Bayer Leverkusen:Wieder wollen

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Ein Bild, wie die letzte Saison der Leverkusener: Gegen Karlsruhe fällt es Bayer noch schwer, sich von der vergangenen Tristesse vollends zu lösen. (Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Die Mannschaft von Bayer Leverkusen ist nicht mehr so talentiert wie in der Vorsaison. Der Sieg in Karlsruhe zeigt: Trainer Heiko Herrlich ist etwas anderes wichtiger.

Von Tobias Schächter, Karlsruhe

Julian Brandt kam die Verlängerung seines Arbeitstages nicht ungelegen. Der Nationalspieler trainiert nach seinem verlängerten Urlaub wegen den Confed-Cups erst seit zweieinhalb Wochen wieder mit seinen Kollegen von Bayer Leverkusen. Der Werksklub musste am Freitagabend beim Drittligisten Karlsruher SC in der ersten Runde des DFB-Pokals in die Verlängerung, nach 90 Minuten hatte es 0:0 gestanden. Am Ende gewann Leverkusen 3:0 durch Tore von Dominik Kohr (93.), Joel Pohjanpalo (99.) und Leon Bailey (105.). "Mir taten die 30 Minuten extra gut", sagte Brandt, der in der 72. Minute eingewechselt worden war und zwei Treffer vorbreitet hatte: "Das war ein sehr, sehr guter Anfang. Es ist gut, wenn man mit ein bisschen Fahrtwind in die Saison geht."

Es war ein Erfolg im Dauerregen und auf schwerem Boden, den die Leverkusener nach nur einem Sieg in sieben Testkicks gut gebrauchen konnten. Schon am kommenden Freitag, zum Saisonstart beim FC Bayern, ist das Team von Trainer Heiko Herrlich ja einem verschärften Stresstest ausgesetzt. Herrlich, 38, soll in Leverkusen nichts Geringeres schaffen, als den Klub für die verkorkste vergangene Saison zu rehabilitieren und in die Champions League zu führen.

In Karlsruhe bestand die Mannschaft den ersten Mentalitätstest. Zwar vergaben die Leverkusener, wie in der gesamten Vorbereitung, viele Torchancen. Auch deshalb wollte Herrlich "nicht alles rosarot bewerten". Noch halten sie bei Bayer Ausschau nach einem Vollstrecker in der Sturmspitze, Mittelfeld-Akteur Julian Baumgartlinger könnte Leverkusen verlassen, der endgültige Kader steht nicht. Doch unabhängig davon bemerkte Sportchef Rudi Völler: "Die Mannschaft ist topfit, das war ein sehr gutes Spiel." Und Herrlich fand, das Team habe "seriös" gespielt. Es wirkte, als würden sie bloß nichts Negatives sagen wollen.

Herrlich war nach Tuchel und Bosz wohl nur dritte Wahl

Sie haben sich in Leverkusen geschworen, nie mehr so eine Saison wie die vergangene zu erleben: frühes Aus im Pokal in Lotte, Platz 12 in der Liga - selten verfehlte eine Mannschaft ihre Ziele so krachend. Unter Trainer Roger Schmidt bröckelte zuletzt auch der Zusammenhalt, sein einseitiger Vorwärtsverteidigungsansatz brachte keine Entwicklung mehr. Aus der erhofften Aufholjagd nach Schmidts Entlassung wurde mit Nachfolger Tayfun Korkut aber nichts, Korkut musste wieder gehen. Und weil Thomas Tuchel nach seinem Aus in Dortmund eine Pause einlegen und Peter Bosz von Amsterdam lieber zum BVB als nach Leverkusen wechseln wollte, soll der Neustart nun mit Herrlich gelingen.

Herrlich spielte einst als Profi bei Bayer, der Zweitligaaufstieg zuletzt mit Jahn Regensburg war ein Coup. Auf dem Weg zu alter Stärke predigt er nun in Leverkusen den Teamgedanken. Bayer verlor in Ömer Toprak (Dortmund), Javier "Chicharito" Hernandez (West Ham United) sowie Hakan Calhanoglu (AC Mailand) zwar in allen Mannschaftsteilen Klasse - gewann aber in U 21-Europameister Dominik Kohr (Augsburg) und vor allem in Routinier Sven Bender (Dortmund) Willensstärke und Robustheit dazu. Talent ist ja trotzdem noch vorhanden in Leverkusen. Herrlichs Aufgabe ist es, das Talent zu einem leidenschaftlichen Ganzen zu komponieren.

"Wir sind eine extrem junge Truppe, da brauchst du Kerle, die dazwischenhauen"

Julian Brandt sprach am Freitag nicht nur über sich, er erzählte auch von den Methoden des Trainers. Angefangen habe Herrlich damit, die Basiselemente wieder zu beleben: Mentalität, Disziplin und vor allem diszipliniertes Verteidigen. Ein Garant für mehr Stabilität soll Sven Bender werden, der erstmals seit gemeinsamen Tagen bei 1860 München wieder mit Zwillingsbruder Lars in einem Team steht. Lars fehlte grippekrank, während Sven bei seinem Debüt in der Innenverteidigung gleich einiges davon zeigte, was sich die Verantwortlichen von ihm erhoffen. Trainer Herrlich sah in ihm "einen Häuptling, der hinten alles zusammengehalten" und seinen Nebenmann Jonathan Tah "super geführt" habe. Und Brandt schwärmte: "Wir sind eine extrem junge Truppe, da brauchst du Kerle, die dazwischenhauen, wenn es angebracht ist. Sven gibt uns Sicherheit, er ist Führungsspieler und eine extreme Verstärkung."

Und Sven Bender selbst klang in seiner Analyse nach dem Spiel so, als wolle er das Motto für die Saison vorgeben: "Es funktioniert nicht immer alles, dann muss man dranbleiben, positiv bleiben und den nötigen Willen zeigen."

© SZ vom 13.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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