Bayer Leverkusen:Das Pokal-Phlegma

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Es ist zum Verzweifeln: Leverkusens Angreifer Leon Bailey hadert mit dem neuerlichen Aus seiner Mannschaft in einem K. (Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)

Unter dem Trainer Peter Bosz wird Leverkusen zur Mannschaft mit zwei Gesichtern: In der Liga noch unbesiegt, irritiert das frühe Scheitern im DFB-Cup und in der Europa League.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Peter Bosz war zerknirscht. Er sagte: "Wenn man so spielen will wie wir, dann muss man richtig Druck machen." Die Mannschaft aber hatte seinen aggressiven Tempofußball mit geradezu pazifistischem Charakter bestreiten wollen. Borussia Dortmund verlor 2:3 gegen RB Leipzig. Das war im September 2017, und es war der Anfang vom Ende.

In dieser Woche war Bosz erneut zerknirscht. Er sagte: "Wir haben den Ball und den Gegner nicht laufen lassen - das war das Schlechteste, was ich von meiner Mannschaft bisher gesehen habe." Bayer Leverkusen war mit einem 1:1 gegen Russlands Tabellenzweiten Krasnodar aus der Europa League ausgeschieden. Zwei Wochen zuvor hatte Bayer mit einer 1:2-Niederlage beim Zweitligisten Heidenheim schon dem DFB-Pokal Adieu gesagt. Auch da hatten die Spieler das erforderliche Engagement vermissen lassen. Bosz will in wirklich jedem einzelnen Spiel die letzte Leidenschaft herausholen aus den Leverkusener Fußballern, über die sein Vorgänger Heiko Herrlich einmal sagte, sie neigten mitunter zum Phlegma.

Es ist jetzt sieben Wochen her, dass Bosz in Leverkusen als neuer Trainer präsentiert wurde - gut ein Jahr, nachdem er in Dortmund nach sechs Monaten Tätigkeit entlassen worden war. In Leverkusen behauptete der 55 Jahre alte Niederländer in seiner ersten Pressekonferenz: "Die Menschen in Deutschland haben den richtigen Trainer Peter Bosz noch nicht gesehen." Er will nämlich beweisen, dass man seinen riskanten, attraktiven Pressing-Fußball auch konstant erfolgreich spielen kann. Aber was Bayer gegen Heidenheim und Krasnodar zeigte - die halbherzige Umsetzung einer aufwändigen Strategie - das erinnerte an Boszs Dortmunder Zeit.

Drei Tage nach der Enttäuschung gegen Krasnodar kehrt Bosz nun nach Dortmund zurück. Am Sonntagabend (18 Uhr) gastiert er mit Bayer bei der Borussia. Die Leverkusener Spieler wollen zeigen, dass sie es besser können als am Donnerstag, Bosz will zeigen, dass er ein guter Trainer ist, und Dortmund will nach fünf sieglosen Pflichtspielen seinen Vorsprung vor dem Verfolger FC Bayern München wahren. Dieses Top-Duell zwischen dem Bundesligatabellenführer BVB und dem Rückrundentabellenführer Bayer entpuppt sich bei genauerem Hinschauen als therapeutischer Stuhlkreis.

Groll hegen Bosz und die Borussen keinen gegeneinander. "Es war eine kurze, aber gute Zeit", behauptet der Trainer. "Wir sind ja nicht im Bösen auseinandergegangen - die Ergebnisse haben nur einfach nicht gestimmt", sagt BVB-Sportdirektor Michael Zorc. BVB-Boss Hans-Joachim Watzke behauptete im Kicker sogar: "Unsere Mannschaft war für ihn und seine Philosophie nicht optimal." Bosz selbst hat über detaillierte Gründe für sein Scheitern in Dortmund nie gesprochen - bis Freitag. Da sagte er über den am Sonntag verletzt fehlenden BVB-Kapitän Marco Reus: "Er ist ein sehr wichtiger Spieler für Dortmund, ich kann da mitreden, denn bei mir hat er nie gespielt, weil er verletzt war."

Trotzdem hat der BVB unter Bosz vor eineinhalb Jahren in den ersten vier Pflichtspielen kein einziges Gegentor bekommen, und nach sieben Bundesliga-Spieltagen war er Tabellenführer mit sechs Siegen, einem Unentschieden und 21:2 Toren. Auf den phänomenalen Saisonstart folgte ein mysteriöser Bruch. Von den nächsten 13 Pflichtspielen gewann Dortmund nur noch eins. Mitte Dezember wurde Bosz beurlaubt. Medien wollen später erfahren haben, dass es in der BVB-Kabine Widerstände gegen seinen lauf- und lungenintensiven Fußball gegeben habe.

In Leverkusen ist von subtiler Rebellion nichts zu spüren. Die jungen Fußballer haben in der Bundesliga 3:0 in Wolfsburg, 3:1 gegen Bayern München, 5:1 in Mainz und 2:0 gegen Düsseldorf gewonnen und dabei nicht nur sichtlich, sondern auch wörtlich den Eindruck erweckt, dass sie am Bosz-Fußball richtig Spaß haben. Mit zwölf Punkten und 13:3 Toren führen sie nach fünf Spielen die Rückrundentabelle an. Dortmund hatte damals unter Bosz nach fünf Spieltagen 13 Punkte und 13:0 Tore. Das ist eine bemerkenswerte Übereinstimmung, die zeigt, dass Bosz eine Mannschaft nicht nur schnell begeistern, sondern auch kurzfristig mit seinem System vertraut machen kann. Doch die Schwierigkeit, Spieler in englischen Wochen alle drei Tage im Höchsttempo durch die Manege zu jagen, diese Schwierigkeit, an der Bosz in Dortmund gescheitert war, die zeigt sich viel früher jetzt auch schon in Leverkusen.

Anfang Januar hat Bosz gesagt, er wolle Fehler, die er in Dortmund gemacht hat, in Leverkusen nicht wiederholen. Ob er jetzt also mehr Wert auf Sicherheit und defensive Stabilität lege, ist er am Freitag gefragt worden. "Nein", hat er geantwortet, "da ist kein Unterschied."

© SZ vom 23.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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