Basketball:Moneyball in Oberfranken

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"Der erste Schritt ist einmal, die Puzzleteile zu finden", sagt Bayreuths Trainer Raoul Korner. (Foto: Thomas Jäger/imago)

Die Corona-Krise hat auch medi Bayreuth schwer getroffen. Trainer Raoul Korner muss beim Neuaufbau auf ein Drittel des Budgets verzichten.

Von Felix Haselsteiner

Für ein paar Wochen, sagt Raoul Korner, hätte er während der Corona-Krise mal nicht jeden Tag an Basketball denken müssen. Seine Zeit verbrachte Korner stattdessen mit vielen Büchern: "Einmal ging es um Körpersprache, ein anderes Mal um Rhetorik", sagt der Trainer von medi Bayreuth über seine Lektüre: "Ich habe versucht, mich persönlich weiterzubilden, vor allen Dingen auch in wirtschaftlichen Themen. Wahrscheinlich habe ich in den letzten Monaten mehr gelesen als in den drei Jahren davor zusammen". Korner mag damit nicht ganz allein sein, in Quarantäne-Zeiten waren Bücher als Zeitvertreib ja ein durchaus anerkanntes Mittel und könnten - Stichwort: wirtschaftliche Weiterbildung - auch im Basketball Anwendung finden. "Gepuzzelt habe ich aber nicht", sagt Korner. Dabei wäre auch das wohl eine gute Vorbereitung auf den Bayreuther Sommer gewesen.

"Der erste Schritt ist einmal, die Puzzleteile zu finden", sagt der Österreicher, was unter den gegebenen Voraussetzungen alles andere als einfach ist. Die Coronakrise hat die Bayreuther auf eine harte Probe gestellt: Der gesamte Verein samt Spielern und Trainern wurde in Kurzarbeit geschickt, es war unklar, ob es überhaupt weitergehen würde mit dem Basketball auf Erstliga-Niveau. "Keiner wusste, welche Konsequenzen die Krise für uns wirklich haben würde", sagt Korner: "Kann es weitergehen? Wird es weitergehen? Das waren die Fragen." Immerhin: Man fand Antworten. Die Teilnahme am Finalturnier wurde mit Verweis auf die Kosten der Spiele in München abgesagt, die Fans unterstützen mit einem großzügigen Verzicht auf Rückforderungen bei den Eintrittskarten und die Sponsoren garantierten ein weiteres Engagement. "Das war überlebensnotwendig", sagt Korner. Am Mittwochnachmittag erhielten die Bayreuther von der Liga die Lizenz, noch unter formalen Auflagen, die jedoch zu stemmen sein dürften.

Ein Drittel weniger Budget hat Korner nun für seinen Kader in der nächsten Saison, der komplett neu zusammengebaut werden muss: Ende Mai standen in Bastian Doreth und Lukas Meisner offiziell nur noch zwei Spieler im Kader. Korners derzeitige Suche nach den Puzzleteilen erinnert ein wenig an Moneyball, das legendäre Scouting-Konzept der Oakland Athletics im Baseball von 2001: "Es ist weniger zahlenorientiert als Moneyball", sagt Korner zwar, aber im Kern derselbe Gedanke: "Den perfekten Spieler können wir uns nicht leisten. Wir müssen daher Abstriche machen in manchen Bereichen - und irgendwie versuchen, so nahe wie möglich an die Perfektion ranzukommen." Korner berichtet nicht ohne Stolz, dass er auch schon Spieler wie Assem Marei (zuletzt bei Brose Bamberg) gefunden hat, der zwischen 2016 und 2018 in Bayreuth gespielt hat: "Einen Ägypter von einem mittelmäßigen litauischen Verein, wer findet so jemanden schon." Dasselbe gilt für Spieler wie Hassan Martin, der einst aus den USA nach Bamberg wechselte und heute für Olympiakos Piräus in der Euroleague spielt.

Das fränkische Moneyball funktioniert auch in diesem Jahr wieder: Dererk Pardon, Matthew Tiby, Frank Bartley und Ryan Woolridge heißt das neue US-amerikanische Quartett, das die Bayreuther bereits verpflichtet haben. Dazu kommt aus Österreich Philip Jalalpoor. "Wir hatten einen kleinen Vorsprung auf dem Markt, im Vergleich zu den anderen BBL-Teams, die noch mit der Trainersuche beschäftigt waren", sagt Korner.

Außer den Verpflichtungen gab es immerhin auch zwei Verlängerungen: mit Doreth und Andreas Seiferth. Der 31-Jährige Doreth band sich mit einem neuen Vertrag bis 2024, mit der Aussicht auch danach im Verein zu bleiben, möglicherweise im Management. Seiferth, seit 2016 im Klub, bleibt mindestens bis 2022. "Wir gehen in unsere achte Saison, Brudi", schrieb Doreth nach der Verkündung bei Instagram, Seiferth und er sollen inmitten der Runderneuerung die Konstanten sein.

"Bastian hat immer klar gesagt, dass er seine Karriere hier in Bayreuth beenden möchte und hat damit offene Türen eingerannt", sagt Korner, der in den Entscheidungen der beiden Spieler auch einen Weg sieht, wie man inmitten einer Krise langfristige Prozesse in Gang setzen kann: "Man braucht solche Personen wie Doreth, um Kontinuität aufzubauen." Und: "Seiferth ist ein Beispiel dafür, wie man als Basketballverein nach außen wirken möchte. Das ist die Professionalität und die soziale Kompetenz, die wir uns in Bayreuth von einem Spieler wünschen."

Während man bei anderen Bundesligisten, wie etwa in Bamberg, zunächst die sportliche Führung austauschte und erst dann an die Kaderplanung gehen konnte, sind die Bayreuther in ihrer Planung vergleichsweise weit. Der Trainer sieht in der Neuaufstellung nicht nur Nachteile: "Als ich damals neu dazugekommen bin", sagt Korner, habe er bis auf Seiferth und Doreth komplett neu angefangen. Und als Tabellenvierter in der Saison 2016/17 gleich überrascht: "Warum also nicht auch diesmal?"

© SZ vom 17.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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