Borussia Mönchengladbach:Störungen in der Zentrale

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Dirigent ohne Einsatz: Weil der hochbegabte Mahmoud Dahoud noch nicht an seine hervorragende Form der vergangenen Saison hat anknüpfen können, sitzt er unter Trainer André Schubert häufig bloß auf der Bank. (Foto: Chai v.d. Laage/Imago)

Der Klub sorgt sich gerade um sein größtes Talent seit Günter Netzer: Vom europaweit begehrten Mittelfeldspieler Mahmoud Dahoud, 20, ist in dieser Saison bislang wenig zu sehen.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Auf große Investitionen macht man sich in der Fußballbranche gerne einen Reim. Steine oder Beine?, lautet eine Frage, die darauf abzielt, ob ein Klub lieber in die Infrastruktur investiert oder in Spieler. Bei Borussia Mönchengladbach haben sie soeben die Details für einen Neubau präsentiert, der neben Arztpraxen, Fanshop und Vereinsmuseum auch 131 Hotelzimmer in grün-weißem Klub-Interieur erhält. 31 Millionen Euro kostet das Vorhaben. Zugleich mehren sich Gerüchte, die Borussia werde ihr Jahrhunderttalent Mahmoud Dahoud kaum halten können, weil der FC Liverpool und Borussia Dortmund bereits im finalen Stadium eines Bieterstreits stünden. Ginge es nur ums Geld, könnte Gladbach den 20 Jahre alten Syrer mit deutschem Pass trotz des Neubaus sicher halten; allerdings hat Dahoud als eines der begehrtesten europäischen Talente wohl höhere Ziele - und die Borussia seine Zukunft nicht mehr alleine in der Hand.

Im Borussia-Park rätseln sie, ob ihm nicht irgendein Klub Flausen in den Kopf gesetzt hat

Jüngste Spekulationen, Dortmund biete den Gladbachern bereits in dieser Winterpause für Dahoud 15 Millionen Euro sowie den Mittelfeldspieler Nuri Sahin, kennt Gladbachs Manager Max Eberl selbst nur aus der Presse. "Ich schmunzle über so was", sagt Eberl. Er schließt Dahouds Fortgang im Winter - "Stand jetzt" - aus, aber wie lange der hochbegabte Mittelfeldmann trotz eines bis 2018 gültigen Vertrags in Mönchengladbach bleibt, kann auch Eberl nicht gewiss voraussagen. Er würde Dahouds Vertrag lieber heute als morgen verlängern, doch dessen Berater Reza Fazeli hat Zeit - und nimmt sie sich.

Es gibt zurzeit offenbar keine Anfragen von anderen Klubs, aber es gibt dem Vernehmen nach eine nicht ganz unkompliziert konstruierte Ausstiegsklausel für den kommenden Sommer. Dahoud wird längst intensiv beobachtet, auch Juventus Turin und Pep Guardiolas Manchester City sollen Interesse haben und regelmäßig Beobachter in den Borussia-Park schicken. Doch dort ist Dahoud in dieser Saison bislang deutlich seltener zu sehen.

Mit dem 24 Jahre alten Schweizer Granit Xhaka hat Dahoud in der vergangenen Saison die jüngste Doppel-Sechs der Bundesliga gebildet. Dann wechselte Xhaka zum FC Arsenal nach London, und alle dachten, nun werde Dahoud der unbestrittene Chef im Mittelfeld des Gladbacher Champions-League-Teams. Aber es kam anders. Dahoud ist momentan nur Ergänzungsspieler. Er ist in den bislang 18 Gladbacher Pflichtspielen dieser Saison nur auf zehn Einsätze gekommen, davon acht in der Startelf. In der vergangenen Spielzeit stand er in 41 von 43 Pflichtpartien auf dem Feld, davon 33 Mal in der Startelf. Dabei sind relevante Werte von Dahoud genauso gut wie in der vergangenen Saison. Er läuft wieder enorme 140 Meter pro Minute, hat im Schnitt etwa einen Ballkontakt pro Minute und ist mit 0,6 erfolgreichen Pässen pro Minute sogar ein bisschen besser als in der vergangenen Spielzeit. Allerdings unterlaufen ihm auch etwa 50 Prozent mehr Fehlpässe. Er wirkt häufig zerstreut, und im Borussia-Park rätseln sie schon, ob ihm wohl tatsächlich irgendein Klub Flausen in den Kopf gesetzt hat.

Über seine Position im defensiven Mittelfeld sagte Dahoud in der vergangenen Saison: "Wenn wir nicht funktionieren, dann wackelt alles, denn wir sind das Herz der Mannschaft." Wie recht er mit dieser Analyse hatte, zeigt sich erst jetzt: Gladbachs Mittelfeld funktioniert nicht mehr richtig, vieles wackelt. Es gibt Rhythmusstörungen.

Dem jungen Dahoud verzeihen sie den momentanen Hänger durchaus. Sie erwarten von einem 20-Jährigen ja nicht, dass er seine erste und auch die zweite Bundesligasaison gleich durchgängig auf höchstem Niveau spielt. Der Trainer André Schubert entscheidet Woche für Woche nach maßgeblichen Kriterien und ist in acht von 18 Pflichtspielen eben zur Erkenntnis gelangt, dass Dahoud besser nicht mitspielt. Das Problem dabei ist, dass diese Entscheidungen Dahouds Selbstvertrauen nicht fördern und sein Treue zum Klub womöglich bröckeln lassen. Dafür, dass die Gladbach er ihr vielleicht größtes Talent seit Günter Netzer gerne über 2018 hinaus halten möchten, geben sie ihm gerade ziemlich wenig Spielzeit.

Der Manager Eberl verteidigt die Entscheidungen des Trainers. Was nütze es, einen Spieler aufzustellen, wenn dieser seine Bestleistung gerade nicht abrufen könne? Im Klub macht sich die Erkenntnis breit, dass Dahoud an der Seite von Christoph Kramer offenbar nicht so gut funktioniert wie an der Seite von Granit Xhaka. Man hat ihn deshalb auch schon mal von der Sechserposition auf die zentral-offensive Zehnerposition vorgezogen, aber durchschlagend war dieser Wechsel auch nicht.

Dahoud hat nicht mitgewirkt, als die deutsche U21-Auswahl am Dienstag in Polen gespielt hat. Er durfte sich mit der Gladbacher Mannschaft stattdessen auf das Rheinderby am kommenden Samstag gegen den 1. FC Köln vorbereiten. In diesem Derby hat Dahoud in der vergangenen Saison das Tor zum 1:0-Heimsieg erzielt. Dieses Strahlen in seinen Augen würden sie in Mönchengladbach trotz all der Unwägbarkeiten und zum Wohle ihrer derzeitigen tabellarischen Trostlosigkeit gerne mal wieder sehen.

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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