Basketball:Türstehermentalität

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Der FC Bayern zeigt in Straßburg die beste Euroleague-Vorstellung dieser Saison - und wähnt sich bereit für das Spiel in Bamberg.

Von Jonas Beckenkamp, München

Eine kleine Einschränkung machte Svetislav Pesic dann doch geltend, ein Basketballspiel dauert schließlich 40 Minuten. Vollkommene Zufriedenheit stellt sich beim Trainer des FC Bayern nur selten ein - er ist zu lange dabei, um bei einem deutlichen Sieg wie dem 82:69 (48:29) seiner Mannschaft in Straßburg gleich das perfekte Spiel auszurufen. Aber nah dran an der Bestnote waren die Münchner schon an diesem Abend, das nahm auch der Coach mit verschmitzter Gelassenheit zur Kenntnis. "Wir haben heute 35 Minuten exzellenten Basketball gezeigt, fast ohne Fehler", sagte Pesic. Ein wenig stolz war er schon, sein Team hatte funktioniert wie eine gut geölte Maschine.

Ausklammern konnte der Serbe allenfalls die erste Minute der Partie, als der französische Pokalsieger 4:0 in Führung gegangen war; und die sogenannte "Garbage Time" - so heißen im Basketball jene Minuten, in denen ein längst entschiedenes Match mit nachlässigem Gedaddel aus trudelt. Dazwischen zerlegten die Münchner die Franzosen mit solcher Spielkunst, dass der Erfolg auch deutlicher hätte ausfallen können. Eine Kombination aus Offensiv-Wucht und Türstehermentalität in der Verteidigung brachte den Bayern ihren vierten Sieg in der Euroleague-Vorrunde.

Plötzlich spielen die gescholtenen Langen groß auf

"Wir haben stark verteidigt und den Ring kontrolliert", erklärte Pesic, "unsere großen Jungs wie Deon, Dusko oder John haben den Rebound dominiert, und als Team hatten wir eine hervorragende Wurfqoute." In der Tat wühlten und grabschten die genannten Thompson (14 Punkte, acht Rebounds), Savanovic (sieben Punkte, zehn Rebounds) und Bryant (17 Punkte bei fast perfekter Trefferquote) unter den Körben herum, als hätten sie lange keinen Auslauf gehabt. Ein wenig verblüffend war das schon, schließlich waren eben diese drei langen Leute Teil jenes Bayern-Teams, das in den vergangenen Wochen arge Probleme gehabt hatte.

Eine Niederlagenserie von fünf Spielen hatte Pesic' Männer an sich zweifeln lassen, aber mittlerweile haben sie sich selbst längst aus dem Schlamassel herausgekämpft. Belege für die zurückgekehrte Selbstgewissheit gab es genug: Gleich mehrfach rummste es im Straßburger Korb, als Bryce Taylor, Thompson und Aufbauwirbler Alex Renfroe (acht Punkte, sieben Vorlagen) im Elsass eine kleine Dunking-Show hinlegten. Beeindruckend war aber auch, mit welcher Intensität die Münchner die eigene Zone verrammelten - überall auf dem Parkett schienen flinke Bayern-Hände herumzuschwirren. "Unsere Defensive war heute entscheidend. Wenn du gut verteidigst, läuft es auch vorne", sagte Center Bryant.

Er brachte damit eine alte Weisheit auf den Punkt: Das Rhythmus-Spiel Basketball entfaltet sich dann am besten, wenn der "Flow" stimmt. Wenn alle Akteure vorne wie hinten eingebunden sind. Teambasketball, mit vielen schnellen Pässen klugen Entscheidungen - das hatten die Bayern in dieser Saison anvisiert. Jetzt hat die Mannschaft diese Philosophie offenbar verinnerlicht, auch auf dem hohen Niveau der Euroleague. "Wir haben heute den besten Basketball der Saison gezeigt", meinte Sportchef Marko Pesic, "das macht Mut für die nächsten Aufgaben, die nicht leichter werden."

Entscheidendes Spiel in Belgrad

In der Gruppenphase ist der Erfolg in Straßburg überlebenswichtig, schließlich kämpfen die Münchner um Platz vier und das damit einhergehende Weiterkommen ins Top 16. Noch stehen gegen Real Madrid und in Belgrad zwei Partien aus - aber schon ein weiterer Sieg könnte für das große internationale Ziel reichen. "Es ist die erste Dezember-Woche, und das war nicht das letzte Spiel", sagte Svetislav Pesic, "ich hoffe, dass wir in der Euroleague noch viele Partien haben werden." Dabei dürfte es den Trainer besonders freuen, dass seine Profis pünktlich zur entscheidenden Phase ihre Form wiedergefunden haben.

Bevor es aber am kommenden Freitag in der Rudi-Sedlmayer-Halle zum Showdown mit den kriselnden "Königlichen" kommt (Madrid rettete sich zuletzt zu einem knappen Sieg gegen Fenerbahce), steht nun in der Bundesliga eine Riesenaufgabe an: Am Nikolaussonntag soll in Bamberg die Revanche für das verlorene BBL-Finale gelingen. "Ich erwarte erneut ein offenes Spiel", sagt Flügelspieler Nihad Djedovic, "Bamberg hat einen guten Lauf. Sie zählen zu den besten Teams - nicht nur in der BBL, sondern auch in der Euroleague." Im Gegensatz zu den Münchnern sind die Franken bereits für die nächste Runde qualifiziert. Gut möglich also, dass die Bayern in "Freak City" sogar 40 Minuten perfekten Sport liefern müssen.

© SZ vom 06.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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