Basketball:Weicheier im Tornado

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Fegte wie ein kleiner Tornado durch die Münchner Deckung und offenbarte ihre Defizite: TJ Shorts (rechts) im Zweikampf mit Freddie Gillespie, der nur eine Halbzeit effektiv verteidigte. (Foto: Eibner-Pressefoto/Imago)

Münchens verärgerter Trainer Andrea Trinchieri geht nach der Heimniederlage im Bundesliga-Spitzenspiel gegen Bonn mit seinem Team hart ins Gericht. Platz zwei scheint außer Reichweite geraten zu sein.

Von Christoph Leischwitz

Tuomas Iisalo hatte wohl das Gefühl, dass ihm hier jemand den verdienten Sieg in Abrede stellen will. Der Trainer der Bonn Baskets reagierte nach dem Bundesliga-Spitzenspiel bei Bayern München recht schnippisch, als er gefragt wurde, wie sehr die strapaziösen Euroleague-Reisen des Gastgebers ein Faktor gewesen seien. "Ungefähr null Prozent", antwortete der Finne. Man selbst habe ja am Mittwoch auch noch in Spanien gespielt, im Champions-League-Wettbewerb, und man habe auch nach München reisen müssen, also: "Niemand interessiert sich für solche Entschuldigungen." Zumindest nicht als Gewinner.

Wenige Minuten später saß Bayerns Trainer Andrea Trinchieri auf dem Podest, und im Grunde sah er es ja ähnlich. Jedenfalls ging der Italiener nach der 73:77-Niederlage gegen Bonn so deutlich mit der Leistung seiner Mannschaft ins Gericht, dass er von selbst gar nicht auf das Thema Euroleague zu sprechen gekommen wäre.

Weil Trinchieri zurzeit sowieso ziemlich geladen ist, hatte er aber trotzdem noch einen Seitenhieb für den Bonner Kollegen übrig: "Wenn man so jung ist, dann macht man solche Art von Fehlern noch", so der 54-Jährige über die flapsigen Kommentare des 40-jährigen Finnen. Aber er wolle jetzt seine Zeit auch nicht damit verschwenden.

Wenn man Trinchieri so zuhörte nach drei Pflichtspiel-Niederlagen in Serie, dann befindet sich seine Mannschaft in einer Art Krisenmodus, aus dem er sie gerne herausmeckern würde. Eine knappe 71:72-Niederlage beim FC Barcelona, wo der letzte Wurf daneben ging und alles entschied, mag zwar noch zu verdauen sein. Eine knappe Niederlage gegen die Bonner aber, die in der Bundesliga-Tabelle den Bayern davonziehen und vor den Playoffs nur noch schwer einzuholen sind - das ist ein Wirkungstreffer für eine Mannschaft, die in diesem Jahr den Fokus klar auf den nationalen Wettbewerb gelegt hat. Wobei, der Tabellenplatz vor den Playoffs ist Trinchieri relativ egal, "ich habe schon fünf Finalserien in dieser Liga erlebt, und ich war auch nicht immer Erster", sagt er.

"Wir waren einfach nicht bereit für solch ein Spiel", schimpft Münchens Coach

Was ihn viel mehr wurmt, ist die Leistung an sich. "Wir haben wie Weicheier gespielt", analysierte er in bedrohlich ruhigem Ton. Vor allem im besonders schwachen ersten Viertel hatte er seine Spieler mehrmals angebrüllt, Cassius Winston nahm er nach einer guten Minute Spielzeit prompt aus der starting five heraus und setzte ihn auf die Bank. Später sprach er auch von einer "schwachen Leistung" seiner Guards, und insgesamt von Fehlern im Bereich einer "Todsünde", was aus dem Mund eines Italieners womöglich noch schwerer wiegt, als wenn es, beispielsweise, ein Finne sagen würde.

"Wir waren einfach nicht bereit für solch ein Spiel", ein Spitzenspiel also, sagte Trinchieri über den schwachen Beginn. Die Bayern verbuchten kein einziges Mal in diesem Vergleich eine Führung, kein Wunder, nach einem 15:27-Start. Dass die Gastgeber es am Ende überhaupt noch mal spannend machen konnten, lag zum einen an der Abwehrarbeit von Freddie Gillespie, der Bonns Spielmacher TJ Shorts in der ersten Halbzeit mit seinen Blocks bei sechs Punkten hielt. Am Ende kam Shorts dennoch auf 26 Punkte.

Einziger Lichtblick beim FC Bayern: Isaac Bonga kam trotz enger Bewachung auf 28 Punkte. (Foto: Oryk Haist/Imago)

Wenn die Gäste mal wieder besonders deutlich führten, konnte man die Handvoll Fans singen hören: "Ohne Bonner wär' hier gar nichts los." In Münchner Ohren hörte sich das allerdings an wie: Ohne Bonga wär' hier gar nichts los. Denn Isaac Bonga erzielte 28 Punkte und war Dreh- und Angelpunkt des Münchner Spiels.

Die große Stärke des Nationalspielers ist seine Flexibilität, und diese spielte er am Sonntag auf dem gesamten Parkett aus, aufgrund der Verletztenmisere der Bayern war das auch nötig. Bonga war nicht nur mit Abstand der beste Dreierschütze, er holte auch mit großem Abstand die meisten Rebounds (9). Am Ende hatte er sogar bessere Statistiken als TJ Shorts (26 Punkte, 5 Rebounds), der bisweilen wie ein Tornado durch die Münchner Abwehr zog. Bonns Anhänger warfen ihm immer wieder "MVP"-Sprechchöre zu.

Auf aktuellem Niveau droht den Bayern die zweite Saison hintereinander ohne einen Titel

Als die Liste der fehlenden Spieler vor Weihnachten mal wieder länger geworden war, hatte Trinchieri noch gerne auf die dünne Personaldecke verwiesen und Spieler in Schutz genommen. Zurzeit fehlen Kapitän Vladimir Lucic, Andreas Obst, Elias Harris und ganz aktuell auch Center Othello Hunter - doch Trinchieri verteilte nicht einmal ein Lob für Bonga, der in die Bresche springt, so gut es geht. Am übernächsten Wochenende steht das Final-Four-Turnier um den deutschen Pokal als erste Saisonentscheidung an, in der Bundesliga ist man kein Spitzenteam mehr: Auf aktuellem Niveau droht den Bayern die zweite Saison in Serie ohne einen Titel.

Abschließend wurde Trinchieri noch gefragt, ob der wegen der Verletzten verpflichtete D.J. Seeley ein wichtiger Faktor werden könnte - gegen Bonn kam er, bei gut 19 Minuten Spielzeit, immerhin auf neun Punkte. Aber auch das konnte die Laune des Trainers nicht heben, im Gegenteil. "Er kam nicht in guter Verfassung hierher", knirschte Trinchieri. In der ersten Woche bei einem neuen Arbeitgeber sei man euphorisiert und könne physische Rückstände kaschieren, "doch dann zahlst du den Preis. Nein, er ist nicht in Spielform". Ob er denn in seiner freien Zeit daran arbeiten könne? "Wir waren am Dienstag in Valencia, am Donnerstag in Barcelona. Es gibt keine freie Zeit." Womit auch die Eingangsfrage beantwortet wäre: Etwas mehr als null Prozent Einfluss hat die Euroleague auf die Bundesliga-Partien auf jeden Fall.

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