Biathlon:Tief durchgeatmet

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Als Erste im Ziel: Die Italienerin Dorothea Wierer bejubelt ihren Sieg. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Sieben Wochen vor der WM arbeiten die deutschen Biathletinnen weiter an der Form von vor Weihnachten. Franziska Hildebrand fehlt im Einzel über 15 Kilometer eine knappe Sekunde auf den dritten Platz.

Von Volker Kreisl, Ruhpolding

Die Wettkampf-Bedingungen in Ruhpolding ändern sich täglich, auch am Donnerstag präsentierte sich das schmale Biathlon-Tal am Zirmberg ganz anders. Es war weiß, sonnig, windstill, kalt - und das durchgehend den ganzen Nachmittag über. Kurz gesagt, die Bedingungen waren klinisch und fair, und weil ein 15-Kilometer-Einzelrennen auf dem Programm stand, in dem die Biathletinnen eine knappe Dreiviertelstunde mit sich alleine sind, ermöglichten sie einen realistischen Eindruck von deren Form. Sieben Wochen vor der Weltmeisterschaft in Oslo arbeiten auch die Frauen des Deutschen Skiverbandes (DSV) an jener Verfassung, in der sie vor Weihnachten überzeugt hatten. Da präsentierten sie sich als vielseitige Mannschaft, die reichlich Reserven hat, und mal in dieser, mal in jener Besetzung auf dem Podium landete. Mittlerweile sind noch zwei Sieg-Läuferinnen aus dem Sextett übrig, Franziska Hildebrand und Laura Dahlmeier, und sie überzeugten auch als beste DSV-Starterinnen am Donnerstag. Hildebrand kam auf Platz vier, Dahlmeier wurde Neunte. Den Sieg holte sich wie schon im ersten Einzel dieser Saison die Italienerin Dorothea Wierer, die sowohl schnell schoss als auch schnell über die Loipe glitt. Sie hätte sich Zeit lassen können, vor allem vor dem letzten Schießen, als sie schon weit voraus war. Aber sie schoss, als müsste sie noch dringend auf einen Termin. "Ich kann nicht anders", sagte sie später, "wenn ich langsamer schieße, fange ich an zu denken, und dann klappt es nicht." Zweite wurde Kaisa Mäkäräinen aus Finnland, auf Platz drei kam Gabriela Soukalova, die Gesamtführende aus Tschechien.

Miriam Gössner schießt sechsmal daneben, die Deutschen sind in der Ergebnisliste wild verstreut

Franziska Hildebrand hatte vergangene Woche im Sprint gewonnen, nun war sie die Treffsicherste in ihrem Team, den vierten Platz über die lange Distanz sicherte sie sich diesmal mit dem letzten Schuss. Hildebrand läuft mittlerweile seit vier Jahren im Weltcup, sie hat schwere Zeiten hinter sich, sie war schon als zu laufschwach zurückgestuft worden, und hatte sich dennoch nicht beirren lassen.

Viel Erfahrung hat sie gesammelt in dieser langen Zeit und auch gelernt, was für Außenstehende so banal wirkt: dass man sich beim Schießen - anders als Wierer - wegen der Strafe von einer Minute pro Fehler die nötige Zeit nehmen sollte. Hildebrand kam vor dem letzten Schuss plötzlich aus dem Rhythmus, und dann begannen lange 15 Sekunden. Früher, sagte sie, hätte sie trotzdem einfach abgedrückt und irgendwohin geschossen, diesmal wartete sie, begann neu Luft zu holen, atmete einmal tief durch und ließ sich Zeit, weil sie sich dachte: "Wenn ich einmal tief durchatme, dann will ich auch treffen." Sie traf.

Mit einem Fehlschuss blieb sie die beste Schützin im Team. Dahlmeier, Vanessa Hinz, Maren Hammerschmidt und Karolin Horchler unterliefen dagegen je zwei Fehler. Insgesamt sind das zwar gute 90 Prozent Treffsicherheit, doch unter klinisch reinen Bedingungen reicht das eben nicht. "An einem Tag wie heute kannst du dir zwei Fehler nicht leisten", sagte Bundestrainer Gerald Hönig.

Miriam Gössner, die zu Saisonbeginn teils sehr passable Trefferbilder hatte, setzte zwar keine wilden Streuungen wie vor zwei Jahren auf die Tafel, sie schoss aber trotzdem sechsmal daneben, was sie weit zurück warf. Ein bisschen wild verstreut wie die Lottozahlen waren schließlich alle Deutschen in der Ergebnisliste. Hildebrandt, Dahlmeier, Hammerschmidt, Hinz, Horchler und Gössner landeten in dieser Reihenfolge auf den Rängen 4, 9, 22, 24, 44 und 59.

Jeder für sich sucht gerade seine Form. Franziska Preuß wird wegen eines Haarrisses am Steißbein erst kommende Woche wieder starten, in der Männern-Staffel am Freitag fehlt Simon Schempp. Für Hildebrand und Dahlmeier geht es eher um die Stabilisierung des Niveaus. Nach ihren zwei aufeinanderfolgenden Siegen vergangenes Wochenende hatte Dahlmeier durchaus gestiegenen Rummel und gestiegene Erwartungen bemerkt - die sie aber, wie gesehen, nicht erfüllen kann. Dahlmeier sagt: "Wer glaubt, ich gewinne jetzt jedes Rennen, der soll erst mal selber laufen."

© SZ vom 15.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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