Boxen im Fernsehen:Neuer Schwung für die Glotze

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Arthur Abraham und der Brite Paul Smith geben sich alle Mühe, fürs Spektakel böse drein zu schauen. (Foto: AP)

Insolvenzen, Langeweile, fehlende Helden: Hinter dem deutschen Profiboxen liegen schwere Jahre. Mit innovativen Konzepten will Kalle Sauerland die einst populäre Fernsehsportart jetzt wiederbeleben - an diesem Abend steigt ein erster Test mit Arthur Abraham.

Von Benedikt Warmbrunn, Berlin

Kalle Sauerland spricht gerade oft von einer Reise, und angefangen hat sie in den riesigen Händen eines Mannes, den sie The Beast gerufen haben. London Anfang der Achtzigerjahre, Wilfried Sauerland, Kalles Vater, startet seine Karriere als einer der wichtigsten Boxpromoter der Welt, er bewegt sich bald wie selbstverständlich zwischen all den britischen Boxern, Trainern, Managern, jeden Sonntag gehen sie gemeinsam essen. Und wenn die Eltern ins Theater gehen, kommt The Beast. John Mugabi, ein junger Boxer aus Uganda, später Weltmeister im Halbmittelgewicht. Der Babysitter.

Mugabis riesige Hände haben Kalle Sauerland nicht nur in den Schlaf gewogen, sie schaukelten ihn auch tief hinein in eine Welt, die Sauerland selbst als "mysteriös" bezeichnet. Eine Welt, in der er viele Freunde gefunden hat. Eine Welt, dessen Zukunft in Deutschland er dreieinhalb Jahrzehnte später sichern soll. Die Boxwelt.

Deswegen also: eine lange Reise.

Hinter dem deutschen Profiboxen liegen schwere Jahre. 2012 meldete die Universum Box-Promotion, einst der große Rivale der Sauerlands, Insolvenz an. 2013 beendete Vitali Klitschko seine Karriere. Und auch das Team Sauerland hatte zu kämpfen, mit trägen Auftritten von Boxern wie Arthur Abraham, mit langweiligen Ansetzungen, mit umstrittenen Urteilen. Im vergangenen September beendete die ARD die Zusammenarbeit, nach 13 Jahren.

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Wladimir Klitschko will gegen seinen Stalker Shannon Briggs kämpfen. Japan zieht beim Asien Cup ohne Gegentor ins Viertelfinale ein. Sebastian Kehl fehlt dem BVB vier Wochen lang.

Das Ende kommt, sagten die Konkurrenz damals, Anfang September. Mitte Februar sagt Kalle Sauerland: "Es war das perfekte Timing."

Wenigen Wochen nach dem ARD-Aus verkündete Sauerland einen neuen Partner: Sat 1. Das Boxteam und der Münchner Fernsehsender schwärmen seitdem viel übereinander, müssen sie auch, es geht ja darum, einer Fernsehsportart neuen Schwung zu verleihen. Kalle Sauerland sagt also: "Wir haben jetzt eine jüngere Zielgruppe. Da müssen wir neue Konzepte bringen. Das ist Pflicht. Das gefällt mir."

Kalle Sauerland arbeitete erst als Sportrechtevermarkter in England, mit einem Schwerpunkt im Fußball. Den Kontakt zur Boxszene verlor er dennoch nie, langsam arbeitete er sich auch in das Geschäft seines Vaters ein. 2005 wurde er erstmals Manager eines Boxers, von Alexander Powetkin, dem russischen Olympiasieger im Schwergewicht von 2004. Zwei Jahre später veranstaltete er erstmals einen Boxabend.

Inzwischen leitet er als Promoter das Team Sauerland in Deutschland, sein Bruder Nisse kümmert sich um das Geschäft in England und Dänemark, Vater Wilfried berät. Und 2009 fiel Kalle Sauerland erstmals auf als einer, der bereit ist, neue Wege zu gehen. Auf dem Sofa entwickelte er gemeinsam mit seiner Frau die Idee zu einem Turnier im Supermittelgewicht: drei Europäer, drei Amerikaner, der Gewinner sollte anerkannt werden als der beste Boxer der Gewichtsklasse.

Eine einfache Idee. Und doch eine, die überraschend kam in einer Branche, in der es mehr Weltmeister als Verbände gibt. Das Turnier zog sich dann zwar hin, Verletzungen, Verhandlungen, es bleibt eine mysteriöse Welt. Aber: "Wir müssen Konzepte liefern, die die Leute verstehen", sagt Sauerland. "Es muss Klarheit geben: Wo geht die Reise hin. Das gefällt mir am Turnierformat so gut: Man sieht den Kampf und weiß, wie es weitergeht. Ansonsten ist Boxen ja oft ein Machen hinter den Kulissen."

An diesem Samstag verteidigt Abraham, inzwischen 35, in Berlin seinen WM-Titel im Mittelgewicht gegen den Briten Paul Smith, es ist der erste Sauerland-Kampf, den der neue Fernsehpartner überträgt. Fünf weitere sollen in diesem Jahr folgen, dazu zwei im Bezahlfernsehen. Die Konzepte entstehen erst, weil Sauerlands Boxer nun bei dem Sender zu sehen sind, der auch mit dem Magdeburger SES-Boxteam und mit Felix Sturm, der sich selbst promotet, einen Vertrag hat.

"Konzepte liefern, die die Leute verstehen": Kalle Sauerland (links) mit seinem Vater Wilfried. (Foto: Mausolf/imago)

Sollte Abraham gegen Smith gewinnen, kommt es im Mai wohl zu einem vierten Duell mit dem SES-Boxer Robert Stieglitz - der Gewinner wiederum kämpft im Herbst gegen Sturm. Ob das auch als erneutes Turnier im Supermittelgewicht denkbar wäre? Sauerland sagt: "Es reizt mich, es interessiert mich."

Nachgedacht hatte Sauerland auch über ein Turnier im Schwergewicht, er hat es verschoben. Solange Wladimir Klitschko boxt, wäre der Gewinner nicht der beste Mann der Gewichtsklasse. Also eher erst 2017. Stattdessen will Sauerland ein Modell aus England übernehmen: Mehrere Boxer treten an einem Abend in kurzen Kämpfen gegeneinander an, am Ende gibt es einen Turniersieger. Ein Boxer, an den Sauerland dabei denkt, ist Vincent Feigenbutz, 19 Jahre alt, 19 Kämpfe, 18 gewonnen, 17 durch einen Knockout.

Er zählt zu den zehn jungen Boxern, die Sauerland bekannt machen will. Abraham oder Jürgen Brähmer, Weltmeister im Halbschwergewicht, sollen den Weg in die Zukunft anstoßen, doch eigentlich konzentriert sich Sauerland auf die jungen Boxer. "Vor zwei Jahren haben wir eine Generation verpasst", sagt er, "jetzt weißt du genau: Einer oder zwei werden es bis ganz oben schaffen."

Zunächst werden ihre Kämpfe im Internet übertragen, bald sollen in einer Talkshow Experten ihren Weg begleiten. Sauerland will zudem mit Eddie Hearn, dem Promoter von Abraham-Gegner Smith, kooperieren, seine Kämpfer sollen auch in England antreten und Fans in ganz Europa gewinnen. "In fünf Jahren wird die Boxwelt hier ganz anders aussehen", sagt Sauerland. Boxen als Fernsehsport werde es in Deutschland noch lange geben, zumindest er selbst glaubt ganz fest daran.

Wie lange? Sauerland weiß es nicht. Aber seine Söhne sind jetzt 15 und sechs Jahre alt. Und auch bei ihnen Zuhause waren schon die Männer mit den riesigen Händen.

© SZ vom 21.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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