Basketball:Mit den Fans im Rücken

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Die Kleinste dreht auf: Miyah Barnes kann beim TSV Wasserburg zum ersten Mal überzeugen. (Foto: Gabi Hörndl / oh)

Wasserburgs ersatzgeschwächte Basketballerinnen beziehen im ersten Spiel nach dem Trainerwechsel eine weitere Niederlage, fühlen sich aber auf dem richtigen Weg. Hoffnung macht ihnen die Leistungssteigerung ihrer Nachverpflichtung.

Von Andreas Liebmann

Die Kleinste machte den Anfang, und man musste sich schon am Riemen reißen, um nicht gleich dieses erste kuriose Bild überzuinterpretieren. Es wurde laut in der Halle des TSV Wasserburg, endlich mal wieder etwas Show, es stand ja das erste Heimspiel seit vielen Wochen vor Publikum bevor. Miyah Barnes also lief zu dröhnender Musik und Applaus ein, Trikotnummer 0, nur 1,65 Meter groß, Rastamähne. Es war ihre Premiere vor den Fans des deutschen Rekordmeisters im Frauenbasketball. Die Gäste vom BC Marburg standen bereits auf dem Parkett, geschart um ihre imposante Centerin Joanna Grymek, 2,02 Meter. Haliegh Reinoehl folgte und stellte sich neben Barnes, Levke Brodersen und Ana Vojtulek reihten sich ein - dann fiel der Trainerin auf, dass etwas nicht stimmte. Aus der Umkleide deutete sie mit dem Zeigefinger eine Drehung an, und die Spielerinnen verstanden: Sie hatten sich doch tatsächlich mit den Rücken zu den Fans aufgereiht.

Es läuft nicht rund, so viel durfte man aus diesem Fauxpas wohl herauslesen, für diese Erkenntnis genügte allerdings auch ein Blick auf die Tabelle, wo die erfolgsverwöhnten Wasserburgerinnen auf einem Abstiegsplatz stehen. Aber die Kleinen vor einer riesigen Übermacht? Die Aufbauspielerinnen Barnes und Brodersen, die Regie führen sollen, orientierungslos? Das wäre schon zu viel gedeutet. Gut eineinhalb Stunden später jedenfalls versicherte Wasserburgs Trainerin Rebecca Thoresen, dass sie mächtig stolz sei "auf die Mädels", auch wenn es am Ende doch die erwartete Niederlage gab, mit 66:77 etwas deutlicher als nötig.

Es war nicht nur das erste Spiel vor Heimpublikum nach langer Zeit, es war auch das erste seit dem Rücktritt des stellvertretenden Abteilungsleiters Peter Maier, der einige Tage zuvor "unüberbrückbare Differenzen bei der Personalplanung sowie Kommunikationsstau mit der Abteilungsleitung" als Gründe genannt hatte für seinen Rückzug. Und es war die Premiere der bisherigen Co-Trainerin Thoresen als Chefcoach, nachdem der Verein sich frisch von Trainer Rüdiger Wichote getrennt hatte. Die Broschüre zum Spieltag zeigte den 51-Jährigen noch im Amt - unter der seltsamen Rubrik "Trainer der Woche".

Abteilungsleiterin Paula Zaschka hatte sich nicht leicht getan mit seiner Entlassung, nicht nur weil sie Wichote sympathisch findet. Es sei nach der jüngsten Niederlage im Kellerduell gegen Düsseldorf schlicht "die einzige Option" gewesen, "neue Akzente zu setzen".

Die aktuellen Probleme sind geblieben. Nur sechs Spielerinnen seien zuletzt im Training gewesen wegen Verletzungen und Corona-Folgen, erzählte Thoresen. Zu acht traten sie nun an, unter anderem ohne die Dänin Sarah Mortensen, ohne Sophie und Maria Perner. Dass sie dank leidenschaftlicher Verteidigung zur Halbzeit sogar führten, war so nicht zu erwarten gewesen.

Auf der Suche nach Guards ist in dieser Saison "einiges blöd gelaufen", sagt Gaby Brei

0:6 lag Wasserburg anfangs hinten, dann zog Miyah Barnes mutig zum Korb und machte die ersten Punkte. In ihren ersten beiden Partien unter Wichote hatte die 23-Jährige keinen einzigen Punkt erzielt und wenig Spielzeit bekommen. Am Sonntag ging sie mutig voran. Während Marburgs Größte letztlich keine Einsatzminute erhielt (die Polin Grymek hat es in ihren bislang acht Kurzeinsätzen auf durchschnittlich einen Punkt gebracht), erzielte Wasserburgs Kleinste an diesem Tag 15 Punkte, meist durch couragierte Alleingänge. "Ich dachte, ich gebe ihr heute die Möglichkeit in der Starting Five und schaue, ob sie ins Spiel findet", sagte Trainerin Thoresen später, das habe ganz gut geklappt. Bislang war nicht ganz klar gewesen, ob die Nachverpflichtung nur die neue Personifizierung eines bestehenden Problems im Kader ist, oder ob sie auch Teil einer Lösung werden kann.

"Blöd gelaufen" sei es jedenfalls bei der Kaderzusammenstellung, erzählte Gaby Brei. Die langjährige ehemalige Abteilungsleiterin hilft mit ihren Kontakten und ihrer Erfahrung immer noch bei der Akquise der Spielerinnen, und sie kann viel erzählen, was diesmal bei der Suche nach Guards schief lief: von einer Kandidatin aus Brasilien, der die Impfung fehlte, einer aus Litauen, die keine Freigabe erhielt, zwischendurch einer Amerikanerin, die man wieder wegschickte, weil es nicht gepasst habe - und das alles vor dem Hintergrund, dass der Etat des Vereins schon länger keine großen Sprünge mehr zulässt. Als es zuletzt darum ging, eine Ergänzung zu finden für Levke Brodersen, die ihre Stärke eher in der Ballverteilung hat, da sei Barnes, die nach dem College in Zypern spielte, die einzig Verfügbare gewesen.

All das hatte auch Trainer Wichote so gesehen, über den Gaby Brei am Sonntag sagte, dass sie ihm "immer die Stange gehalten" habe, "er versteht sein Handwerk." Vielleicht könne seine Nachfolgerin nun ja mit etwas mehr Emotionen noch etwas bewegen.

Miyah Barnes jedenfalls wirkte mit ihren frechen, dynamischen Vorstößen am Sonntag erstmals, als könne sie ein Teil der Lösung werden, auch Brei war von ihr angetan. "Dabei ist sie noch gar nicht richtig integriert und kriegt zu selten den Ball." Weil sie aus einer schlechteren Liga kam, habe sie am Anfang womöglich Angst gehabt, hier nicht mithalten zu können.

Am Ende scheiterte es an der Kondition des verbliebenen Grüppchens. Mit 46:44 im dritten Viertel führte Wasserburg ein letztes Mal, dann foulte sich Centerin Vojtulek aus der Partie, und spätestens danach konnte sich speziell Marburgs Johanna Klug unter dem gegnerischen Brett nach Belieben austoben. Dass es schließlich elf Punkte Rückstand wurden, betrübte die neue Trainerin ein wenig. Als Schritt in die richtige Richtung wertete sie die Partie trotzdem.

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