainer mit Sonnenbrille, Weihnachtsmannbart und Einbrechermütze. Vor dem Kampf hatte der Amerikaner getönt, Vitali Klitschko das Weihnachtsfest vermiesen und ihn in Rente schicken zu wollen. "Das wird kein Kampf, das wird eine Schlacht."Foto: Reuters

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Vor dem Kampf:Klitschko wird von Michael Buffer nur mit "It's time for the champion" angekündigt, dann ertönen die ersten Klänge von "Hells Bells" von AC/DC. Mit ernster Miene und ohne Michael-Jackson-Shirt schreitet er zum Ring - dafür weicht Bruder Wladimir nicht von seiner Seite. Die Zuschauer in der Berner Arena sind gespannt, welcher Vitali Klitschko sich ihnen präsentieren wird. Jener, dessen Knochen beim Kampf im März gegen Juan Carlos Gomez doch arg geknirscht hatten - oder jener, der vor der Auseinandersetzung mit Cris Arreola vor drei Monaten scheinbar in einen Jungbrunnen gefallen war?Foto: Reuters

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Runde eins:Beide Boxer beginnen verhalten, es wirkt eher wie ein Abpatschen als ein Abtasten. Johnson, inzwischen ohne Michael-Jackson-Shirt, lässt sich immer wieder in die Seile fallen, wobei seine Deckung nicht wie die eines Boxers aussieht, sondern wie die eines Jungen auf dem Schulhof, der sich gegen einen Älteren wehrt. Die Runde geht klar an Klitschko, der sich in der Rolle des Schulhof-Älteren zu gefallen scheint.Foto: Reuters

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Runde zwei:Dass Kevin Johnson kein Boxer ist, der seine Gegner K.O. schlägt, dass war bekannt. Dass er aber gar nicht schlägt, das konnte niemand ahnen. Johnson hält vielmehr seine Fäuste vor Kopf und Körper, um nur ja nicht getroffen zu werden. Klitschko dagegen wirkt konzentriert und fast genervt, als würde er sagen wollen: Nun wehr dich ein bisschen, damit wir den vielen Zuschauern eine gute Show bieten. Schon während dieser Runde wird klar: Einen Arzt würde Klitschko wohl nicht brauchen - wahrscheinlich nicht einmal jemanden zum Schweißabwischen.Foto: dpa

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Runde drei:Nun bewegt sich Johnson ein wenig flinker, wenn auch meist nach hinten. Er versucht tatsächlich, Klitschko mit ein paar Mätzchen zu provozieren und hält sich zumindest damit an die Abmachung, den vielen Zuschauern wenigstens eine gute Show zu bieten - wenn er schon keinen guten Kampf hinbekommt. Klitschko reagiert auf die Provokationen zunächst humorlos, allerdings gelingen dem Ukrainer nur wenige klare Treffer. Vielleicht ist auch das die Taktik des Amerikaners: die ersten Runden überstehen und in der zweiten Kampfhälfte angreifen.Foto: AP

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Runde vier:Klitschko wirkt in den ersten Runden erstaunlich behäbig, noch in der fünften Reihe hört man die Knochen des 38-Jährigen knirschen. Johnson setzt nun hin und wieder den Jab ein, der als einer der besten im Schwergewicht gilt - und schon hat Klitschko eine Schramme unter dem linken Auge. Zwischenfrage: Kämpft Klitschko deshalb derart zurückhaltend, weil es nicht besser geht - oder weil es noch Werbeinseln bei RTL gibt, die versendet werden müssen? Johnson nutzt die Zeit, um auf Klitschko einzureden und ihn zu provozieren.Foto: Reuters

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Runde fünf:Kevin Johnson setzt seinen linken Jab nun häufiger und gefährlicher ein, meist in Richtung des lädierten Auges von Klitschko. Die Aktionen von Klitschko bleiben durchschaubar, er durchbricht nur selten die Deckung des Amerikaners und kann kaum klare Treffer landen. Er bewegt sich zwar unentwegt nach vorne, bleibt jedoch unentschlossen - das kreative Moment fehlt, der kräftige Schlag, die überraschende Kombination.Foto: dpa

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Runde sechs:Das Publikum feuert Klitschko nun lautstark an - und es hat den Anschein, als habe der nur auf einen Weckruf wie diesen gewartet. Er marschiert nach vorne und landet klare Treffer. Das Fazit zur Kampfmitte: Beide Boxer haben unterschiedliche Ziele für diesen Abend. Johnson will mit allen Mitteln versuchen, die zwölf Runden zu überstehen und den Ring auf eigenen Beinen zu verlassen - Klitschko hatte vor dem Kampf gesagt, dass er von einem Niederschlag ausgehe. In der Rundenpause ist Klitschkos Trainer Fritz Szdunek am Motzen und Gestikulieren; der Trainer von Johnson - der mit Sonnenbrille, Weihnachtsmannbart und Einbrechermütze - lobt seinen Schützling und gibt ihm einen Klaps. Das zeigt deutlich, wer seinem Ziel zu diesem Zeitpunkt näher ist.Foto: dpa

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Runde sieben:Der Kollege des amerikanischen TV-Senders HBO nennt es "negative tactic", was Kevin Johnson da veranstaltet. Der Amerikaner wehrt nur ab und setzt seinen Jab so oft ein, wie andere Boxer die Schlaghand verwenden - also nur drei Mal pro Runde. Dafür gibt es Mätzchen und Sprüche und eine herausgestreckte Zunge - fehlt nur noch, dass sich Johnson in der Rundenpause sein Michael-Jackson-Shirt überzieht. Klitschko tut sich immer noch schwer mit dieser "negative tactic".Foto: Reuters

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Runde acht:Klitschko blickt immer genervter drein, als würde Kevin Johnson bei seinen Provokationen immer wieder den Namen "David Haye" sagen - das ist Klitschkos Erzfeind im Schwergewicht. Klitschkos Treffer werden deutlicher, zeigen jedoch noch wenig Wirkung. Noch drei Werbeinseln bis zur zwölften Runde. In der Rundenpause wird das Urteil der drei Punktrichter verkündet. Die Überraschung des Abends: Einer der Richter sieht tatsächlich den Amerikaner in einer Runde vorne.Foto: dpa

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Runde neun:Klitschko springt auf seinen Gegner zu, er weiß: Wer einen Gegner derart dominiert, der sollte ihn auch auf die Bretter schicken und den Kampf vorzeitig beenden. Das Publikum in Bern wird ungeduldig und fordert klare Treffer von Klitschko - doch der Ukrainer kommt der Aufforderung nur selten nach. Der Kampf wirkt wie das Bundesligaspiel zwischen dem FC Bayern und dem FC Köln vor wenigen Wochen, als die Kölner nur ja kein Gegentor bekommen wollten und der FC Bayern kein Mittel fand, einen Treffer zu erzielen.Foto: Reuters

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Runde zehn:Weil sportlich immer noch nicht besonders viel passiert, folgt nun eine kleine Aufzählung der Mätzchen, die Kevin Johnson während des Kampfes so abzieht: Er deutet auf sein Kinn und schüttelt den Kopf, er streckt die Zunge heraus, er wedelt mit den Armen vor seinem Körper herum, er lässt sich in die Ringseile fallen. Klitschko bleibt seiner Linie treu und kämpf weiterhin zurückhaltend.Foto: AFP

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Runde elf: Die rechte Hand hat Johnson wohl nur, um seinen Kopf zu schützen - geschlagen hat er damit noch nicht. Unbeholfen wedelt er mit der Rechten herum, um die nun wieder zahlreicheren Schlagversuche von Klitschko abzuwehren. Dieser schlägt auf Johnson ein, er prügelt, hämmert, wischt, schubst - aber dieser Amerikaner will sich nicht auf den Boden legen und findet am Ende der Runde sogar noch die Kraft, Klitschko weiter zu provozieren. Nun wird es hektisch, auch nach dem Gong wollen die beiden aufeinander losgehen. Man ist versucht zu brüllen: Lasst sie weitermachen, während der Runde ist nicht so viel passiert! Foto: AP

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Runde zwölf:Es wird klar, dass Klitschko diesen Abend nur dann als gelungen bezeichnen will, wenn es ein K.O gibt. Klitschko provoziert, indem er seine Faust nach oben reckt. Johnson kontert mit leichten Schlägen gegen sein eigenes Kinn. Man hat den Eindruck, als würde der mit dem besseren Mätzchen gewinnen. Dann wird wieder geboxt: Klitschko versucht alles, den Kampf zu beenden - doch er schafft es nicht. Als der Gong ertönt, gehen beide wieder aufeinander los und wieder hofft man, der Ringrichter würde nicht eingreifen.Foto: Reuters

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Urteil:Vitali Klitschko wird zum eindeutigen Sieger erklärt, zwei Ringrichter sehen ihn in allen zwölf Runden vorne. Dennoch blickt Klitschko mürrisch drein, während Johnson mit seinem Trainer abklatscht. Der Amerikaner hat sein Ziel erreicht - und das war nicht "gewinnen", sondern "nicht umfallen". Nach dem Kampf tönt Johnson, der aufgrund einer Verletzung am Ellenbogen behandelt werden muss: "Alle großen Champions haben ein Mal verloren. Ich komme zurück." Der Konter Klitschkos: "Ich bin enttäuscht, dass ich ihn nicht ausgeknockt habe."Foto: ReutersText: jusc/jobr

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