Borussia Mönchengladbach:Witz ohne Pointe

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Am Tag darauf kam die Teil-Entwarnung: Gladbachs Lars Stindl ist offenbar weniger schwer verletzt als zunächst befürchtet. (Foto: Jan Huebner/imago)

Viel Lob, aber zu wenig Ertrag: Das fatale Hoffenheimer Muster zeigt sich auch beim 0:0 gegen Gladbach. Die Borussen müssen Verletzungen verkraften.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Am Barton Square in Manchester werden alte Fußballtrikots verkauft. Wer sucht, findet in diesem Geschäft auf zwei Stockwerken Trikots aus aller Welt und allen Epochen. Aus aktuellem Anlass stellten die Betreiber vorige Woche dort auch ein Textil der TSG Hoffenheim aus, das Auswärtstrikot der Badener aus der Saison 2011 (!) war dort für 23 Pfund zu haben. Die Hoffenheimer verabschiedeten sich ja am vergangenen Mittwoch mit einem 1:2 bei Manchester City von dem bisher größten Abenteuer ihrer Vereinsgeschichte.

Als Trost gab es viel Lob für die starken Offensivauftritte des Königsklassen-Neulings. Viel Lob, aber zu wenig Ertrag: Das ist auch in der Liga die bislang nervende Überschrift für die Hoffenheimer. Am Wochenende nun ärgerten sie sich über ein 0:0 gegen den Tabellenzweiten Borussia Mönchengladbach. Das Ergebnis war aus TSG-Sicht ein schlechter Witz. In der Statistik stehen 25:4 Torschüsse für Hoffenheim. Keine Mannschaft der Liga spielt sich mehr Torchancen heraus, aber keine vergibt auch so viele. "Wir haben die heute komplett auseinandergeschraubt, aber das Tor war wie verhext, das Ding wollte einfach nicht rein", klagte Abwehrspieler Ermin Bicakcic. Und TSG-Trainer Julian Nagelsmann sprach hinterher sogar von der "vielleicht besten Leistung in meiner Amtszeit". Das klang übertrieben, angesichts seiner bisherigen Erfolge: Rettung vor dem Abstieg, und danach Platz drei und Platz vier in der Liga, die erstmals Spiele in der Europa- und Champions-League für den Klub bedeuteten.

"Es ist nicht immer nur Pech, der Ball muss halt auch mal rein", sagt Julian Nagelsmann

"Es ist aber nicht immer nur Pech, der Ball muss halt auch mal rein", brummte Nagelsmann. Allerdings hatte der Trainer in der Schlussphase dieses Spiels auch sehenden Auges auf einen seiner torgefährlichsten Spieler verzichtet. Nagelsmann hatte Andrej Kramaric nach 63 Minuten ausgewechselt, was dem Angreifer keineswegs gefiel: "Ich bin richtig enttäuscht und sehr sauer", sagte der Kroate, als er später seinen Rollkoffer auffallend langsam durch die Mixed Zone schob. Es war nicht zu übersehen, dass er unbedingt von den Reportern angesprochen werden wollte, um Folgendes mitzuteilen: Er fühle sich einer "einmaligen Chance" beraubt, sagte Kramaric, "so eine Serie haben nur Messi oder Ronaldo erreicht. Das ist außergewöhnlich, weil beide übermenschlich sind". Kramaric wollte unbedingt auch im zehnten Pflichtspiel in Serie ein Tor erzielen. "Ich hätte mich auch mit gebrochenem Bein neben das Tor gestellt und auf den Ball gewartet", sagte er. Nagelsmann hatte die Superserie seines Stürmers aber ebenso wenig auf dem Schirm wie die Rekorde von Messi und Ronaldo. Der Trainer entschuldigte sich nach dem Spiel. Richtig Lust auf baldige Duelle mit Messi und Ronaldo hat derweil auch die Borussia wieder gewonnen, die Gladbacher haben ja eine große Tradition in Europa. Im Geschäft am Barton Square in Manchester gibt es ein Trikot der "Fohlen" aus dem Jahr 1977, damals verloren die Gladbacher das Finale des Landesmeister-Wettbewerbs in Rom gegen Liverpool (1:3). Der Punkt in Hoffenheim könnte noch sehr wichtig werden auf dem Weg in die Champions League der Neuzeit. Aber dieser Punkt, das gab Trainer Dieter Hecking später gerne zu, war ein "sehr, sehr glücklicher". Sein Mittelfeldspieler Florian Neuhaus sagte es so: "Das Ergebnis ist das Beste an diesem Spiel." Für die schwache Leistung spendete wenigstens der Punktgewinn Trost, nicht aber für die Verletzungen von Kapitän Lars Stindl und Raffael. Der Brasilianer wurde wegen eines Schlüsselbeinbruchs bereits operiert und wird einige Wochen fehlen, Stindl erlitt eine Innenband- und Kapselverletzung am linken Sprunggelenk, die ihn aber wohl zu keiner größeren Pause zwingen wird. Vermutlich wird er sogar vor Weihnachten noch spielen können. Nach Angaben der Borussia ist sogar ein Einsatz am Dienstag gegen Nürnberg nicht ausgeschlossen.

"Die Verletzungen trüben unsere Freude über den Punkt aber extrem", sagte Hecking - zumal in Sinsheim schon Ginter, Hofmann, Kramer und Jantschke gefehlt hatten. Jantschke hatte sich im Abschlusstraining verletzt, für ihn verteidigte der 18 Jahre junge Louis Beyer. Das Talent kam zu Saisonbeginn drei Mal als Rechtsverteidiger zum Einsatz, nun erstmals als Innenverteidiger. Beyer war einer der wenigen Lichtblicke der insgesamt eher graumäusig auftretenden Gladbacher. Hecking lobte seinen jungen Verteidiger: "Er war überragend. Ich habe gesehen, dass ich eine Alternative mehr im Kader habe, der ich vertrauen kann - das ist ja immer gut."

Die Gladbacher schleppen sich eher ins Vorrundenfinale, in dem das Heimspiel gegen Nürnberg am Dienstag die Möglichkeit bietet, die "tolle Vorrunde zu krönen" (Hecking). Zum Abschluss geht es dann zum Spitzenspiel nach Dortmund. Auffällig bleibt bei den Gladbachern die Diskrepanz zwischen Heim- und Auswärtsstatistik: Zuhause gewann die Borussia alle sieben Spiele, auswärts holte sie in acht Partien nur neun Zähler. Und der in Hoffenheim war ein Geschenk der Gastgeber.

© SZ vom 17.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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