Beachvolleyball:Historie im Sand

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Julius Brink und Jonas Reckermann werden in Stavanger als erstes europäisches Team Beachvolley-Weltmeister. Ein weiteres deutsches Duo verpasst Bronze nur knapp.

Felix Meininghaus

Als das große Ziel erreicht war, wurden Julius Brink und Jonas Reckermann ganz ruhig. Wie frei frisch Verliebte schritten die beiden Beachvolleyballer durch den Sand auf dem Center Court von Stavanger und nahmen sich in den Arm. Es war eine fast zärtliche Geste, nichts war mehr zu sehen von der geballten Kraft, die diese beiden Athleten in der Stunde zuvor demonstriert hatten. Nachdem sie sich liebkost hatten, überstiegen sie die Absperrungen und kletterten die Stufen der Stahltribünen empor. Reckermann herzte seine Freundin Julia, Brink tat das Gleiche mit seinem Trainer Jürgen Wagner.

Voller Einsatz bei der Titeljagd: Jonas Reckermann (vorne) beim Block im Finalspiel gegen die Brasilianer Alison Cerutti und Harley Marques Silva. (Foto: Foto: AFP)

Brink und Reckermann von Bayer Leverkusen und dem 1. FC Köln, die erst seit diesem Winter gemeinsam ans Netz gehen, haben für den größten Triumph in der Geschichte der deutschen Sandwühler gesorgt: Im WM-Finale in Stavanger schlugen sie die Weltranglistenersten Alison Cerutti und Harley Marques Silva 2:0 (21:16, 21:19) und kassierten dafür 60000 Dollar.

Nachdem sie im Halbfinale bereits die Weltmeister und Olympiasieger Rogers/Dalhausser entthront hatten, zelebrierten sie im Finale noch eine weitere Vorführung ihrer üppigen Möglichkeiten. Nachdem sie den ersten Satz kontrolliert hatten, gerieten sie im zweiten Satz unter Druck. Doch bei 16:19 begann die große Reckermann-Show: Der baumlange Blockspieler zermürbte die Brasilianer mit seinem Sprungaufschlägen, den Schlusspunkt setzte er mit einem krachenden Block. "Das ist der beste Tag, den ich als Spieler erlebt habe", sagte er später mit einer Deutschlandfahne drapiert: "Wir trainieren im Winter bei minus zehn Grad, in solchen Momenten weißt du, wofür du das tust."

Raubtier in der Sand-Arena

Das zweite deutsche Team Klemperer/Koreng verpasste als Vierter eine Medaille nur knapp. Für den großen Wurf war an diesem Tag die nationale Konkurrenz auserkoren. Mit ihrem Auftreten bei der WM haben vor allem Brink/Reckermann aber auch Klemperer/Koreng ihre Zugehörigkeit zum engsten Kreis der Weltklasse eindrucksvoll dokumentiert. Beide Teams spielen im Konzert der Großen mit, obwohl sie fundamental unterschiedliche Herangehensweisen an ihren Beruf haben. Klemperer gehörte schon als Kind zu den ruhigen Vertretern. Sein ehemaliger Trainer in der Niedersachsen-Auswahl, ein Jugoslawe, sagte über den Heranwachsenden: "Ganz lieber Junge, gut für Eltern, schlecht für Volleyball." Es war das Fehlen der Fähigkeit, am Netz Zähne zu zeigen und Krallen auszufahren. "Grundsätzlich hat er recht", sagt Jürgen Wagner.

Der Trainer von Brink/Reckermann nennt diese Komponente "Spielaggressivität", es sei "extrem wichtig", diese Eigenschaft zu lernen. Julius Brink brauche das nicht, "das Fighting-Gen", sagt Wagner, "ist ihm in die Wiege gelegt worden." Tatsächlich ist der 26-Jährige privat ein umgänglicher Mensch und charmanter Plauderer. Doch sobald er die sandige Arena betritt, wird er zum Raubtier, das seine Beute jagen, erlegen und fressen will. Einer, der seine Passion mit jeder Faser seines Körpers lebt. Sein ehemaliger Partner Kjell Schneider, mit dem er 2005 in Berlin WM-Bronze gewann, bezeichnet Brink als "Beachvolleyball-Masochisten". Wie um sich selbst zu kasteien, habe er nach dem Training noch 30 Aufschläge gemacht, wenn er schlecht drauf war.

Voll mit Adrenalin

Der Maniac Brink zog sich vor dem Achtelfinale an einer Metalltreppe eine klaffende Fleischwunde am Zeh zu und spielte Minuten später unbeeindruckt auf. "Ich war so mit Adrenalin vollgepumpt, ich habe nichts gemerkt." Auch Klemperer gilt als extrem ehrgeizig und erfolgsorientiert, doch die Qualität ihres Duos scheinen die Olympiafünften Klemperer/Koreng auch im dritten Jahr ihrer Liaison nicht verinnerlicht zu haben. In Stavanger hat Klemperer seinen Heimflug umbuchen müssen, er war nicht davon ausgegangen, so lange im Wettbewerb zu sein.

Noch ärger war die Sache mit Gerald Maronde: Der Trainer des Nationalteams verpasste den Viertelfinalerfolg gegen die brasilianischen Olympiazweiten Marcio und Fabio. Sein Team lieferte ein großes Spiel und wehrte einen Matchball ab, während Maronde am Flughafen auf seinen Flieger wartete. Den ließ er nach dem Sieg sausen und ist zum Court zurückgeeilt. Ein solches zur Schau gestelltes Understatement würde sich nie mit der Geschäftsphilosophie von Brink und Reckermann vereinbaren lassen. Wagner, selbst ein eher ruhiger Vertreter, weiß davon zu berichten, wie sich Brink und Reckermann in November letzten Jahres mit ihrem Stab zusammengesetzt haben, um Strategien und Ziele festzulegen: "Sie haben klar formuliert, Turniere gewinnen zu wollen. Auch große wie Weltmeisterschaft", berichtet der Trainer: "Man kann sagen, das ist arrogant. Ich denke, das ist realistisch." Wie wahr: Wagner ist kein Utopist, der Mann ist ein echter Kenner.

© SZ vom 06.07.2009/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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