Basketball:Stadt, Land, Strich

Lesezeit: 3 min

Bis 2020 in Würzburg, zuletzt in Frankreich: Cameron Wells, hier im Einsatz für Boulazac Basket Dordogne. (Foto: Kevin Domas/PanoramiC/imago)

Medi Bayreuth hat seinen Kader mit Bundesliga-erprobten Zugängen breiter aufgestellt. Trainer Raoul Korner dämpft dennoch die Erwartungen.

Von Christoph Leischwitz

Bayreuth, sagt Raoul Korner, das sei eine gute Mischung aus Stadt und Land, das jeweils "Bessere aus beiden Welten" finde hier zusammen, findet der Trainer des Basketball-Bundesligisten: einerseits die gute Infrastruktur, andererseits das familiäre Umfeld und die Tatsache, dass die Menschen hier immer aufeinander zugehen. Grantig könne ein Bayreuther auch einmal sein, klar. Aber das sei für einen Wiener wie ihn nicht so schlimm, "ich glaube, wir haben das sogar erfunden", sagt Korner lachend. Der 47-Jährige arbeitet nun schon fünf Jahre für die Oberfranken und weiß, wovon er redet. Wenngleich es bei Medi Bayreuth zurzeit, vor dem ersten Testspiel der Saisonvorbereitung an diesem Samstag (18 Uhr) gegen Bundesliga-Aufsteiger Heidelberg, nicht viele Gründe gibt, grantig zu sein.

Bereits Mitte Juli hatten sie den neuen Kader zusammengestellt, und dabei aus einer Not eine Tugend gemacht: Weil zurzeit die NBA Summer League stattfindet, später als sonst, sei es kaum möglich gewesen, US-amerikanische Talente nach Deutschland zu locken. Also entschied man sich, im Gegensatz zu früheren Spielzeiten, nicht länger zu warten und stattdessen mehrere Bundesliga-erfahrenere Akteure zu verpflichten. Zum Abschluss der Kaderplanung kam beispielsweise der 27-jährige Forward Terry Allen, der auch schon für Göttingen und Hamburg spielte.

"Durch ihn wird sich etwas an der Dynamik der Mannschaft ändern", sagt Trainer Korner über Cameron Wells

Das einzige Problem besteht aktuell darin, dass einer der drei geplanten Führungsspieler, Cameron Wells, kurz nach seiner Ankunft in Deutschland Corona-positiv getestet wurde. Zum Trainingsauftakt in der zweiten Augustwoche war der 32-Jährige deshalb nicht dabei. "Er fehlt natürlich sehr", sagte Korner über Wells, zumal der Routinier geholt wurde, um den Leistungsträger Bastian Doreth zu entlasten; im Training hing alles erst einmal wieder vorwiegend am 32-jährigen Publikumsliebling. Wells wurde mittlerweile freigetestet. "Durch ihn wird sich etwas an der Dynamik der Mannschaft ändern, dann verschieben sich die Rollen", meint Korner, dessen Team gerade dabei ist, eine neue Hierarchie herauszuarbeiten.

Bayreuth war der erste Bundesliga-Klub mit fertigem Kader. Die Saison beginnt zwar erst am 26. September (für Bayreuth mit einem Auswärtsspiel in Giesen). Doch erstens war Korner Ende Juli auch noch in seiner Eigenschaft als österreichischer Nationaltrainer unterwegs, da war es von Vorteil, bis dahin in Bayreuth Planungssicherheit zu haben; zweitens richtet Medi Bayreuth am 18. September ein prestigeträchtiges Einladungsturnier statt, zu dem auch der FC Bayern anreisen wird. Außerdem weiß man auch noch nicht, wie lange und auf welchen Hochzeiten die Mannschaft im Herbst tanzt. Im Pokal wartet Anfang Oktober ein Duell gegen Hamburg, erstmals seit Jahren startet Bayreuth wieder mit einem Heimspiel. Außerdem wurde das Team für den Europe Cup gemeldet, in dem bald das erste Qualifikationsturnier ansteht - mit einem Spiel am 29. September gegen den Sieger der Partie zwischen den Nordmazedoniern von TFT Skopje und den Ungarn von SZTE Szeged. Nach einem Sieg in dieser Partie würde zwei Tage später im Finale der Sieger des Spiels zwischen Krasnoyarsk (Russland) und dem israelischen Vetreter Hapoel Haifa auf Bayreuth warten. Ein Sieg würde dann den Einzug in die Gruppenphase bedeuten. Aus all diesen Gründen wurde der Kader "ein bisschen breiter aufgestellt als in den vergangenen Jahren", sagt Korner.

Die Playoffs seien nur realistisch, wenn "wir überperformen", "ans Limit gehen" - und gleichzeitig auch ein bisschen Glück im Spiel sei

Ein recht erfahrenes Team, das laut Korner auf recht hohem Niveau ins Training gestartet ist - wachsen da nicht gleich wieder die Erwartungen an den Tabellen-Zehnten der vorigen Spielzeit? Bei diesem Thema bemüht Raoul Korner eher die ländlich-bodenständige Seite des Vereins. "Wir wollen immer um Playoffs mitrittern", sagt er, aber für einen Standort wie Bayreuth sei das nur dann realistisch, wenn "wir überperformen", "ans Limit gehen" - und gleichzeitig auch ein bisschen Glück im Spiel sei. "Natürlich ist ein Platz über dem magischen Strich erstrebenswert, aber ich will keine Erwartungen wecken. Wir müssen schon immer wissen, woher wir kommen", sagt der Chefcoach.

Für ein Team wie Bayreuth sei es immens wichtig, bald wieder so viele Zuschauer wie möglich hinter, neben, über sich zu wissen. Stand jetzt wären in der stimmungsmäßig berüchtigten Oberfrankenhalle rund 1000 Besucher erlaubt. "Es muss ein vorrangiges Ziel sein, dass der Funke von der Mannschaft auf die Fans überspringt", sagt Korner. Denn auch davon werde es abhängen, "ob wir unsere Träume verwirklichen können", so der Coach: Es falle eben sehr viel leichter, über sich hinaus zu wachsen, wenn einen 4000 Menschen nach vorne peitschen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: