Boxen: David Haye:"Die Klitschkos sind Bruder und Schwester"

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Szene-Großmaul und Weltmeister David Haye über einen Klitschko-Kampf, die Tyson-Nachfolge und die Lust an der Provokation.

Jürgen Schmieder

Binnen zwei Wochen kommt es im Box-Schwergewicht zu zwei wichtigen Kämpfen. An diesem Wochenende trifft Wladimir Klitschko in Düsseldorf auf Eddie Chambers, am 3. April steigt in Manchester die Auseinandersetzung zwischen David Haye und John Ruiz. Der Brite Haye gilt als untypischer Schwergewichtsboxer, weil er deutlich drahtiger als die meisten seiner Konkurrenten ist, als Sprücheklopfer - und als möglicher Gegner einer der beiden Klitschkos in der zweiten Jahreshälfte. Er ist Cruisergewichtsweltmeister der Verbände WBA, WBC und WBO und seit seinem Sieg gegen Nikolaj Walujew im November 2009 Weltmeister der WBA im Schwergewicht. sueddeutsche.de traf den 29-Jährigen in München zum Interview.

sueddeutsche.de: Mister Haye, viele sehen Ihren Kampf am 3. April gegen John Ruiz nur als Aufwärmübung für eine Titelvereinigung gegen einen der Klitschkos. Sie auch?

Haye: John Ruiz gehört zu den besten Boxern der Welt. Er kann auf die Erfahrung aus 53 Kämpfen bauen, er war zwei Mal Weltmeister. Es ist gewiss nicht einfach, ihn zu besiegen, geschweige denn K. o. zu schlagen. Ich erwarte, dass er beim Kampf in der Form seines Lebens ist.

sueddeutsche.de: Die verbale Vorbereitung hat bereits begonnen, Ruiz bezeichnete Ihren Stil als langweilig ...

Haye: Was? Das ist lustig! Ich habe 24 Kämpfe bestritten, 21 davon durch K. o. gewonnen. Das kann Ruiz nicht vorweisen, er soll lieber mal seine eigenen Kämpfe ansehen.

sueddeutsche.de: Sie bezeichneten Nikolai Walujew als Ork, zeigten die Klitschkos mit abgerissenem Kopf. Was ist Ihr Spitzname für Ruiz?

Haye: ( überlegt) Ich würde ihn Schneemann nennen.

sueddeutsche.de: Warum?

Haye: Er sieht aus wie ein Schneemann, er bewegt sich wie ein Schneemann - und wenn ich ihn treffe, dann wird er dahinschmelzen wie einer.

sueddeutsche.de: Schöner Vergleich, die Klitschko-Brüder ...

Haye: Warum Brüder? Ich sehe sie eher wie Bruder und Schwester. Sie entscheiden, welcher von beiden wer ist.

sueddeutsche.de: Sie lieben dieses Gedöns vor Kämpfen, oder?

Haye: Ich nehme das Leben nicht allzu ernst. Ich bin ein ziemlich ausgeglichener Mensch, ich bin aber auch ein Entertainer, der gerne mal einen Spaß macht. Es gibt Leute, die lieben mich - und es gibt Menschen, die halten mich für einen verdammten Idioten. Das gefällt mir, weil sowohl die einen als auch die anderen sehen wollen, wie ich boxe. Kein Mensch will einen Kampf sehen zwischen zwei Boxern, für die man sich nicht interessiert. Es gibt viel zu viele langweilige Boxer.

sueddeutsche.de: In der Vergangenheit war das anders?

Haye: Es gab Lennox Lewis, Evander Holyfield, Larry Holmes, Mike Tyson - das waren großartige Athleten, das wären schöne Kämpfe für mich gewesen. Ich wünschte, es gäbe heutzutage mehr dieser Boxer. Aber die sind nun mal weg, das ist nicht mein Fehler. Ich bin gegen Walujew, den größten und schwersten Weltmeister aller Zeiten, angetreten und habe ihn besiegt.

Auf der nächsten Seite: David Haye über die Frage, ob er sich schon als Nachfolger Mike Tysons sieht - und die Chancen von Nikolaj Walujew gegen Vitali Klitschko.

sueddeutsche.de: Sehen Sie sich denn schon auf Augenhöhe mit Lewis oder Holyfield?

Haye: Da habe ich noch einen weiten Weg vor mir. Das sind die Besten aller Zeiten, ich bin gerade erst Weltmeister geworden. Da habe ich noch einiges zu tun, um in diese Schuhe zu passen.

sueddeutsche.de: Sehen Sie denn - abgesehen von den Klitschkos - Kämpfer im Schwergewicht, mit denen zu rechnen ist?

Haye: Der Einzige ist meiner Meinung nach Tomasz Adamek. Er ist ein phantastischer Boxer, hat große Kämpfe geliefert. Wie ich kommt er aus dem Cruisergewicht, hat nun Gewicht zugelegt und sich bewiesen. Ich glaube, dass er bald an die Tür klopfen wird.

sueddeutsche.de: Beleben diese Wechsel vieler Boxer aus dem Cruisergewicht das Schwergewicht?

Haye: Es wird interessanter. Kleinere Jungs wie ich boxen explosiver, wir schlagen öfter und schneller. Die Boxer, die das Schwergewicht in den vergangenen Jahren dominierten, sind viel langsamer und behäbiger, man sieht jeden Schlag und kann ihn blocken. Die Kämpfe waren nicht interessant. Bei uns geht es: Bamm, bamm, bamm. Sehen Sie doch nur, mit wie vielen langsamen Boxern Nikolaj Walujew im Ring stand - keiner konnte ihm weh tun. Und dann kommt ein schneller Typ wie ich und in der letzten Runde steht er auf wackligen Beinen.

sueddeutsche.de: Der Kampf gegen Ruiz wird anders verlaufen, er ist kleiner als Walujew, beweglicher, boxt mit schnelleren Schlägen. Müssen Sie sich anders vorbereiten?

Haye: Ruiz schlägt nicht so hart wie Walujew, also muss ich nicht davonlaufen und ausweichen. Ich kann offensiver und explosiver boxen, das liegt mir ohnehin mehr. Ich glaube, dass es ein interessanter Kampf wird.

sueddeutsche.de: Walujew wird nun wohl gegen Vitali Klitschko antreten. Sehen Sie eine Chance für ihn?

Haye: Walujew ist nicht so schlecht, wie ich ihn habe aussehen lassen. Vitali dagegen muss zum ersten Mal in seiner Karriere gegen einen antreten, der viel größer und schwerer ist als er. Zum ersten Mal hat er in diesem Punkt einen Nachteil - und Vitali ist nicht so schnell und beweglich, wie ich es bin. Deshalb glaube ich, dass Walujew durchaus gewinnen kann.

sueddeutsche.de: Dann gäbe es wohl einen Rückkampf gegen Walujew anstatt eine Begegnung mit Vitali Klitschko.

Haye: Das ist gut möglich, ja.

sueddeutsche.de: Hat sich für Sie etwas verändert, seit Sie Weltmeister sind?

Haye: Die Leute kennen mich jetzt - und respektieren meine Leistung. Wer den Kampf gegen Walujew gesehen hat, der hat erkannt, dass ich der neue Mann im Schwergewicht bin. Und nach dem Ruiz-Kampf werden das noch mehr Leute anerkennen.

sueddeutsche.de: Das erleichtert natürlich auch die Verhandlungen ...

Haye: Ich bekomme jetzt das, was ich für fair halte. Ich erzähle Ihnen mal was: Als ich mit den Klitschkos am Tisch saß, hieß es: 'Du hast nichts, Du bringst keinen Titel mit, Du bekommst hier einen Gefallen.' Jetzt bin ich ebenfalls Weltmeister, wir begegnen uns auf Augenhöhe, jetzt kann ich den gleichen Anteil verlangen. Ich muss mich nicht mehr auf einen schlechten Deal einlassen, ich kann Bedingungen stellen.

sueddeutsche.de: Welche wären das für einen möglichen Kampf gegen einen der Klitschkos?

Haye: Ich glaube, dass in Großbritannien eine Menge Leute auf diesen Kampf warten und gutes Geld dafür bezahlen würden. Es wäre ein Superfight, vielleicht sogar in Wembley! Wenn er zustande kommt, dann wird er definitiv in England stattfinden!

sueddeutsche.de: Sie haben vor Jahren verkündet, im Alter von 30 Jahren Ihre Karriere zu beenden. Jetzt sind Sie 29 ...

Haye: Es ging mir um die Ziele, die ich erreichen kann. Ich will nicht einfach nur im Ring stehen. Derzeit gibt es noch Dinge, die ich erreichen will. Also werde ich noch eine Weile da sein. Wie lange noch? Keine Ahnung.

sueddeutsche.de: Und dann? Manche prognostizieren eine Hollywood-Karriere.

Haye: Hollywood? Klar, ich könnte es mit Hollywood aufnehmen. Kein Problem.

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