Borussia Mönchengladbach:Nicht mehr lustig

Lesezeit: 2 min

Auf ihn wartet noch mehr Arbeit als erwartet: Mönchengladbachs neuer Trainer Dieter Hecking. (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Auch der neue Trainer Hecking muss erkennen, dass die Gladbacher Fußballer ihr Potenzial derzeit bestens verbergen.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Der Fußballtrainer Dieter Hecking wollte unbedingt ein Lob aussprechen. Aber seine neue Mannschaft hatte keines verdient. Borussia Mönchengladbach hatte schlecht gespielt, also musste Hecking eine erhebliche Mängelliste anfertigen. Er zählte auf: "Wir waren zu langsam, hatten einfachste Ballverluste, haben nicht schnell genug umgeschaltet und den Gegnern zu viele Räume gewährt - das war naiver Fußball."

Wer aus solchen Defiziten trotzdem ein Lob ableiten kann, ist ein Meister der Rhetorik. Hecking also sagte nach dem Vorbereitungsturnier in Düsseldorf mit Niederlagen gegen den FSV Mainz (0:1) und den Zweitligisten Fortuna (0:2) über seine Gladbacher: "Wenn sie mir nach einem guten Trainingslager noch mal ihr anderes Gesicht zeigen wollten - dann haben sie das wirklich gut gemacht." Hecking lächelte sogar ein bisschen, als er das sagte.

Sein Vorgänger André Schubert hatte einen vergleichbaren Humor, hat am Ende aber nicht mehr häufig gelächelt. Irgendwann ist es nicht mehr lustig, wenn Spieler ihr Potenzial nicht abrufen und sie gar nicht mehr jenen Fußball zeigen, den sie eigentlich beherrschen. Vom ansehnlichen Gladbacher Spiel, das dem Team in den vergangenen Jahren Vergleiche mit der einstigen Fohlen-Elf oder gar dem FC Barcelona ("Borussia Barcelona") einbrachte, ist zuletzt nichts mehr übrig geblieben. Sportdirektor Max Eberl hatte zum Ende der Hinrunde gesagt: "Das ist nicht mehr die Mannschaft, die wir kennen." Also beurlaubte er kurz vor Weihnachten den Trainer Schubert und verpflichtete Hecking, der zum Amtsantritt sagte: "Ich kann eine Elf wieder nach oben führen. Ich kann gut mit jungen Spielern. Ich kann Erfolg."

Nach dem ersten Auftritt beklagte er allerdings mit trüber Miene die überraschend zahlreichen Defizite seiner Spieler. Eberl war da schon nicht mehr interessiert, im Schlechten noch ein Lob zu finden. Er wirkt inzwischen bisweilen genervt vom Niveau der Mannschaft. Nach dem Turnier in Düsseldorf schimpfte der Sportdirektor: "Das war heute unter aller Sau."

Neue Impulse müssen vom neuen Trainer kommen, die Spieler fühlen sich dafür offenbar nicht zuständig. Kapitän Lars Stindl, Mittelfeld-Motor Raffael, Defensiv-Koordinator Christoph Kramer - sie alle haben weder in der Hinrunde noch zuletzt die erforderliche Entschlossenheit gezeigt. Auch anderen Qualitätsspielern mangelt es an Charisma. Innenverteidiger Andreas Christensen kehrt im Sommer vermutlich zu seinem Stammklub FC Chelsea zurück, am hoch begabten Mittelfeldspieler Mahmoud Dahoud sind große Vereine aus ganz Europa interessiert. Seinen bis 2018 gültigen Vertrag in Gladbach mag Dahoud bislang nicht verlängern, hier droht womöglich ein Zwangsverkauf.

Auch der etwa acht Millionen Euro teure neue Abwehrspieler Timothée Kolodziejczak vom FC Sevilla machte bei seinem Debüt weder experimentell auf der Linksaußenposition noch in der ihm angestammten Innenverteidigung einen stabilen Eindruck. Ob man noch einen zweiten Spieler verpflichtet, ließen Hecking und Eberl zuletzt offen. Dass der Manager explizit einen "Schweinehund" sucht, der in der bisweilen leidenschaftslosen Mannschaft die Aufgaben eines Antreibers übernimmt, stimmt nicht ganz. Dieser Begriff war ihm von Journalisten gewissermaßen in den Mund gelegt worden. Eberl bestätigt aber, dass man für extrovertierte Ex-Spieler wie Martin Stranzl oder Granit Xhaka momentan keine Nachfolger mit vergleichbaren Schlüsselqualifikationen besitze.

Es gibt also facettenreiche Herausforderungen für Hecking, sie gehen über Motivation und Taktik hinaus. In Patrick Herrmann, Fabian Johnson, Ibrahima Traoré, Tobias Strobl, Nico Elvedi, Mamadou Doucouré und Marvin Schulz waren zuletzt sieben Spieler nicht einsatzbereit; Johnson kehrte als Erster zurück. Vielleicht auch deshalb konnte Hecking bisher leise Skepsis nicht leugnen - er räumte "Sorgenfalten" ein. Auch die Misserfolgsserie mit nur einem Sieg aus den vorangegangenen elf Bundesligaspielen kann er nicht so einfach aus den Köpfen der Spieler streichen.

Nur noch drei Punkte Vorsprung haben die Borussen vor dem Hamburger SV auf Platz 16. Insofern wird Heckings Ligadebüt beim Tabellen-Schlusslicht Darmstadt an diesem Samstag auch psychologisch gleich zu einer wegweisenden Aufgabe. Womöglich tüftelt der Trainer auch schon wieder an einem Lob für den Fall, dass es nicht so gut läuft.

© SZ vom 18.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: