Basketball:Unter der Messlatte

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Hin und her über den Atlantik: NBA-Neuling Daniel Theis. (Foto: dpa)

Die deutsche Basketball-Nationalmannschaft geht mit Problemen ins letzte EM-Testspiel. NBA-Profi Dennis Schröder schultert derzeit viel Verantwortung.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

In der Pause kam noch einmal Dirk Nowitzki. Auf einem Werbespot für eine Bank nämlich, in welcher der "lange Lulatsch" plötzlich auftaucht und freundlich ein Autogramm auf einen Basketball schreibt. Im deutschen Nationalteam ist Nowitzki inzwischen Legende, seinen Platz in der DBB-Auswahl hat der 23-jährige Dennis Schröder eingenommen, der mit einem 70-Millionen-Dollar-Vertrag bei den Atlanta Hawks in der NBA gleichfalls in Dimensionen aufgestiegen ist, die er sich "zahlenmäßig kaum vorstellen kann", wie er gerade sagte. Aber im letzten Spiel beim Supercup am Sonntag in Hamburg gegen den Olympia- und EM-Zweiten Serbien war seine kleine Fußball-Einlage mit Gegenspieler Bogdan Bogdanovic das einzige Highlight aus deutscher Sicht.

Die Mannschaft ist gefordert: Sie muss Dennis Schröder entlasten

Beim chancenlosen 56:87 (34:44) war auch Schröder, der Point Guard "von der Kondition her nicht in der Lage, das Spiel zu lenken", wie Bundestrainer Chris Fleming sagte. Schröder war zwar mit 16 Punkten der gefährlichste Deutsche, kam aber nicht annähernd heran an seine vorherigen guten Auftritte beim 79:76 gegen Russland (28 Punkte) und 75:80 gegen Polen (26 Punkte). "Wir sind zu Recht unter die Räder gekommen", bekannte Fleming. Im Normalfall, sagte er, müsste das Nationalteam "zu diesem Zeitpunkt viel, viel weiter" sein: "Die Messlatte liegt verdammt hoch." Viel Zeit bleibt nicht mehr vor dem ersten Spiel der EM am 31. August in Tel Aviv gegen die Ukraine, nur noch ein Test gegen den früheren Europameister Frankreich in Berlin am 27. August ist anberaumt. Die anderen EM-Gruppengegner sind Georgien, Israel, Italien, Litauen.

Hauptziel ist es, die Vorrunde zu überstehen, sagt Daniel Theis (künftig Boston Celtics). Aber das wird schwer. Es ist bei den vergangenen beiden Turnieren nicht gelungen, und es wird wohl auch diesmal fast unmöglich werden, wenn nicht das klappt, was Theis als Voraussetzung ansieht: als Team zu versuchen, Dennis Schröder zu entlasten, ihm den Druck zu nehmen: "Er wird am meisten den Ball in der Hand haben, und wir müssen dafür sorgen, dass er auch Freiräume und Luft hat." Im Spiel gegen das Weltklasseteam aus Serbien war das noch nicht der Fall. "Er braucht mehr Unterstützung", mahnte auch Fleming. Zumal ja Theis, der früher in Braunschweig mit Schröder zusammenspielte, bei der letzten Partie längst wieder auf dem Weg nach Boston war. Er hatte dort einige vertragliche Dinge zu lösen.

Es macht die Sache nicht einfacher, dass womöglich ein halbes Dutzend Spieler ausfällt. Hoffnung besteht noch bei Kapitän Robin Benzing (Bänderverletzung), Center Johannes Voigtmann (Leiste) und Karsten Tadda (Knie); dagegen sind Bogdan Radosavljevic (Alba Berlin), Maik Zirbes (FC Bayern) und auch Maxi Kleber nicht dabei. Kleber will sich nach seinem Wechsel vom FC Bayern zu den Dallas Mavericks vorerst ganz auf die NBA konzentrieren. Der frühere Basketballtrainer Stefan Koch sieht sogar die Bedeutung der internationalen Wettbewerbe in Gefahr. "Weil die Top-Spieler, wenn überhaupt, nur noch sehr bedingt zur Verfügung stehen", wie er im Deutschlandfunk sagte. Hintergrund sei ein Streit zwischen dem internationalen Verband (Fiba) und der Basketball Euro League. Dazu komme, dass die NBA-Spieler ihren eigenen Spielplan hätten.

Immerhin hat Tibor Pleiß, 27, der für Utah Jazz spielte und kommende Saison für den spanischen Klub Valencia BC aufläuft, seine Rückkehr in Aussicht gestellt. Er war nicht nominiert, weil er das Team während der EM-Qualifikation verlassen hatte, um sich um einen neuen NBA-Arbeitgeber zu kümmern. Jetzt sagte der 2,18 Meter große Center dem Kölner Express: "Das Kapitel Nationalmannschaft ist für mich nicht beendet." Momentan glaubt Fachmann Koch, dass sich die deutsche Mannschaft "stärker über die Defensive als über die Offensive definieren" müsse.

Unabhängig von den aktuellen Problemen bastelt Dennis Schröder weiter an seiner Karriere, auch abseits des Sports. Er hat sich einige Immobilien und ein Restaurant zugelegt, und er wolle auch die Wohnung, die ihm der DBB in Hamburg zur Verfügung stellte, durch ein eigenes Haus ersetzen, in das er sich mit der Familie zurückziehen könne, wenn er in Deutschland ist. Zudem wolle er in Afrika mit seinem Bruder und seinem Management eine "Foundation" gründen und in Gambia, wo seine Mutter herkommt, eine Basketballhalle bauen. So etwas gebe es dort noch nicht. "Mit dem neuen Vertrag kann man andere Sachen anpeilen", sagt der Deutsch-Gambier. Andere Dimensionen - trotzdem, sagt Chris Fleming, habe er sich bei den alten Kumpels in den vergangenen Tagen "gut eingefügt".

© SZ vom 22.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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