Bayer Leverkusen:Wider die Stagnation

Lesezeit: 3 min

Der neue Trainer Peter Bosz ist gleich gefordert: Er muss den Leverkusenern das Fußballspielen auch bei schlechtem Wetter schmackhaft machen, damit sein großes Ziel erreichbar bleibt.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Trainerwechsel während der Saison sind eigentlich Verzweiflungstaten. Die meisten Wechsel finden bei Klubs aus dem unteren Tabellendrittel statt. Bei Bayer Leverkusen ist das jedoch anders. Leverkusen ist Neunter, die Mannschaft hat zuletzt drei von vier Spielen gewonnen, hat drei Punkte Rückstand auf die Europa-League-Plätze und sieben Punkte Rückstand auf die Champions-League-Plätze. Trotzdem wurde der Trainer Heiko Herrlich entlassen. "Weil eine gewisse Leistungsstagnation eingetreten ist", sagt der Sportvorstand Rudi Völler.

Ob es nicht komisch sei, zu einer Mannschaft zu stoßen, die nicht mal sehr erfolglos war und zuletzt sogar drei von vier Spielen gewonnen hat, ist der neue Trainer Peter Bosz nun in seiner ersten Pressekonferenz am Freitag gefragt worden. Er hat die Stirn ein bisschen gerunzelt und dann betont sachlich formuliert: "Es ist gut, dass wir diese neun Punkte mehr haben." Bosz kann die Umstände dieses Wechsels wohl auch gar nicht besonders seltsam finden. Der zuvor letzte Trainerwechsel in der Bundesliga, bei dem eine Mannschaft tabellarisch besser dastand als Leverkusen jetzt, fand im Dezember 2017 statt. Borussia Dortmund entließ seinen Trainer damals als Tabellenachter. Der Trainer hieß: Peter Bosz.

Bosz weiß, wie man Talente anleitet

"Bayer Leverkusen ist ein schöner Verein", sagte der 55-Jährige am Freitag bei seiner offiziellen Präsentation. "Mooi" heißt schön auf Niederländisch, "mooi" sagen Niederländer wie Bosz häufig und gern. Am schönsten findet Bosz an Bayer, dass hier viele Talente spielen: Burschen wie Paulinho, 18, Kai Havertz, 19, Leon Bailey, 21, Julian Brandt, 22, und Jonathan Tah, 22. So viele Talente zu coachen, das erinnert Bosz an die Saison 2016/17, als er Ajax Amsterdam mit vielen jungen Fußballern ins Endspiel der Europa League geführt hat. "Hier spielen viele Supertalente", sagt Bosz über Leverkusen, "und das macht Spaß."

Aber so etwas ist auch eine besondere Herausforderung. Leverkusens Fußballer sind im Laufe der Hinrunde zusammen 2046 Kilometer gelaufen und haben 1726 Zweikämpfe gewonnen, 83 Prozent ihrer Pässe an den eigenen Mann gebracht, 206 Flanken geschlagen und 240 Mal aufs Tor geschossen - diese fünf Zahlen sind allesamt vordere Werte im Ligavergleich, aber die 26 Tore, die sie in 17 Spielen letztlich geschossen haben, die sind halt nur Mittelmaß. Und mit den sieben Siegen und den drei Unentschieden, die sie damit erwirkt haben, sind sie eben nur Neunter.

Der vormalige Trainer Heiko Herrlich hat mal gesagt, einige der Leverkusener Spieler neigten "zum Phlegma". Spieler wie Brandt und Havertz, aber auch Dominik Kohr oder Mitchell Weiser können begeisternden Fußball spielen, sie können aber auch abtauchen. Als Brandt im Frühling der Saison 2015/16 in sechs aufeinanderfolgenden Spielen ein Tor geschossen hatte, wurde er gefragt, warum ihm jetzt plötzlich alles gelinge. Da hat er sinngemäß geantwortet, es werde ja jetzt immer wärmer und schöner draußen und da mache das Fußballspielen auch mehr Spaß.

Es geht um den sofortigen Anschluss an die Spitze

Im Moment ist es überhaupt nicht warm und schön draußen, das Fußballspielen macht unter meteorologischen Gesichtspunkten vielleicht nicht ganz so viel Spaß, aber trotzdem müssen die Leverkusener am 19. Januar gegen Borussia Mönchengladbach spielen, am 26. Januar beim VfL Wolfsburg und am 2. Februar gegen Bayern München. Und genau darin liegt die größte Herausforderung für den neuen Trainer Bosz: den Leverkusener Phlegmatikern das Fußballspielen auch bei schlechtem Wetter schmackhaft zu machen.

Bosz sagt, er beobachte Leverkusen genauer als andere Vereine, seit er 2017 ein erstes Gespräch mit Völler gehabt habe. Damals hat sich Bosz aber für Borussia Dortmund entschieden. Jetzt könnte sich sein besonderes Interesse für Leverkusen rentieren. "Unser Ziel muss sein, in Europa zu spielen", sagt Bosz, aber es ist kein Geheimnis, dass Völler genau dies vom Niederländer erwartet. Das ist ja auch der Grund, warum Bayer den Trainer gewechselt hat: Man will den Kontakt zu den internationalen Plätzen nicht verlieren. Bosz hat wenig Zeit. Obwohl man nicht gegen den Abstieg spielt, ist die Mission bei Bayer Leverkusen nicht weniger prekär. Im Gegenteil. Es geht um den sofortigen Anschluss an die Spitze, und das ist kaum weniger aufreibend.

© SZ vom 06.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: