Boxen:Atemlos

Lesezeit: 2 min

Die US-Amerikanerin Claressa Shields bezwingt in Atlantic City die Deutsche Christina Hammer und vereint nun alle großen Box-WM-Titel.

Von Benedikt Warmbrunn, Atlantic City/München

Christina Hammer blickte nach unten, sie wusste, dass sie jetzt nur noch der letzte Notplan retten konnte. Es lief die achte Runde, in ihrem Rücken hatte Hammer die Ringseile, vor sich ihre Gegnerin, die sie nun, mit dem Kopf nach unten, nicht mehr sehen konnte. Aber sie spürte sie. Immer kleiner wurde Hammer zwischen den Ringseilen im Rücken und den Faustschlägen, die auf ihren Oberkörper und ihr Gesicht einklopften. Claressa Shields schlug mit der rechten Faust auf Hammers Schulter, gleich noch ein zweites Mal, sie schlug mit der linken Faust ins Gesicht, noch mal jede Faust ins Gesicht, eine harte rechte, eine linker Haken ans Kinn, ein rechter an die Schläfe. So schnell traf Shields, dass selbst Hammers Notfallplan nicht klappte. Sie wollte ihren Mundschutz ausspucken, um die Ringrichterin zu einer kleinen Pause zu zwingen. Christina Hammer wollte einfach nur durchschnaufen.

Doch Shields schlug so schnell, dass Hammer nicht einmal den Mundschutz ausspucken konnte.

Irgendwie drückte Hammer den Mundschutz mit der Aufschrift "f..k Shields" dann doch auf den Boden, sie zeigte verzweifelt nach unten, doch immer noch ging alles zu schnell. Shields traf mit zwei weiteren Fäusten. Dann erst unterbrach die Ringrichterin. Der provokante Mundschutz lag am Boden, fast vergessen.

Claressa Shields, 24, aus Flint/Michigan, besiegte in der Nacht auf Sonntag in Atlantic City einstimmig (98:92, 98:91, 98:91) die Dortmunderin Christina Hammer, 28. Shields hat damit die WM-Gürtel aller großen Weltverbände im Mittelgewicht vereint, sie ist nun unbestritten die gegenwärtig beste Boxerin über alle Gewichtsklassen hinweg. Sie hatte sich ihrer stärksten Konkurrentin gestellt. Und sie hatte sie deklassiert. "Ich bin die größte Frau aller Zeiten", sagte Shields später, und es war nicht ganz sicher, ob sie sich dabei tatsächlich nur auf die Frauen aus dem Profiboxen beschränkte, so berauscht war sie von ihrem eigenen Auftritt.

Hammer ging in den Kampf, als diejenige, die Vorteile aus der Distanz hat, mit ihren längeren Armen. Doch dieser Vorteil zählte nur in der ersten Runde, in der Shields noch abwartete. "Da habe ich noch kalkuliert", sagte Shields. "Dann erst habe ich losgelegt."

In ihren vorherigen Kämpfen hat sich Shields gerne in ihre Gegnerin hineingewühlt. Gegen Hammer aber rannte sie nicht blind nach vorne. Sie tauchte ab. Sie pendelte. Sie schlich sich Schritt für Schritt heran. Und dann stand sie auf einmal wieder vor Hammer und traf und traf und traf. 112 ihrer 387 Schläge landeten dort, wo sie landen sollten. Bei Hammer nur 49 von 366 Schlägen. "Sie ist eine harte, starke Frau, und das ist alles, was ich sagen kann", sagte Hammer, um dann doch noch zu sagen: "Sie ist schnell, sie kommt nach vorne, und sie hat schnelle Hände." Christina Hammer klang so, als ob sie immer noch darauf wartete, schnaufen zu dürfen.

© SZ vom 15.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: