Borussia Dortmund:Junge Trickser, altes Rezept

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Und rein damit: Jacob Bruun Larsen erzielt das 1:0 gegen Monaco – das erste Champions-League-Tor seiner Karriere. (Foto: imago)

In Dortmund beweist der Trainer Lucien Favre mal wieder, wie schnell er eine verunsicherte Elf stabilisieren kann. Jacob Bruun Larsen, 20, und Jadon Sancho, 18, trimmen diesen Fußball jetzt auf Spektakel.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Das dänische Glücksgefühl heißt Hygge. Dänen nehmen es mit, wenn sie in die Welt hinaus ziehen. Der Fußballer Jacob Bruun Larsen, 20 Jahre jung, geboren nahe Kopenhagen, hat in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag lächelnd daheim in seinem Bett in Dortmund gelegen, jedenfalls hatte er das so angekündigt. "Ich werde im Bett ein bisschen lachen", hat er in seinem charmanten dänischen Tonfall gesagt, und man kann nur hoffen, dass das kein Ärgernis für die Nachbarn war. In Dortmund würde aber sowieso kaum jemand die Polizei rufen, wenn ein Fußballer vom örtlichen Klub Borussia fröhlich die nächtliche Ruhe störte - schon gar nicht, wenn es Jacob Bruun Larsen in äußerst hyggeligem Zustand wäre.

Der Däne ist zurzeit der Star der Stadt, zusammen mit dem Engländer Jadon Sancho. Der ist sogar erst 18 Jahre alt. Die beiden Burschen trimmen den BVB-Fußball gerade auf Spektakel. Dortmund ist Tabellenführer sowohl in der Bundesliga als auch in der Champions League. Zum 3:0 gegen AS Monaco hat Bruun Larsen fünf Minuten nach seiner ersten Einwechslung in ein Champions-League-Spiel sein erstes Champions-League-Tor zur 1:0-Führung geschossen und in der Nachspielzeit auch noch seine erste Champions-League-Torvorlage zum 3:0-Endstand gegeben. Wenn man da hinterher im Bett nicht ein bisschen lachen muss, dann stimmt was nicht.

Acht von 25 Dortmunder Treffern haben Einwechselspieler erzielt. Das spricht für Qualität im Team

25 Tore in neun Pflichtspielen haben die Dortmunder in dieser Saison bislang geschossen. Das ist eine respektable Quote, aber noch bemerkenswerter ist der Umstand, dass 18 dieser 25 Tore in der zweiten Halbzeit gefallen sind und zehn davon sogar erst in den letzten zehn Minuten. Der BVB beherzigt unter seinem neuen Trainer Lucien Favre die Grundregeln des Spannungsaufbaus und biegt diese Kurve gern auch erst zum späten Showdown hin. Die jüngsten zwölf Dortmunder Treffer fielen alle in der zweiten Halbzeit: fünf gegen Nürnberg (7:0), alle vier in Leverkusen (4:2) und nun alle drei gegen Monaco (3:0).

Wenn man Favre fragt, woran diese explizite Stärke und Effektivität seiner Mannschaft in der zweiten Halbzeit wohl liegt, dann referiert er erst mal ausgiebig und grundsätzlich über die Anforderungen des modernen Fußballs, über hohes Pressing, wenig Platz, Athletik und ausdauernde Ballrotation - und dann beschließt der 60-Jährige aus der französischen Schweiz seinen Monolog mit einem Lächeln und den Worten: "Warum die zweite Halbzeit? Äh, ja, ich weiß es nicht."

Es fallen einem drei gute Gründe ein: Erstens die Geduld einer Dortmunder Mannschaft, die auf ihre Qualität vertraut. Zweitens die Räume, die sich beim Gegner auftun, wenn der BVB erst mal das 1:0 erzielt hat. Und drittens die Einwechselspieler. Acht der 25 Dortmunder Treffer wurden von eingewechselten Spielern erzielt, auch sieben der 22 Torvorlagen stammen von ihnen. Der mit Abstand Beste dieser sogenannten Joker ist Sancho mit sieben Torbeteiligungen nach der Einwechslung: ein Tor und sechs Vorlagen. Diese sechs Vorlagen hat der Engländer im Schnitt jeweils nur 17 Minuten nach seiner Einwechslung gegeben. Ein Fußballer ohne Anlaufzeit - und das in seiner erst zweiten Saison im Ausland.

Sancho ist der jüngste Spieler im BVB-Profikader, mit jeweils 19 Jahren folgen der marokkanische Abwehrspieler Achraf Hakimi und sein französischer Nebenmann Dan-Axel Zagadou sowie mit je 20 Jahren Bruun Larsen und der amerikanische Flügelstürmer Christian Pulisic. "Was diese Jungs betrifft, herrscht im Moment bei uns Euphorie", sagt der Kapitän Marco Reus, mit 29 Jahren nach BVB-Maßstäben ein alter Mann. "Momentan ist es brutal, was die Jungs da vorne treiben", schwelgt Reus, "sie haben natürlich alle ein enormes Potenzial, aber entscheidend ist, dass wir einen Plan haben, hart arbeiten, dass jeder seine Aufgabe erfüllt und wir momentan als Team sehr gut funktionieren."

Diese Harmonie hat dazu geführt, dass der BVB keines seiner bisherigen neun Pflichtspiele verloren hat. Für Reus ist das "nicht allzu überraschend, weil ich weiß, was unser Trainer kann und wie seine Philosophie aussieht". Reus hat vor sieben Jahren in Mönchengladbach schon einmal erlebt, wie schnell eine verunsicherte Mannschaft unter Favre zurück zum Erfolg findet, und genau das wiederholt sich gerade in Dortmund - bloß auf höherem Niveau.

Reus ist nicht nur als Kapitän Favres wichtigster Mann auf dem Feld, er ist mit sechs Toren und fünf Vorlagen wettbewerbsübergreifend Dortmunds Topscorer und hat neun Pflichtspiele fast durchgängig bestritten. Bloß beim 7:0 gegen Nürnberg wurde er nach 62 Minuten ausgewechselt.

Es gehe ihm "sehr gut", antwortete Reus aufgemuntert auf die Frage nach seiner Fitness und betonte sogleich, dass er nicht beabsichtige, im letzten Ligaspiel vor der Länderspielpause gegen Augsburg zu pausieren. "Das letzte Spiel kann ich jetzt auch noch gehen", sagte er grinsend und behielt das Dortmunder Erholungsgeheimnis für sich: tiefer, regenerierender Schlaf mit einem seligen Lächeln im Gesicht.

© SZ vom 05.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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