Basketball:In der Findungsphase

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Mit 13 Punkten Würzburgs bester Werfer: Xavier Cooks. (Foto: Heiko Becker/ imago)

Würzburg verliert das letzte Spiel des Jahres 78:88 gegen Oldenburg - und macht doch Fortschritte. Für den Bundesligisten werden nun die kommenden Wochen besonders wichtig sein, in denen sich zeigt, ob der Klub die Playoffs erreichen kann.

Von Sebastian Leisgang

Denis Wucherer steht am Sonntagnachmittag vor der Trainerbank und hat einen guten Blick auf das Bundesliga-Spiel seiner Würzburger Basketballer, die er nach dem 78:88 (37:36) gegen Oldenburg für ihren Auftritt gleichermaßen loben und tadeln wird. Wucherer hat die Hände in den Taschen seiner Hose vergraben und wirft einen ausdruckslosen Blick auf das Spielfeld, wo es an diesem Tag nicht reichen soll, um den Tabellendritten zu besiegen. Als Florian Koch zum Wurf ansetzt, sind drei Punkte das ehrgeizige Ziel der Aktion - doch der Wurf wird geblockt. Als es wenig später auch der Mannschaftskollege Joshua Obiesie versucht, springen Würzburgs Spieler mit offenem Mund von der Bank auf, in freudiger Erwartung, dass der Ball diesmal in den Korb fliegen möge. Ihr Coach aber weiß es besser. Er geht einen Schritt und verzieht keine Miene: Der Ball fliegt nicht in den Korb.

Der Trainer Wucherer ist am letzten Spieltag dieses Jahres nicht immer in sich gekehrt gewesen. Manchmal hat er herum gefuchtelt, manchmal gebrüllt, manchmal mit dem Schiedsrichter diskutiert. Und doch hat er an diesem Tag innere Ruhe verkörpert. Es ist eine Ruhe, die seine Würzburger Basketballer insgesamt Fortschritte machen lässt. Selbst wenn Spiele wie jenes gegen die Baskets Oldenburg in einer Niederlage enden.

Zu Beginn der Saison hatten die Würzburger dreimal verloren - ein Fehlstart, der nicht mit den hohen Ansprüchen des Klubs vereinbar ist. Zu dieser Zeit erlebte Wucherer wohl manche schlaflose Nacht. Seine Spieler kamen einfach nicht in Tritt, und was dem 45-Jährigen am meisten Sorgen bereitete: Sie spielten nicht hart genug. Dabei verehrt doch gerade Wucherer einen physischen Basketball. Er ist ein Coach, dem ein schelmisches Lächeln ins Gesicht fährt, wenn er beispielsweise Kresimir Loncar dafür lobt, dass dieser auch mal mit dem Ellenbogen zu Werke gehe. In dieser Saison gab es zunächst nicht viel zu loben.

Trainer sprechen oft von schlaflosen Nächten. Diese Nächte sind im Sportler-Sprech eine typische Phrase und Metapher für Sorgen - doch Wucherer dürfte tatsächlich viele unruhige Nächte durchgemacht haben. Nun, kurz vor dem Jahreswechsel, muss man keine Bedenken mehr haben. Wucherer schläft mit großer Wahrscheinlichkeit wieder gut.

Wie weit seine Mannschaft inzwischen ist, woran es ihr aber noch immer mangelt, das lässt sich an diesem Sonntag gegen Oldenburg besonders gut erkennen. Der 35 Jahre alte Kresimir Loncar, sitzt zwar fast die gesamte Spielzeit auf der Bank und seine Ellenbogen bleiben an diesem Tag meist von einem großen, roten Handtuch bedeckt, das er um seinen Hals gelegt hat. Dennoch verteidigt Würzburg unter dem Korb mit Hingabe. Später sagt Wucherer: "Es war ein gutes Basketballspiel von zwei Mannschaften, die sich vor allem in der Verteidigung über dreieinhalb Viertel nichts geschenkt haben."

Dann aber, in der entscheidenden Phase, verlieren seine Spieler erst den Kopf, dann das Spiel. Sie leisten sich etliche Ballverluste, und so wird klar, warum Würzburg in der unteren Tabellenhälfte steht und Oldenburg in der Spitzengruppe. Und so gerät Wucherer für einen Augenblick aus der Fassung und tritt gegen eine Werbebande. Seine Mannschaft hat den Ball schon wieder aus der Hand gegeben: "Das hat mit Cleverness zu tun", findet er, "das hat mit Antizipation zu tun, mit Handlungsschnelligkeit. Und da muss man ganz ehrlich sagen: Das sind nicht unsere Stärken."

So ein letztes Spiel eines Kalenderjahres wird ja stets mit einem besonders wachsamen Auge verfolgt - in der Hoffnung, dass eine Erkenntnis herausfallen möge, die ins neue Jahr hinüberweist. Unter dem Eindruck des finalen Würzburger Auftritts 2018 gegen Oldenburg lässt sich also festhalten, dass die Mannschaft vorankommt - und doch noch jede Menge Arbeit vor sich hat. Wucherer weiß: "Die nächsten vier, sechs Wochen sind wichtige Wochen für uns." Denn da wird zu erkennen sein, ob Würzburg seinem Playoff-Anspruch gerecht werden kann - oder seinen Trainer noch zu dem ein oder anderen Tritt an eine Werbebande verleitet.

Dass er mit dieser Ungewissheit ins neue Jahr geht, lässt Wucherer erst mal nicht nervös werden. "Es ist ja jedes Jahr dasselbe", sagt er. Im Mittelfeld der Tabelle tummeln sich rund zehn Teams, und erst im Februar kristallisiert sich heraus, wer tatsächlich die Substanz für die Playoffs mitbringt.

© SZ vom 31.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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